Das Schweigen des Regens

  • Berliner Taschenbuchverlag
  • Erschienen: Januar 2003
  • 1
  • São Paulo: Companhia das Letras, 1997, Titel: 'O silencio da chuva', Seiten: 262, Originalsprache
  • Berlin: Berliner Taschenbuchverlag, 2003, Seiten: 295, Übersetzt: Karin von Schweder-Schreiner
Das Schweigen des Regens
Das Schweigen des Regens
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Thomas Kürten
62°1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2004

Es könnte aber auch alles ganz anders gewesen sein...

Die Landkarte der Kriminalliteratur ist um einen Schauplatz reicher: Rio de Janeiro. Eigentlich kein Wunder, denn die großen Metropolen Südamerikas sind ein zu jeder Tages- und Nachtzeit ein gefährliches Pflaster. Zudem sind die Straßenkinder aus den armen Vororten, den Favelas, die mörderischen Bandenkriege und das immer wieder umstrittene, rücksichtslose Eingreifen einer Spezialeinheit der Polizei seit langem auch in Deutschland Schlagzeilen wert.

Kommissar Espinosa hat mit den Straßenkindern jedoch gar nichts zu tun. Er ist ein Einzelgänger im besten Mannesalter, der in den vielen Jahren nach der Scheidung von seiner Frau leichte Probleme hat, sein Privatleben in den Griff zu kriegen. Er lebt ein klischeehaftes Junggesellenleben zwischen unordentlicher Wohnung, Fast Food und Frauenfantasien. Während der Arbeit an einem rätselhaften Mordfall bekommt er die Gelegenheit, mehrere interessante Frauen kennen zu lernen und ihrem Charisma zu erliegen.

Der Selbstmord des Managers - und keine Tatwaffe

Da wird geschildert, wie sich ein Manager umbringt. Als die Polizei zu der Leiche gerufen wird, findet sich am Tatort jedoch keine Tatwaffe mehr, weswegen Espinosa irrtümlich von einem Mord ausgehen muss. Die Ehe des Toten steht nicht zum besten, er selbst hatte ein Verhältnis mit seiner Sekretärin, seine Frau traf sich mit einem anderen Mann. Die Ermittlungen laufen zunächst in eine vollkommen verkehrte Richtung. Hatte dieser andere Mann etwas mit dem Mord zu tun. Espinosa entdeckt, dass dieser Mann auch noch eine Beziehung zu einer Fitness-Trainerin unterhält.

Dann nimmt der Fall jedoch eine Wendung auf, die Sekretärin verschwindet, die Tatwaffe taucht auf und ein Verdächtiger wird zunächst festgenommen und dann wieder laufen gelassen. Ein ehemaliger Polizeikollege, der nun als Versicherungsdetektiv arbeitet, meldet sich bei Espinosa und berichtet von der ungewöhnlich hohen Lebensversicherungssumme des Toten. Er will die Umstände des Todes erforschen. Kurz später wird die Mutter der Sekretärin ermordet und der Verdächtige taucht unter. War es ein Fehler, ihn wieder auf freien Fuß zu lassen?

Das Kräuseln des Kommissars Gehirnwindungen

Espinosa bedeutet auf deutsch übersetzt soviel wie "Philosoph" und dieser Name kommt nicht von ungefähr, ist doch sein geistiger Vater, der Schriftsteller Luiz Alfredo Garcia-Roza, Professor für Philosophie und Psychologie. Diesen Umstand bekommt der Leser des Romans auch deutlich zu spüren, denn während der Regen schweigt, kräuseln sich in den Gehirnwindungen des Kommissars sämtliche Konstellationen zusammen, unter denen das Verbrechen nach dem aktuellen Stand der Ermittlungen hätte ablaufen können.

Je mehr Fakten offen gelegt werden können, desto komplizierter wird es natürlich. Auf den richtigen Trichter kommt der Kommissar freilich erst kurz vor dem Ende, als ihm ein wichtiges Dokument in die Hände fällt. Auch wenn sich Espinosa gerade mal nicht mit dem Fall beschäftigt, macht er sich viele Gedanken. Wie zum Beispiel er als Polizist von einer Person wie der Witwe des toten Managers akzeptiert wird. Diese Frau verkörpert für den Polizisten ein Ideal, sie ist selbstbewusst, intelligent, kulturell interessiert, er kann sich mit ihr über Literatur unterhalten und genießt ihre Gegenwart. Oder aber weshalb die Fitnesstrainerin eine nicht minder große Anziehung auf ihn ausübt, dabei aber wesentlich unkomplizierter und natürlich bleibt. Und natürlich wie ein Mann wie Julio aussehen muss, der beide Frauen haben kann. Hochphilosophische Themen, die Espinosa da bei der ein oder anderen Portion Bandnudeln aus der Mikrowelle durch den Kopf gehen.

Der Roman lebt von den Perspektivwechseln

Der Roman ist durchweg gefällig geschrieben und lebt von Perspektivwechseln und den o.a. besprochenen Gedankengängen des Kommissars. Besonders in der ersten Hälfte läuft die Erzählung dabei nicht streng chronologisch, sondern springt bei Wechseln der Erzählperspektive gerne mal ein paar Tagen zurück, was im ersten Moment für Verwirrung sorgen kann. Hiermit kann der Autor aber sehr gut seinen Lesern deutlich machen, vor welchem Problem die Polizei bei der Ordnung der Fakten steht. Sein Kommissar ist ein sehr leidenschaftlicher Mensch, der hohe Sympathiewerte erzielen kann. Eigentlich ein Rätsel, warum er schon so lange alleine lebt. Wahrscheinlich durch seine Hingabe für den Beruf zu erklären, wohinter alles andere zurück stecken muss und wofür er sich ohne mit der Wimper zu zucken in Lebensgefahr begibt.

Besonderen Applaus verdient sich Garcia-Roza für die Art und Weise, wie er den Bösewicht letztendlich sterben lässt. Was er jedoch vollkommen schuldig bleibt, sind die Motive. Motive sowohl für den Selbstmord des Managers als auch für den Verbrecher werden allerhöchstens vage angedeutet. Beim Verbrecher wird zum Beispiel angedeutet, was er erreichen, aber nicht, wie er es letztlich durchführen will. Zwiespältig ist daher das Fazit, denn der Roman weckt Interesse, diesen Kommissar Espinosa bei weiteren Ermittlungen zu begleiten. Auf der anderen Seite sollte er dann die Hintergründe eines Verbrechens anschaulicher ausarbeiten. Und dass der Roman in Rio spielt, bekommt man eigentlich nur durch die gelegentlich Nennung einzelner Stadteile mit.

Das Schweigen des Regens

Luiz Alfredo Garcia-Roza, Berliner Taschenbuchverlag

Das Schweigen des Regens

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