Verschwiegen

  • Kiepenheuer & Witsch
  • Erschienen: Februar 2023
  • 11
Verschwiegen
Verschwiegen
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Carola Krauße-Reim
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2023

Was für ein Debüt!

Bereits 2018 erschien „Marrið í stiganum“, der erste Teil der „Mörderisches Island-Serie“ im Original und wurde gleich die Nummer 1 der isländischen Bestsellerliste und außerdem mit einem renommierten isländischen Literatur-Preis gekürt. Die Erfolge folgender Teile der Serie machten deutlich – mit Eva Björg Ægisdóttir ist ein weiterer Star am isländischen Krimi-Himmel aufgegangen! In diesem Jahr erschien nun endlich das Debüt unter dem Titel „Verschwiegen“ auch auf Deutsch und eroberte auch hier gleich die Bestsellerlisten.

Elma kehrt nach Akranes zurück

Eva Björg Ægisdóttir lässt ihre Krimis in Akranes spielen, einer kleinen Stadt im Westen Islands. Sie kennt diesen Ort, denn sie ist hier geboren, wie ihre Protagonistin Elma. Diese kehrt nach der Trennung von ihrem Freund Davið hierhin zurück und muss sich sofort mit einem der wenigen Kapitalverbrechen auf Island beschäftigen. In der Nähe des Leuchtturms wird die Leiche einer Frau entdeckt, die als Kind in Akranes lebte. Bei den Ermittlungen graben sich Elma und ihre Kollegen immer tiefer in die Vergangenheit, die der Auslöser für den Mord zu sein scheint. Die Gemeinschaft in der kleinen isländischen Stadt ist durch den Mord erschüttert, hat aber auch ziemlich viel Geheimnisse, die bis jetzt gut verborgen blieben, doch nun nach und nach ans Licht kommen.

Spannend bis zur letzten Seite 

Die Autorin verzichtet auf krachende Action-Szenen oder exzessive Gewalt. Dieser ruhige Erzählstil birgt natürlich die Gefahr, langweilig und wenig spannend zu sein. Doch weit gefehlt. Ægisdóttir schafft es mit psychologischer Tiefe und einem eingänglichen Stil die Leserschaft zu fesseln. Dabei konzentriert sie sich auf die Ermittlungsarbeit der kleinen Polizeitruppe von Akranes und ergänzt diese im Hintergrund mit den persönlichen Problemen von Elma und ihren Kollegen. Dazu kommen verschiedene Zeitebene, die in den Rückblenden einen Einblick in die Kindheit von Elísabeth geben. Das und die Schilderung des gesellschaftlichen Gefüges in Akranes zeigen die Probleme, die man aus kleinen Ortschaften kennt – das Gesicht zu wahren ist oberstes Gebot, kennt doch Jeder Jeden und die Abgehängten der Gesellschaft werden sich selbst überlassen. Ægisdóttir entblättert, psychologisch raffiniert geschildert, Schicht für Schicht was damals geschah und fesselt damit von der ersten bis zur letzten Seite. Immer mehr erfährt man die Hintergründe des Geschehens, wird teilweise auf falsche Fährten gelenkt, erwartet das Unausweichliche und ist zum Schluss dennoch überrascht. Gerade das Finale hält so einige Überraschungen bereit, die zeigen, dass die Taten der Vergangenheit die Handlungen der Gegenwart bedingen.

Starke Charaktere gehen ins Rennen

Mit Elma ist der Autorin wirklich ein Glücksgriff gelungen. Nach der Trennung von ihrem Freund scheint Elma regelrecht traumatisiert zu sein. Sie lässt alles in Reykjavík zurück – Freunde, ihre Wohnung samt Möbeln und überhaupt ihr ganzes bisheriges Leben. Und dennoch lässt Ægisdóttir das alles im Geschehen nicht überhand nehmen. Im Vordergrund steht die berufliche Seite, das Private läuft im Hintergrund ab. Es zeigt aber eine sehr verletzliche Polizistin, die erst wieder den Boden unter den Füßen finden muss. Auch die anderen Figuren sind der Autorin gelungen. Alle haben die ein oder andere Macke und das ein oder andere Problem. In diesem Zusammenhang könnten die vielen isländischen Namen vielleicht gewöhnungsbedürftig sein, doch wie sollen die Menschen auf Island auch sonst heißen? Man gewöhnt sich schnell an Hörðür, Eiríkur, Magnea, Sævar und die anderen.

Island zum Jahresende

Wie man es von Nordic-Noirs kennt, ist auch hier die Grundstimmung recht düster – und das nicht nur in Bezug auf die Handlung. Ægisdóttir fängt die Atmosphäre im vorweihnachtlichen Island gekonnt ein. Die Tage sind kurz und die Dunkelheit kommt früh. Sturm und Regen fegen über das Land und dann fällt auch noch Schnee. Obwohl die isländische Natur mit ihrer Schroffheit weit weniger erwähnt wird, als in anderer isländischer Literatur, wird die Einzigartigkeit dennoch gut vermittelt. Man kann sich die Lichter von Reykjavík auf der anderen Seite der Bucht gut vorstellen oder die Häuser aus Holz, die in ihren Farben beschrieben werden. Das Kopfkino wird in „Verschwiegen“ wahrlich auf verschiedene Arten gestartet.

Fazit

Ein Highlight unter den Nordic-Noirs! Eva Björg Ægisdóttir fesselt mit psychologischer Raffinesse von der ersten bis zur letzten Seite an den ruhig erzählten Krimi, in dem ein Mord geschieht, weil die Vergangenheit die Gegenwart einholt. Ich bin schon sehr gespannt auf den zweiten Teil der „Mörderisches Island-Serie“, der unter dem Titel „Verborgen“ im Februar 2024 erscheinen soll.

Verschwiegen

Eva Björg Ægisdóttir, Kiepenheuer & Witsch

Verschwiegen

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