Stille Elite

  • Diogenes
  • Erschienen: Januar 2004
  • 2
  • Zürich: Diogenes, 2006, Seiten: 372
  • Zürich: Diogenes, 2004, Seiten: 372, Übersetzt: Ulrich Hartmann
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Thomas Kürten
64°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2004

Wasser auf die Mühlen der Verschwörungstheoretiker

Was kommt wohl dabei heraus, wenn man alles in einen Topf wirft: Die aktuelle politische Weltlage, angebliche Anti-Terror-Gesetze, einen Krieg am persischen Golf, die Ölpreisentwicklung, Krankheitspandemien wie Aids, SARS oder die spanische Grippe, eine Prise Mystik, eine Prise Fantasy, eine Prise Esoterik. Dann noch den Agentenrührlöffel hinein und ein paar mal kräftig herum gerührt. Die Italienerin Liaty Pisani, die den Superspion Ogden geschaffen hat, welcher den Vergleich zu anderen Größen des Agentenromans nicht scheuen braucht, hat aus all diesen Zutaten ein sehr gewagtes, aber nichts desto trotz stimmungsvolles und unterhaltsames Werk gezaubert.

Nehmen wir einmal an, die Welt ist nicht das, was sie scheint. Hinter aller Macht, sei es nun Politik, Wirtschaft oder aber auch in Teilen der Kultur, steht eine Elite von Wesen, die wie Menschen aussehen, ihnen ähneln, aber doch keine sind. Diese Elite der Nephilim ist vor tausenden von Jahren von irgendwelchen Sternen zur Erde gekommen und spielt seitdem mit den Menschen eine Art gigantisches Schach mit unserem Planeten als Spielfeld. Vor wenigen Jahrhunderten kam es jedoch zu einer Spaltung und es bildete sich eine amerikanische und eine europäische Elite. Jüngst kam es zwischen diesen beiden zu einer offenen Kriegserklärung und weil die amerikanische Elite die Menschheit nicht mehr gewähren lassen, sondern kontrollieren und manipulieren will, ist auch nur logisch, dass die bessere von zwei für die Menschheit schlechten Seiten in Europa ist.

Die Lanze des Longinus

Der Dienst wird in Venedig von der europäischen Elite beauftragt, die antike Lanze des Longinus zurück zu erobern. Dieses antike Artefakt, mit dem Jesus einst am Kreuz in die Seite gestochen wurde, haben die Amerikaner gestohlen, weil sie daran glauben, dass sie dem Besitzer unsägliche Macht verleiht. (Auch Hitler glaubte an die mystischen Kräfte dieser Lanze.) Was aber auch die europäische Elite nicht weiß: Um die Welt zu erobern arbeiten die Amerikaner an einem Virus, der die ganze Welt befällt. Ein Impfstoff soll dann nur ausgewählten Menschen injiziert werden, wobei gleichzeitig ein manipulierender Mikrochip in deren Körper eingeschmuggelt wird.

Doch bevor Ogden nach Washington aufbrechen kann, begegnet er einem alten Freund, dem kongenialen Rockmusiker Hibbing, dem er vor vielen Jahren das Leben rettete. Auch in Venedig wird ein Anschlag auf ihn verübt und abermals ist Ogden sein Retter. Der Agent begreift immer mehr, in welch aussichtsloser Situation sich die Menschheit befindet, denn auch der große Rockstar ist offenbar auf irgendeine Weise mit der Elite verbunden. Er hat jedoch sein Todesurteil vor rund 30 Jahren überlebt, weswegen nun ein "Maulwurf" in der europäischen Elite den Amerikanern ein Tribut leisten und Hibbing nachträglich umbringen will.

Wenn die Welt doch so einfach wäre...

Ogden erscheint dem Leser als erfahrener Agent, der Dienst als professionelle Organisation, die ein Netzwerk von Niederlassungen auf dem ganzen Globus unterhält. Jedem Leser sei selbst überlassen, was er vom Grundgedanken einer solchen unabhängigen und überstaatlichen Organisation hält, man sollte dabei auf gar keinen Fall vergessen, dass man sich bei den Ogden-Romanen im Bereich der Fiktion befindet. Deshalb darf man sich auch nicht wundern, dass Ogden stets unter hohen eigenen Moralvorstellungen handelt und sich, sofern er es für nötig hält, auch gegen seine Auftraggeber wendet. Seine Charakterzeichnung ist der Autorin exzellent gelungen, denn seine reine und gute Gesinnung wirken zu keiner Zeit übermenschlich und somit unsympathisch.

"Stille Elite" ist ein guter Agentenroman, der aktuelles Zeitgeschehen einer interessanten Interpretation unterlegt, die bei Anhängern von Verschwörungstheorien wahre Luftsprünge auslösen mag. Mitunter mögen die Theorien ein wenig simpel und naiv anmuten, so werden Afrika, Asien und Nahost in Pisanys Weltbild einfach unter den Teppich gekehrt. Der Roman kann trotzdem unterhalten. Störend sind einzig die seitenlangen Monologe von den wenigen "Eingeweihten", die das geheime Geflecht der stillen Elite gegenüber Ogden und dem Dienst entknoten. Ansonsten bietet der Roman ein gesundes Maß an Action, ohne dabei reißerisch zu wirken, und Herzschmerz, ohne in den Kitsch zu verfallen. Erst wenn auf den letzten 50 Seiten ein wenig zu dick das Happy End vorgetragen wird, schwächt sich der Gesamteindruck ein wenig ab und man gelangt doch noch zu dem Eindruck, in irgendeinen Bond-Abklatsch geraten zu sein. Bis man aber erst mal dort ist, weiß das Buch zu gefallen.

Stille Elite

Liaty Pisani, Diogenes

Stille Elite

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