Der Todesmeister

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2017
  • 3
  • München: Blanvalet, 2017, Seiten: 512, Originalsprache
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Nicole Goersch
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2017

Snuff-Videos werden in kleinem Theater zur grausamen Realität

Blitzlichtartig werden die Szenen im Prolog beleuchtet. Man fühlt sich als Leser selbst mit der Hilflosigkeit und der Verwirrtheit konfrontiert, als würde man immer nur kurz in der Realität auftauchen, bis langsam die Erkenntnis durchsickert, dass die vermeintliche Sicherheit nicht vorhanden ist.

Der Täter begrüßt sein Opfer mit dem Satz "Willkommen im Grand Guignol - dem Kabarett des Schreckens". Das Grand Guignol war ein kleines Theater in Paris, in dem gruselige Horrorstücke gezeigt wurden. Gegründet Endes des 19. Jahrhunderts, zeigte es bis in die 1960er Jahre hinein rabiate Aufführungen, in denen vergewaltigt und gemordet wurde, was allerdings mit Hilfe von Tricks und Schauspiel dargestellt wurde. Ganz im Gegensatz zu dem heutigen Grand Guignol, in dem in Snuff-Videos grausame Realität gezeigt wird.

Die Sprache bedient sich großzügig derber Schimpfwörter und ungehobelter Flüche. Das mag zwar die heutige Sprechweise widerspiegeln, wirkt aber mitunter aufgesetzt und provozierend gewollt.

Extravagante und überspitzte Figuren tummeln sich

Die Charaktere sind sehr individuell und wirken wie ein wildes Sammelsurium der Kuriositäten. Zuweilen erscheint das überzeichnet und mitunter überkarikiert, so etwa bei der Rechtsmedizinerin Stella.

Der Leser wird direkt mit vielen Eindrücken konfrontiert, die explizit und breitfächrig die Figuren charakterisieren. Diese haben ihre Marotten und Fehler, wodurch man sie unmittelbar kennenlernt. Dabei gibt es auch bizarre Situationen, in denen die Reaktionen nur schwer in den logischen Ablauf der Handlung passen, etwa wenn Ken Tokugawa offenherzig von seinem Vorgesetzten erzählt, der ihn mal vor einer Dienstaufsichtsbeschwerde gerettet hat, oder wenn Stella bei ihrem ersten Date Kens Vergangenheit ausbreitet.

Hier wurde ein Tummelplatz absonderlicher Gestalten geschaffen, an dem es eins nicht gibt: Eintönigkeit. Dadurch bekommt die Geschichte eine Dynamik, die sich schwungvoll steigert wie bei einem Musikstück, das lauter werdend auf seinen Höhepunkt zusteuert. Langweilig wird es nie, auch wenn sich der Autor zu Beginn durchaus Zeit lässt.

Viele Zufälle führen die Ermittler in die richtige Richtung

Zum Ende hin spielt der Zufall ab und an eine entscheidende Rolle, um die Ermittler in die richtige Richtung zu schubsen. Auch bleibt der eine oder andere Erzählstrang offen, was irritierend ist. Wer überrascht Viktor im Haus seines Großvaters? Wer war der Chef, dem sein Mitarbeiter das iPad mit dem Snuff-Video entwendet hat?

Der Autor hält sich nicht mit ausführlichen Folterbeschreibungen auf, aber die Andeutungen reichen schon aus, um es einem eiskalt den Rücken runterlaufen zu lassen. Das Thema ist erschreckend aktuell und in seiner Dimension kaum zu begreifen.

Thomas Elbel, bisher eher im fantastischen Bereich zu Hause, hat mit "Der Todesmeister" seinen ersten Kriminalroman geschrieben, der zudem der Auftakt einer Serie um Viktor von Puppe und sein Team ist, deren nächster Band dank des geschickten Cliffhangers wieder Spannung und Abwechslung verspricht.

Der Todesmeister

Thomas Elbel, Blanvalet

Der Todesmeister

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