Absturz

  • Gmeiner
  • Erschienen: Januar 2003
  • 1
  • Meßkirch: Gmeiner, 2003, Seiten: 288, Originalsprache
  • Meßkirch: Gmeiner, 2018, Originalsprache
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Lars Schafft
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2003

Frisch, flott und immer frei von der Leber weg: eine lebendige und kurzweilige Story

Leicht haben es Autoren wie Peter Wark sicherlich nicht. Oder ist Ihnen schon ein "Krimi im Gmeiner-Verlag" von diesem Autoren in den Regalen einer Buchhandlung Ihres Vertrauens aufgefallen? Zumindest unwahrscheinlich, wenn diese nicht im Raum Stuttgart, wo Peter Wark wohnt, steht. Andererseits ist "Absturz", Warks fünfter Krimi und zweiter aus der auf den Kanaren angesiedelten Martin-Ebel-Reihe, ein schönes Beispiel dafür, dass auch in den hinteren Reihen der deutschen Krimi-Landschaft Schriftsteller nur darauf warten, entdeckt zu werden. Und wie in Peter Warks Fall: auch völlig zurecht entdeckt werden sollten!

Martin Ebel ist eigentlich ein Mann im besten Alter. Seinen Job in Deutschland als Rechtsanwalt hat er schon lange an den Nagel gehängt, mittlerweile genießt er das Leben zwischen Siesta und Fiesta auf der kleinen Kanaren-Insel La Palma. Und trotzdem: Zufriedenheit, Ausgeglichenheit, Lebensfreude ist momentan ein Fremdwort für ihn.

 

Ich kippte das scharfe Zeug aus dem kleinen Glas hinunter, spülte dann mit einem großen Schluck Rotwein aus dem großen Glas nach. Wahrscheinlich hätte mir auch Flugbenzin geschmeckt.

 

Warum das Ganze? Nun, Carmen hat ihn nach langjähriger Beziehung verlassen und so sitzt Ebel nicht nur ohne Frau, sondern auch recht mittellos im "Castillo", der Bar seines Kumpels Pepe. Wahrscheinlich wären die nächsten Abende ähnlich trübsinnig und benebelt zu Ende gegangen, wenn nicht Siggi, Ebels bester Freund und Brötchengeber, hineinplatzte um mitzuteilen, dass Biking-Guide Miguel spurlos verschwunden ist. Siggi macht sich Sorgen und - wie sich bald herausstellt - nicht grundlos: Miguel ist tot, mit dem Mountain-Bike einen Hang hinuntergestürzt.

Zwischen die Trauer mischt sich aber ein bohrender Zweifel - wie konnte das einem durchtrainierten Rad-Profi durch und durch passieren? Ebel und Siggi wühlen in Miguels Vergangenheit und bringen dabei merkwürdige Dinge ans Licht. Sollte es sich gar nicht um einen Unfall gehandelt haben? Wieso die Geschäfte mit der Immobilienfirma Canarias-Invest? Und die plötzliche Anhäufung von Diebstählen in Ebels Umfeld? Zwischen südländischer Sonne, jeder Menge Hochprozentigem, Rad- und Wandertouren durch die palmerische Cumbre und einem Urlaubsflirt decken die beiden Exil-Deutschen eine persönliche Tragödie auf...

Peter Warks "Absturz" ist also eine Geschichte um "Ex" in jeder Hinsicht: Ein deutscher Ex-Rechtsanwalt arbeitet für einen Ex-Privatdetektiv als Mountain-Bike- und Wander-Guide, letzterer beschäftigt wiederum einen Ex-Radstar, der bald auch Ex-Mitarbeiter wird und eine Ex-Frau (passender: Witwe) hinterlässt. Warks "Absturz" ist aber auch extrem frisch, flott und immer frei von der Leber weg geschrieben.

Genau darin liegt der größte Pluspunkt in Warks fünftem Krimi. Schon nach den ersten Sätzen ist klar: Da schreibt jemand, dem der Griffel leicht in der Hand liegt. Der unterhalten möchte und dank seiner Sprache auch unterhalten kann. Ohne bemühte Schenkelklopfer sondern mit einem schelmenhaften Dauergrinsen, das sich Satz für Satz auf den Leser überträgt.

 

Thomas schaffte es aber doch noch recht schnell, mich sprachlos zu machen, was nicht eben allzu häufig vorkam. Er sprach, an die Allgemeinheit gewandt, sehr ernsthaft dreinblickend die Bitte aus, nicht Thomas genannt zu werden. "Sagt Scirocco zu mir, eine Freundin hat einmal zu mir gesagt, ich sei wie ein heißer Wüstenwind." Oh je, hatte der Junge ein Problem!

 

Mit dieser Nonchalance schreiben nicht viele deutschsprachige Autoren einen Krimi. Peter Wark ist einer der besten darunter.

Zweiter Pluspunkt: die durch und durch liebenswürdigen Figuren. Protagonist Martin Ebel, der zeigt, dass man auch ohne Schwermut (dafür mit Wermut) einen ganzen Roman über leiden kann; ein Aussteiger par excellence, der statt in einer spießigen schwäbischen Praxis den Rechtsanwalt zu mimen, lieber Sandburgen auf La Palma baut(!), zu keinem Tropfen nein sagt und mühsam versucht, sein Leben nach der Trennung von seiner Frau Carmen in den Griff zu bekommen. Siggi, ebenfalls Aussteiger, Ebels gelegentlich zu pflichtbewusster Arbeitgeber und bester Freund sowie die zahlreichen anderen "Gestrandeten" machen "Absturz" zu einer lebendigen und kurzweiligen Story.

Wo viel Licht, ist leider auch Schatten. Nicht unerwähnt soll an dieser Stelle bleiben, dass Wark zwar ein Kenner der kleinen Kanareninsel ist (worauf nicht nur das Vorwort schließen lässt), er jedoch sich auf das Beschreiben des Zusammenlebens einer Art "Aussteiger-Kolonie" beschränkt. Palmeros kommen eher als Randfiguren vor - wie der abgestürtzte Biking-Guide Miguel, Journalist und Gastronom Pepe oder der weißhaarige Taxifahrer Joseba. Schade, ein bisschen mehr kanarisches Flair hätte Warks Roman noch ein wenig mehr Pfiff gegeben und "Absturz" noch ein wenig mehr aus der Masse an deutschsprachigen Krimi-Erscheinungen herausgehoben.

Tja, und dann gibt es da noch ein Kriterium, das man bei einem Krimi eigentlich nicht außer acht lassen dürfte: den Plot. Der ist etwas dürftig geraten, obwohl die Ansätze durchaus vorhanden sind. Das Thema Immobilienspekulation auf einem spanischen Eiland, das ohne Tourismus und die EU wirtschaftlich kaum überleben könnte, hätte sicherlich mehr hergegeben, als Peter Wark andeutet. Und die Schlusspointe mit dem mysteriösen Unbekannten ist in diesem Zusammenhang einfach unbefriedigend.

Was bleibt also unterm Strich? Ein sicherlich aufstrebender Autor mit einer bemerkenswert amüsanten Schreibe; mit der Eigenschaft, phantasievoll kreierte Charaktere lebendig zu zeichnen; mit dem Ansatz, interessante Themen zu wählen. Dass es an der Umsetzung der Thematik dann doch etwas hapert, sei Peter Wark verziehen - bei den Voraussetzungen wird ihm das Ausarbeiten eines raffinierten Plots in der Zukunft sicherlich auch noch gelingen. Und wer weiß: Vielleicht wird Peter Wark das fürs Mountain Biking, was Brian Lecomber fürs Kunstfliegen und Dick Francis für den Pferdesport darstellen. Zu wünschen ist es ihm!

Absturz

Peter Wark, Gmeiner

Absturz

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