Die Ratten von Perth

  • Suhrkamp
  • Erschienen: Januar 2017
  • 2
  • Camberwell: Viking, 2010, Titel: 'Line of sight', Seiten: 272, Originalsprache
  • Berlin: Suhrkamp, 2017, Seiten: 297, Übersetzt: Sven Koch
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Jörg Kijanski
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2018

Furioser hardboiled Krimi aus der einsamsten Großstadt der Welt

November 1975, Perth, West-Australien. Sechs Monate ist es her, dass die Bordellchefin Ruby Devine mit vier Kopfschüssen getötet wurde. Es gibt keinen Zweifel, wer dahinter steckt: die Polizei.

"Den Täter kriegen die nie. Diese Schweine wissen doch genau, wie's geht. Zuschlagen, ohne das hinterher was zu sehen ist."
"Irgendwen kassieren sie schon. Drauf kannst du einen lassen. Ist halt nur nicht der, der's war."

So beginnt der fulminante Auftakt der Swann-Trilogie, in dessen Mittelpunkt der inzwischen beurlaubte Superintendent Frank Swann. Dieser steht vor einer Royal Commission, die die Rolle der Polizei zur Durchsetzung des "Gesetzes zur Regelung der Prostitution" beleuchten soll.

Swann selber hatte den Fall ins Rollen gebracht, indem er sich gegen seine Kollegen stellte und diesen Korruption vorwarf. Seit langer Zeit ist gewiss, dass die Polizisten einen Purple Circle betreiben, dessen Aufgabe darin besteht, die Bosse des organisierten Verbrechens zu schützen; selbstredend gegen eine ansprechende Vergütung.

"Warum ist das, was wir gesehen haben, denn so wichtig?"
"Weil die anderen Zeugen alle ihre Meinung geändert haben, nachdem die Polizei mit ihnen gesprochen hat."

Doch die Probleme von Swann sind viel größer, denn seit Monaten ist seine Tochter Louise verschwunden. Zudem belasten eine Affäre mit einer Ex-Kollegin und zahlreiche Gerüchte über seine Labilität und Unzuverlässigkeit den Prozess. Ausgerechnet sein ehemaliger Partner Detective Inspector Donald Casey ist sein größter Gegenspieler, dessen Skrupellosigkeit und Habgier keine Grenzen kennen.

Richter Harold Partridge, der die Royal Commission leitet, ist eigentlich schon im Ruhestand. Er stammt nicht aus West-Australien, sondern - zum Glück für Swann - aus Melbourne und gerät in ein grandioses Wespennest. Sehr schnell signalisiert ihm - allen voran - der Premierminister wie das Ergebnis seiner Untersuchung auszusehen hat. Derweil ist ein Auftragskiller unterwegs, dessen Job es ist, einen Polizisten auszuschalten...

Den Namen Whish-Wilson sollte man sich merken

Perth ist weit weg von der nächsten großen Stadt; rund 3000 Kilometer. Somit steht einer eigenen Gesetzgebung nichts im Wege. Die Stadt boomt und alle wollen daran verdienen; jedenfalls die Einflussreichen und Mächtigen, so dass es kaum verwundert, dass die Korruption bis in die höchsten Ämter führt. Fünfstellige Beträge müssen schon gezahlt werden, damit der Polizeiminister einer neuen Unternehmungsgründung nicht im Weg steht.

Da hält auch gerne die Polizei die Hand auf, zumal es eine neue Einnahmequelle gibt. Heroin aus Kuala Lumpur wird in Perth zum Vielfachen des Einkaufspreises verkauft, die gefährlichen Kurierdienste übernehmen nicht selten junge Prostituierte, deren mögliches Ableben niemand interessiert.

"Anders als unsere Politiker sind Huren wenigstens keine Heuchler."
"Hab dich noch nie mit einem Moralischen erlebt."
"Hast mich heute an einem schlechten Tag erwischt."

David Whish-Wilson zeichnet in diesem Noir der Extraklasse ein sehr detailliertes Bild von Perth, Mitte der 1970er Jahre. Die musikalischen Stars sind neben anderen Queen und AC/DC, eine Prostituierte schwärmt leidenschaftlich von Bon Scott. Die Polizei nimmt derweil das Gesetz selbst in die Hand. Wer nicht spurt, also zahlt, hat Probleme, oftmals tödliche.

So geht selbst der Protagonist davon aus, dass er nach Ende der Royal Commission ermordet wird, doch zuvor gilt es noch den Fall Ruby Devine, dem übrigens ein wahrer (ungelöster) Fall als Grundlage dient, aufzuklären; ebenso wie den Verbleib von Louise.

Swann und Partridge werden ausführlich dargestellt. Mit beiden Figuren fiebert man mit, wobei es bis zum - vielleicht überraschenden - Finale zu mehreren Todesfällen und weiteren gewalttätigen Auseinandersetzungen kommt. Nein, in dieser Stadt möchte man (1975) nicht leben, aber dennoch - oder gerade deswegen - die Fortsetzung der Trilogie ("Die Gruben von Perth") auf keinen Fall verpassen.

Der in diesem Jahr verstorbene Peter Temple und der großartige Gary Disher galten bislang als die führenden Krimistars Australiens. Mit Autorinnen wie Candice Fox (Crimson-Lake-Reihe) und Jane Harper (Aaron-Falk-Reihe) sowie deren Kollegen Alan Carter (Philip-"Cato"-Kwong-Reihe) oder eben auch David Whish-Wilson gibt es nun ordentlich Konkurrenz. Von wegen "down under".

Die Ratten von Perth

David Whish-Wilson, Suhrkamp

Die Ratten von Perth

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