Die Toten von Inverness

  • Blanvalet
  • Erschienen: Februar 2020
  • 3

übersetzt aus dem Englischen von Bettina Spangler
Originaltitel: From the Shadows (1)

 Die Toten von Inverness
 Die Toten von Inverness
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Carola Krauße-Reim
84°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2020

Erster Fall für Monica Kennedy

In Inverness und Umgebung werden zwei Jugendliche ermordet. Beide wurden in der gleichen Stellung drapiert, haben einen schwarzen Stein in der Luftröhre und Bisswunden am Rücken. Inspector Monica Kennedy und ihr Team suchen verzweifelt nach dem Täter und werden dabei vom Sozialarbeiter Michael Bach unterstützt, der einen seiner Schützlinge vermisst.

Die Highlands geben den Ton an

Die schottischen Highlands sind eine wilde, raue und einsame Landschaft. Man merkt dem Autor die Liebe zu seiner Heimat an. Die Beschreibungen der Täler, der Lochs und der Städte und Ortschaften nehmen einen beachtlichen Teil der Geschichte ein. Das bringt viel Atmosphäre und macht die schottischen Highlands zu einem zusätzlichen territorialen Protagonisten. In diesem Zusammenhang wäre eine Landkarte durchaus von Nutzen gewesen, denn nicht jeder kennt sich im hohen Norden Schottlands so gut aus, dass ihm die Örtlichkeiten und Wegbeschreibungen sofort verständlich sind.

Die Beschaffenheit der Landschaft färbt auf ihre Bewohner ab. Sie sind rau, verschlossen und wenig zu Smalltalk aufgelegt. Inspector Monica Kennedy sollte mit ihren Mitarbeitern eigentlich ein Team bilden, aber sie ist eine Einzelkämpferin, die nur selten die Schutzschilde fallen lässt. Mit ihrer überdurchschnittlichen Körpergröße hat sie schon als Kind zu kämpfen gehabt, und ihre Minderwertigkeitskomplexe hat sie bis heute nicht ablegen können. Immer noch zwängt sie sich in zu kleine Schuhe und sieht hämische Blicke, wo vielleicht keine sind. Als alleinerziehende Mutter muss sie den täglichen Spagat zwischen Kind und Arbeit schaffen, was ihr psychisch schwer zu schaffen macht.

Auch Sozialarbeiter Michael Bach ist kein Teamplayer. Nach dem Tod seines Vaters bewegt er sich am Rande eines seelischen Zusammenbruchs. Er sucht die Einsamkeit, trinkt zu viel, raucht viel zu viel - und vernachlässigt seinen Job. Monica und Michael sind beide in ihren Persönlichkeiten anschaulich beschrieben und ihre individuelle Situation ist gut nachvollziehbar. Lediglich ihre physischen Fähigkeiten sind etwas zu euphorisch geraten. Sie können ohne Schlaf über Tage hinweg konzentriert arbeiten, sind trotz schwerster Verletzungen einsatzbereit und scheinen auch ansonsten unkaputtbar.

Das Durchhaltevermögen des Lesers ist gefragt

Es ist nicht unbedingt nachvollziehbar, warum die ansonsten sehr korrekte Monica Kennedy ausgerechnet den Sozialarbeiter Michael Bach in ihr Vertrauen zieht, ihm wichtige Beweismittel anvertraut und ihn an den Ermittlungen beteiligt. Aber dadurch hat Halliday ein ungewöhnliches Ermittlerpaar geschaffen, dass unabhängig voneinander und trotzdem gemeinsam an einem Fall arbeitet.

Während ihrer Suche nach dem Täter lernt der Leser auch die weniger pittoresken Seiten der Highlands kennen. Selbst Inverness hat soziale Brennpunkte, in denen man mit Kriminalität, Drogenkonsum und Arbeitslosigkeit zu kämpfen hat. Dass Kennedy aus einem dieser Problembezirke kommt und immer wieder Anspielungen auf ihre Jugendzeit dort gemacht werden, gibt der Handlung zusätzliche Würze und eröffnet noch nicht verwertetes Potential. Spannung generiert der Autor aus dem ständigen Wechsel der Perspektive. Meist unabhängig voneinander nähern sich Kennedy und Bach dem Täter, der scheinbar schon viel länger sein Unwesen treibt, als angenommen.

Immer mehr tut sich das volle Ausmaß seines Tuns auf, immer mehr verdächtige Todesfälle kommen hinzu. Dass dann auch noch kurze Kapitel aus der Sicht des Täters geschrieben sind, erhöht die Spannung deutlich. Er berichtet von Geschehnissen aus seiner Kindheit, seiner Affinität zum Mystischen, und gibt damit Einblick in eine Person, die erschreckend wenig Empathie für seine Mitmenschen entwickeln kann. All das sind Zutaten für einen durchgängig fesselnden Thriller.

Aber leider ist das hier nicht der Fall. Der Beginn ist durchaus fesselnd und vielversprechend, doch der Mittelteil des Thrillers schwächelt. Immer wieder werden Probleme wiederholt. Kennedy und Bach drehen sich wie Kreisel stets um die eigene Person. Man weiß doch, dass zu enge Schuhe weh tun, dass Alleinerziehende oft das Gefühl der Vernachlässigung ihrer Kinder haben, und dass soziale Isolation nur den Wenigsten gut tut. Auch die ständigen Suche nach der nächsten Zigarette und dem nächsten Pott Kaffee wird nervig.

Damit nimmt Halliday viel Schwung aus der Geschichte und verlangt dem Leser einiges an Stehvermögen ab. Hier wäre eine straffere Schilderung der Geschehnisse nur von Vorteil gewesen. Hat man aber diesen langatmigen Teil überstanden, wird man mit einem Ende belohnt, das dramatisch, überraschend und packend ist. Durch zahlreiche falsche Fährten und Wendungen, die den Leser ganz gewaltig auf das berühmte Glatteis führen, ist es so nicht vorhersehbar und setzt einen krachenden Schlusspunkt hinter eine nicht durchgängig erstklassige Geschichte.

Fazit:

Wenn man von einigen Anfängerfehlern absieht, ist „Die Tote von Inverness“ ein durchaus gelungenes Debüt. Das ungewöhnliche Duo von Polizistin und Sozialarbeiter funktioniert, und man kann schon gespannt sein, welchen nächsten Fall Halliday für sie gestrickt hat. Da der Autor „ungeklärte Geheimnisse“ als „Inspirationsquelle“ angibt, wird es bestimmt wieder mystisch-angehaucht-spannend.

 Die Toten von Inverness

G.R. Halliday, Blanvalet

Die Toten von Inverness

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