Auf dem Gipfel ist Ruh' (Oberst Benedikt Kordesch ermittelt 2)

  • Droemer
  • Erschienen: Mai 2025
  • 1
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Thomas Gisbertz
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2025

Weit mehr als nur ein Regionalkrimi.

Oberst Benedikt Kordesch hat vor einigen Jahren nicht ohne Grund seine Stelle bei der Kriminalpolizei aufgegeben und arbeitet seitdem in der Abteilung für Gewaltprävention und Opferschutz in Wien. Eigentlich ein Bürojob. Doch Oberstaatsanwältin Wiltrud Krakauer hält ihn weiterhin für den geborenen Ermittler. Daher bittet sie ihn erneut darum, als Sonderermittler tätig zu werden. Diesmal geht es um einen brisanten Fall, den Kordesch absolut diskret behandeln muss: Milliardär Bernhard Kolin, Chef der größten österreichischen Boulevardzeitung „Die Sonne“, ist bei einer mehrstündigen Wanderung beim Pießling-Ursprung im Toten Gebirge tot zusammengebrochen. Kordesch soll ohne weitere Unterstützung die näheren Umstände klären. Doch noch bevor er nach Oberösterreich aufbricht, wo die gesamte Familie des Medienmoguls die Pfingsttage verbringt, verstirbt auch Kolins Mutter. Die Ermittlungen erweisen sich als äußerst schwierig, denn die Familie will mit allen Mitteln Gerüchte und Spekulationen verhindern. Dabei scheint jeder der Familienmitglieder ein Motiv für den Doppelmord zu haben.

Oberst Kordesch ermittelt wieder

Simon Ammer ist ein Pseudonym des österreichischen Schriftstellers Daniel Wisser, der für seine Romane bereits mehrere Preise erhielt, u.a. den Österreichischen Buchpreis. Bekannt geworden ist er als ebenso scharfer wie humorvoller Beobachter der österreichischen Gesellschaft und der Regionen des Landes.

Nun erscheint mit „Auf dem Gipfel ist Ruh‘“ der zweite Fall für den grantigen, etwas kauzigen, aber äußerst cleveren Oberst Benedikt Kordesch, der in einer Verfilmung ohne Weiteres vom österreichischen Schauspieler Karl Markovics verkörpert werden könnte. Der alleinstehende Oberst ermittelt erneut im vermeintlich friedvollen Urlaubsidyll, das mehr kriminelle Energie birgt, als dem Ermittler lieb sein kann.

Unverwechselbarer Ermittler

Zynismus, schwarzer Humor, feiner Wortwitz und wunderbar sprachgewaltige Dialoge: Dies alles zeichnet auch den zweiten Band der Benedikt-Kordesch-Reihe aus. Simon Ammer ist ein wahrer Wortakrobat. Man spürt mit jeder Seite die diebische Freude des Autors beim Schreiben. Es ist dem großen Schreibtalent Ammers zu verdanken, dass er dabei die Grenze zum Albernen niemals überschreitet. Ammer zeichnet mit dem Oberst eine Figur, die in ihrem Auftreten zunächst unseriös erscheinen mag, weil sie von Zwängen und klaren Regeln geprägt ist. Abweichungen von den polizeilichen Vorgaben gibt es bei ihm nicht - genauso wenig wie das Duzen der Verdächtigen und das Ermitteln auf Socken, zu dem er in der Pension der Familie Kolin genötigt wird.

Kordesch leidet nicht nur unter seiner chronischen Gastritis, die ihm immer wieder zu schaffen macht, sondern auch dem Umstand, nicht ganz ernst genommen zu werden und keinerlei Unterstützung bei seiner Ermittlung zu erhalten. Ängste hat Kordesch nicht nur vor E-Bikes und Magenkrämpfen. Vor allem ist ihm das Autofahren verhasst, seit er bei einem Unfall vor einigen Jahren ein Kind tödlich verletzte. So muss ihn die Oberstaatsanwältin Krakauer persönlich nach Vorderstoder, dem Urlaubsdomizil der Familie Kolin, fahren. Doch seinen Scharfsinn und seine Kombinationsgabe können Ängste und Zweifel nichts anhaben, auch wenn man ihm den cleveren Ermittler zunächst gar nicht abnehmen will. Kordesch ist eine sympathische Figur, obwohl er nicht frei von Vorurteilen ist. Der Oberst ist ein Hin-und-Her-Gerissener, der vieles will, aber nicht alles kann. So wie das Wiedersehen mit Franziska, die er kurz zuvor kennenlernte und bei der er sich eine Muschelvergiftung zuzieht. Zwischen Mord und Zwietracht versucht er auch noch eine Beziehung aufzubauen. Vielleicht der bislang schwerste Fall für den alleinstehenden Ermittler.

Großartiger Schreibstil

Simon Ammer gelingt mit seiner Reihe der Spagat zwischen Unterhaltung und Tiefgang, zwischen Komik und Tragik. Der Grund für die Morde wiegt schwer, das Motiv ist keineswegs albern. Der Autor besitzt ein Gespür für das Zwischenmenschliche und gesellschaftliche Attitüden. Er entblößt nach und nach den wahren Charakter seiner Figuren, zeigt deren Schwächen, ja mitunter deren Verlogenheit auf, prangert an und ist mit seiner Darstellung näher an der Realität, als man es sich vielleicht wünscht. Denn man kennt solche Figuren, die verletzlichen ebenso wie die unantastbaren. Gleichzeitig erweist sich Ammer auch im zweiten Band als großartiger Krimiautor, dessen Plot mit gelungenen Wendungen und einigen Überraschungen zu überzeugen weiß.

Fazit

Simon Ammer sollte jeder gelesen haben. Seine skurrilen Kriminalromane sind ebenso humorvoll wie spannend und hintersinnig. Vor allem bieten sie beste Unterhaltung und mit Benedikt Kordesch einen einzigartigen Ermittler, der lange in Erinnerung bleibt. Man kann nur hoffen, dass noch einige Fälle folgen werden. Ammer beweist, dass regionale Krimis nicht belanglos sein müssen, sondern durchaus Tiefgang besitzen können. Die perfekte Sommerlektüre.

Auf dem Gipfel ist Ruh' (Oberst Benedikt Kordesch ermittelt 2)

Simon Ammer, Droemer

Auf dem Gipfel ist Ruh' (Oberst Benedikt Kordesch ermittelt 2)

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