Gejagt im Eis

  • Benevento
  • Erschienen: Oktober 2021
  • 0

- Übersetzung: Nina Hoyer

- Originaltitel: "Storebjørn"

- Hardcover

- 344 Seiten

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Carola Krauße-Reim
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2021

Ein in zweifacher Hinsicht eiskalter Thriller

Martin Moltzau ist Tourguide auf Spitzbergen, der Insel im arktischen Ozean, kurz vor dem Nordpol. Die Mitglieder einer amerikanischen Familie sind seine letzten Gäste vor dem Saisonende. Doch sie verhalten sich merkwürdig, wollen unbedingt nach Pyramiden, der halbverlassenen russischen Minenstadt. Bald muss Martin nicht nur gegen das schlechte Wetter kämpfen, sondern gerät in einen Strudel unvorhersehbarer Ereignisse, die ihn und seine Gäste in Todesgefahr bringen. Eine mörderische Hatz über die ganze Insel beginnt, die bald erste Opfer fordert.

Thriller mit Sozialkritik

Odd Harald Hauge hat neben zahlreichen Sachbüchern auch eine Business-Thriller-Trilogie verfasst. Mit „Gejagt im Eis“, seinem ersten auf Deutsch erschienenen Buch, setzt er die Geschichte um Martin Moltzau aus „Everest-The Death Zone“ fort. Hauge ist selbst erprobter Expeditionist und leidenschaftlicher Tourguide auf Spitzbergen.

Seine Erfahrung ist in jedem Satz des Buches zu finden und seine Begeisterung für Spitzbergen auch. Doch in die Handlung des Thrillers verpackt er auch gehörig viel Kritik an der Verwaltung des Archipels. Der Sysselmann, als Vertreter der norwegischen Regierung, kommt nicht gut weg, muss er doch die immer mehr zunehmenden Gesetze und Einschränkungen durchsetzen. Die stoßen natürlich bei den Bewohnern und Geschäftsleuten Spitzbergens auf wenig Gegenliebe. Der Leser lernt so ganz nebenbei noch einiges über das Leben auf dem Archipel und auch über die außergewöhnliche politische Situation dort.

Europa, Amerika und Russland versuchen ihren Einfluss und ihre Gebiete in der entmilitarisierten Zone zu sichern, wobei sich die Frage stellt, ob nicht doch heimlich Waffen im großen Stil gebunkert werden und Russland vielleicht doch zu gerne die Inselgruppe annektieren würde.

Viele Informationen lassen Spannung erst spät aufkommen

Diese Informationen arten zu Beginn der Geschichte in einen regelrechten Infodump aus: die Historie Spitzbergens, das Zusammenstellen der Ausrüstung, die Vorbereitungen für die Scootertour, die Aufgaben eines Tourguides… all das nimmt sehr viel Platz ein. Wer auf den ersten Seiten schon Mord und Totschlag erwartet, wird hier enttäuscht.

Die Geschichte beginnt sehr langatmig, immer wieder wird die gerade produzierte Spannung durch sehr detaillierte Routen- und Ortsangaben gemindert, bevor sie dann aber doch die Überhand bekommt und es im letzten Drittel noch vollends packend wird. Der Schluss ist wahrscheinlich die realistischste Lösung für die Vorkommnisse, wäre aber vielleicht weniger plausibel und mehr fiktiv packender für den Leser gewesen.

Charaktere fallen sehr pauschal aus

Hauge strickt eine Art kalten Krieg auf Spitzbergen: Amerikaner, Russen und Norweger wollen ihre Pfründe wahren. Hier besteht die Gefahr zu sehr in die üblichen nationalen Klischees zu verfallen - und genau das ist dem Autor passiert. Die Amerikaner sind einfältig, agieren regelrecht dumm und verkörpern damit alle bekannten Vorurteile. Doch auch die Russen sind zu pauschal beschrieben: dem Alkohol nicht abgeneigt, im Verborgenen agierend, gewaltbereit und skrupellos. Das wird durch einen gesonderten Handlungsstrang auf einem Kreuzfahrtschiff noch ganz explizit hervorgehoben, der für die Handlungsverlauf eigentlich, wenn überhaupt, nur eine untergeordnete Rolle spielt. Eine differenziertere Betrachtung der Charaktere hätte der Geschichte sicherlich gutgetan und hätte die Spannung in keiner Weise geschmälert.

Der außergewöhnliche Handlungsort fesselt

Skandinavische Thriller gibt es jede Menge, doch nur wenige spielen auf Spitzbergen. Dabei hat dieser Ort so viel zu bieten: eine atemberaubende Natur mit vielen wilden Tieren, die klimatischen Verhältnisse, die außergewöhnliche Bevölkerung und natürlich die Polarnacht oder die durchgängig hellen Tage im Sommer.

Dieser einzigartige Handlungsort setzt das Kopfkino in Gang und rettet über so manche langwierige Passage hinweg. Die einsame Fahrt auf dem Scooter, über eisige Gletscher, immer in Gefahr Eisbären zu begegnen oder die Nachtwachen in vollkommener Stille alleine begeistern schon. Das verlassene Pyramiden tut dann den Rest um Bilder herauf zu beschwören, die genauso spannend sind, wie die Jagd durch das Eis selbst. Wenn dann auch noch, für Spitzbergen typische lebensbedrohliche Situationen für Martin und seine Gäste dazu kommen, ist man vollends gefesselt. Eisbären, eisige Wasserlöcher und die logistischen Herausforderungen dieser Gegend bannen genauso an die Geschichte, wie die Verfolgung durch den Feind.

Fazit

Ein packender Thriller für alle Spitzbergen-Fans und solche, die es werden wollen! Odd Harald Hauge weiß wovon er schreibt, auch wenn er das anfangs ein bisschen zu ausführlich zeigt. Die Spannung kommt erst langsam in Gang, was aber durch das einmalige Setting ausgeglichen wird. Ein politisch motivierter Thriller an einem ungewöhnlichen Handlungsort, der unbedingt empfehlenswert ist.

Das norwegische Kulturförderprogramm und der benevento Verlag haben uns zu einer Abenteuer-Pressereise mit Autor Odd Harald Hauge nach Spitzbergen eingeladen. Redakteurin Carola Krauße-Reim war für die Krimi-Couch dabei. Lest hier Ihren Reisbericht "Mit Odd Harald Hauge unterwegs auf Spitzbergen"

Gejagt im Eis

Odd Harald Hauge, Benevento

Gejagt im Eis

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