Arrivederci Venezia

  • Bastei Lübbe
  • Erschienen: Januar 2002
  • 2
  • Bergisch Gladbach: Bastei Lübbe, 2002, Seiten: 270, Originalsprache
Arrivederci Venezia
Arrivederci Venezia
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Wolfgang Weninger
55°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Entspanntes Lesevergnügen ohne allzu großen Krimianspruch

Nirgendwo anders hätte diese Geschichte so ihren Lauf nehmen können als in Griechenland. In einer schaurigen Novembernacht 1949 wird auf der sagenumwobenen Insel Lesbos unter widrigsten Umständen ein Kind geboren. Hässlich wie die Nacht ist das Bündel Mensch, gebrandmarkt durch seine Echsenhaut und es wächst heran, beseelt von schwarzen, mörderischen Gedanken. Dimitros Kasasis tötet seinen Bruder, schwängert ein junges Mädchen und verschwindet für immer.

Jahrzehnte später. Wonnemonat Mai. Aber Commissario Benedetti ist nicht in Frühlingsstimmung. Weil sein Vorgesetzter Manzoni in den Ruhestand geht, hat er ihm ein letztes Kuckucksei ins Nest gelegt und die Versetzung von Herrn Benedetti von Venedig nach Rom arrangiert. Was diesem überhaupt nicht schmeckt. Immerhin teilt der bekennende Single sein Leben nicht nur mit der luxuriösen Lebensart seiner Mutter, einer gefeierten Ex-Operndiva, sondern auch noch mit seiner Leidenschaft zu Venedig, Lebenslust und gutem Essen. Na ja, eben typischer Venezianer. Und ein solches Vorgehen des schleimigen Manzoni muss man sich ja auch nicht gefallen lassen. Gottlob hält wenigstens seine Sekretärin Margherita zu ihm, die allerdings auch sehr geknickt ist, wenn sie an den bevorstehenden Fortgang ihres innig verehrten Chefs denkt.

Während des Studiums der Tageszeitungen fällt dem Commissario eine kleine Notiz auf, die besagt, dass aus dem berüchtigtsten Gefängnis von Santa Cruz (Bolivien) drei Gewaltverbrecher entflohen sind. Wo werden diese wohl untertauchen? Italien wäre ein optimales Pflaster und so beschließt unsere Hauptfigur, den wohlverdienten Urlaub zu nehmen und sich ein wenig in Bolivien umzusehen. Und natürlich auch dort das ein oder andere Auge auf die holde Weiblichkeit zu werfen. Als hätte alles auf die Ankunft unseres Italopolizisten gewartet, wird Benedetti eine heiße Spur serviert.

In der Zwischenzeit ist in Venedig der Teufel los. Schamloses Erpresserpack will die Stadt um 150 Millionen Euro erleichtern, ansonsten soll die Lagunensiedlung mit einem Ölteppich verseucht werden. Benedetti ist natürlich noch immer beleidigt ob der Intrigen der Obrigkeit und beginnt im Urlaub alleine zu ermitteln. Wichtigstes Bindeglied ins Büro ist natürlich seine Sekretärin, die er nach einem fulminanten Dinner mit anschließendem Betthupferl entgültig auf seine Seite ziehen kann.

Und Commissario Zufall hilft seinem Ermittlerkollegen kräftig auf die Sprünge. Niemand anderer als die Tochter des zu Beginn genannten Dimitros Kasasis läuft ihm über den Weg und somit ist sicher gestellt, dass auch kein anderer Übeltäter für diese Schandtat verantwortlich sein kann. Und Benedetti hat alle Hände voll zu tun, um dem Verbrecher samt Compagnons nach Möglichkeit das Handwerk zu legen, bevor Schlimmes passiert.

Der in Deutschland geborene Umberto Bellini, hat den vierten Band seiner Reihe um Commissario Benedetti vorgelegt. Man merkt, dass der Autor Psychologie, Germanistik und Philosophie studiert hat. Die Sprache dieses Kriminalromans wirkt künstlerisch bis künstlich, die Dialoge laufen in geschnörkeltem Singsang ab, wie in kein Mensch normalerweise sprechen würde (höchstens vielleicht Reich-Ranitzki) und die gesamte Story ist unterlegt mit Abhandlungen und Bonmots über Gott und die Welt. Dabei erlaubt sich der Autor in manchen Sequenzen genauso zynisch mit seiner Betrachtungsweise umzugehen, wie dies auch sein Commissario tut. Gelegentlich hat man das Gefühl, dieser sei zwar nicht ganz mit der (Um)Welt in Einklang, lächelt aber sehr von oben herab auf die Menschen rundum. Würde mir dieser gebildete Zeitgenosse über den Weg laufen, ich wüsste nicht, ob er mir besonders sympathisch wäre.

Die Geschichte kann genügend Spannung aufbauen, um den Leser bei der Stange zu halten. Allerdings scheint der Fall mehr von Zufällen und Intuition zu leben, als von konstruktiver Ermittlungsarbeit. Ähnlich wie der Romankollege bei Camilleri läuft die Ermittlungsgeschichte ziemlich nebenher, während das Hauptlesevergnügen eher in den mit ironischem Augenzwinkern vermittelten Ansichten und Einsichten des Autors liegt. Das bei Bastei-Lübbe erschienene Buch "Arrivederci Venezia" bringt auf seinen 270 Seiten ein angenehm entspanntes Lesevergnügen ohne allzu großen Krimianspruch. Über weite Passagen ist der Inhalt vorhersehbar und das Ende ist keineswegs überraschend. Resüme: Nette Durchschnittskrimikost für jedermann.

Arrivederci Venezia

Umberto Bellini, Bastei Lübbe

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