Gefürchtet

  • HarperCollins
  • Erschienen: Januar 2020
  • 0

Aus dem Englischen von Wulf Bergner

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Almut Oetjen
78°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2020

Machtgierige Aufständische mit Totalitätsanspruch

„Gefürchtet“ ist nach „Suizid“ und „Gehetzt“ der dritte Roman von Dean Koontz, in dessen Zentrum die ehemalige FBI-Agentin Jane Hawk steht. Koontz entwickelt zwei Handlungspfade, die inhaltlich zusammenhängen, aber parallel verlaufen.

Auf dem ersten Pfad jagt Hawk Booth Hendrickson, den nächsten Techno-Arkadier in der Liste derer, die sie für den Tod ihres Mannes verantwortlich macht. Hendrickson hält sich für eine Führungspersönlichkeit ganz oben in der Hierarchie der Arkadier, die mit ihren Nano-Implantaten das Gehirn eines Menschen kontrollieren können und die Herrschaft über die USA anstreben. Selbstredend wollen sie auch Janes Tod.

Carter Jergen und Radley Dubose, zwei Agents der NSA, die für die Arkadier arbeiten, haben auf dem zweiten Handlungspfad zwei Aufträge zu erledigen. Die Shukla-Zwillinge Sanjay und Tanuja, zwei Schriftsteller, sind ihr erstes Ziel, weil Tanujas kürzlich veröffentlichter Roman Alecto Rising als für die Organisation gefährlich eingestuft wird. Das zweite Ziel ist Janes Sohn Travis, den Jane bei ihren Freunden Gavin und Jessie Washington in einem sicheren Versteck wähnt. Um Jane in die Knie und zur Aufgabe zu zwingen, wollen sie Travis entführen.

Auf der Suche nach der wahren Macht hinter den Techno-Arkadiern

Da Jane keine fundierte Vorstellung von der Organisation und deren Struktur hat, arbeitet sie sich personenweise die Hierarchie hinauf. In „Gefürchtet“ ist sie der Überzeugung, Booth Hendrickson sei der Kopf hinter der Verschwörung. Da es sich um den dritten von fünf Bänden handelt, wissen wir, anders als Jane, dass er es nicht sein kann. Zwar haben wir zuvor Hendrickson schon erlebt als einen Mann, der den Gebrauch, mehr noch den Missbrauch von Macht genießt. Aber wir werden uns während der Lektüre auf eine Weise wundern, die das Wissen darum, dass er nicht der Kopf der Organisation ist, in den Hintergrund drängt.

Mehr Informationen über die Techno-Arkadier und Nano-Implantate

Aus Sicht der Arkadier besteht die Gesellschaft (der USA) aus zwei Klassen, den wirklich Mächtigen, den Übermenschen der Organisation, und der Masse der Menschen, auf die voller Verachtung herabgesehen wird. Die Übermenschen verfügen mit den Nano-Implantaten über eine Möglichkeit, andere Menschen in willenlose Maschinen mit Ich-Verlust zu transformieren.

Dean Koontz beschreibt in „Gefürchtet“ den Einsatz und die Wirkung der Nano-Implantate, die über den Blutkreislauf und die Überwindung der Blut-Hirn-Schranke den Weg zum Gehirn finden. Arkadier können ein Implantat mithilfe eines Codes (de-)aktivieren. Ist es aktiviert, erleben die Träger des Implantats die Welt als teils unwirklich. Sie weisen Symptome einer Depersonalisations-Derealisationsstörung auf.

Die Technologie wird jedoch nicht fetischisiert. In der Funktion des Fetischs finden sich in „Gefürchtet“ getunte Autos, Schusswaffen, militärische Ausrüstung und, weniger als in den Vorgängern, Bekleidung. Einem Nachtsichtgerät, das preislich oberhalb der $60.000 liegt, schenkt Koontz viel Aufmerksamkeit.

Zwei auffällige Antagonisten

Der zweite Handlungspfad, auf dem Jane Hawk nur indirekt eine Rolle spielt, besteht aus zwei hintereinander geschalteten Geschichten. Den Antagonisten Jergen und Dubose gibt Koontz auffallend viel Raum. Jergen ist Harvard-Absolvent, Dubose hat seinen Abschluss in Princeton gemacht.

Dubose ist zwar zeitweilig freundlich, aber alles andere als ein Feingeist. Jergen fragt sich angesichts seines Partners, der Freude an Mord und Vergewaltigung hat, beides in eindrücklichen Szenen beschrieben, ob man das Studium in Princeton als Vermittlung von Bildung bezeichnen kann. Der Harvard-Mann erkennt Princeton so gerade noch als Universität an. Aber die beiden Männer scheinen einander freundschaftlich verbunden. Sie erinnern an Mr. Wint und Mr. Kidd, die beiden homosexuellen Killer Blofelds aus dem Bond-Klassiker „Diamantenfieber“, die im Roman bösartig und in der Verfilmung wie Trash-Figuren inszeniert sind.

Den ersten Auftrag von Jergen und Dubose mag man als irrelevant ansehen. Aber die Geschichte von den beiden Geschwistern und dem Buch Alecto Rising zeigt unter anderem, dass es um sehr viel mehr geht als Jane Hawks Rache.

Anklänge an Horror-Klassiker

Die Handlung verweist mehrfach auf Alfred Hitchcocks „Psycho“, mit interessanten Veränderungen ausgestattet. In beiden Fällen wird eine Frau als Hauptfigur aufgebaut, um überraschend aus der Geschichte zu verschwinden. Später dann kommt, ähnlich wie in „Psycho“, Mutter ins Spiel, um eine gruselige Wendung herbeizuführen.

Hat man sich in den beiden ersten Büchern kaum Gedanken darüber gemacht, ob die Träger der Nano-Implantate durch Auffälligkeiten erkennbar sind, wird dies hier zu einem wichtigen Thema. Gleich zweimal beschreibt Koontz den Anpassungsprozess, sehr intensiv und auf verschiedene Weise.

Eine der beiden Beschreibungen des Anpassungsprozesses infolge der Injektion der Nano-Implantate erzeugt Anklänge an John W. Campbells Novelle „Das Ding aus einer anderen Welt“ („Who Goes There?“) und Filmen wie „Invasion der Körperfresser“.

Fazit:

In „Gefürchtet“ begibt sich Protagonistin Jane Hawk eine Ebene höher in ihrem Kampf gegen die Techno-Arkadier. Manches aus den beiden vorhergehenden Büchern wird wieder aufgegriffen, teils vertieft. Mit Jergen und Dubose treten zwei hervorragend geschriebene Antagonisten auf. Es gibt überraschende Todesfälle und Nebenhandlungen mit interessanten Figuren.

Das Buch endet nicht wie die beiden vorhergehenden Bände mit einer Klimax und der Bewegung auf die nächste Spielebene. Stattdessen bricht die Handlung einfach ab. Im nächsten Band dürften dann die beiden Erzählpfade zusammengeführt werden, nachdem sie in „Gefürchtet“ eine Zeit lang parallel verlaufen und sich gegen Ende aufeinander zubewegen.

Gefürchtet

Dean Koontz, HarperCollins

Gefürchtet

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