Gefährliche Saat

  • Knaur
  • Erschienen: Januar 2017
  • 1
  • München: Knaur, 2017, Seiten: 384, Originalsprache
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Annette Wolter
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2016

Wer Hass sät, wird Terror ernten

Für seine Familie und Freunde ist er ein privilegierter Sohn aus gutem Hause, mit deutschem Pass und irakischen Wurzeln. Für Fremde ist er ein Ausländer aus dem Nahen Osten. Für die Behörden ist er ein Terrorist, der den Tod nach Deutschland bringt. Wer ist Djamal Khadim wirklich?

Eine Prügelei mit schlimmen Folgen

Ein schwerer Anschlag auf die Zentrale eines Energie-Versorgungsunternehmens in Frankreich, bei dem mehrere Menschen sterben, erschüttert Europa. Die Angst vor Terroranschlägen und weiteren Attentaten ist groß, als sich herausstellt, dass es für die Tat einen islamistischen Hintergrund gibt.

In Berlin verfolgt der 22-jährige Djamal mit wachsender Spannung die Geschehnisse rund um das Attentat, Diskussionen um Anti-Terroreinsätze, den IS, Salafisten und Flüchtlinge.

Djamal ist Sohn irakischer Einwanderer in der dritten Generation und studiert Maschinenbau. In Deutschland geboren und aufgewachsen, besitzt er die deutsche Staatsangehörigkeit und fühlt sich auch als Bürger dieses Staates, doch im Alltag erfährt er - ebenso wie seine Familienangehörigen - seit dem vermehrten Zustrom von Flüchtlingen nach Deutschland immer häufiger Diskriminierung und Ausgrenzung. Als seine Mutter auf der Straße in seinem Beisein von deutschen Jugendlichen angerempelt wird, verliert er die Kontrolle. Er verprügelt einen der Jugendlichen und wird daraufhin von der Polizei abgeführt.

Djamal erhält eine Jugendstrafe auf Bewährung wegen Körperverletzung. Die Diskriminierung und das provokative Verhalten der Jugendlichen spielt hingegen vor Gericht keine Rolle.

Deutsche Freundin spürt die inneren Veränderungen

Seiner Familie entgeht seine Veränderung anfangs. Nicht jedoch seiner deutschen Freundin, der Abiturientin Nina Mainhardt. Nina spürt, wie Djamal sich innerlich von ihr entfernt und sich immer öfter mit streng gläubigen jungen Männern trifft. Als sie ihrer Mutter ihre Befürchtungen beichtet, setzt die Anwältin alle Hebel in Bewegung und lässt ihre Beziehungen in Berlin spielen und wendet sich schließlich an BND-Abteilungsleiter Marc Bauer. Doch möglicherweise ist es bereits zu spät: Die Zelle plant einen Terroranschlag, bei dem Djamal eine Schlüsselrolle zukommt...

Jens Kubo war als Luftwaffenpilot im Einsatz für die NATO, für die er nach seiner fliegerischen Karriere Sicherheitskonzepte von militärischen Einrichtungen prüfte und überarbeitete. Heute ist er ziviler Berater im In- und Ausland und schreibt unter Pseudonym brisante politische Romane. Der Autor ist mit einer Journalistin verheiratet und lebt in Berlin.

Hier und da spielt der Zufall eine etwas zu große Rolle

All diese Zusammenhänge sind stimmig erklärt, aber gleichzeitig gibt es für viele Vorkommnisse etwas zu viele Zufälle. Dhamal hinterfragt plötzlich sein gesamtes Leben, auch die Liebe zu Nina. Er beginnt zu zweifeln, blickt vermehrt in sein Innerstes und seine Gedanken gleichen einem Karussell, das sich mit schwindelnder Geschwindigkeit dreht. Langsam entfernt er sich von seiner Freundin Nina, von seiner Familie und seinem Umfeld.

Und doch ist es nicht so, als würde er sich bewusst abwenden. Viele Dinge spielen eine Rolle. Kleinigkeiten, Zufälle und die schicksalsträchtige Begegnung mit dem dominanten Manipulationskünstler Yusuf, der Djamal letztendlich in höchste Lebensgefahr bringt. An dieser Stelle hätte ich mir mehr Einblick in die Gespräche zwischen Djamal und Yusuf gewünscht, die verdeutlichen, in wie es klappt, dass Yusuf Djamal so dermaßen manipuliert und führt.

All das zusammen macht die Geschichte konstruiert und etwas unglaubwürdig. Ein weiterer Fokus richtet sich auf die Behörden und die Politik. Wie sie zusammenarbeiten, wie sie abwägen, wie sie Entscheidungen treffen und wie sie dabei einzelne Menschenleben bewusst zerstören.

Jens Kubo schreibt angenehm flüssig und fokussiert. Der Einstieg in die Geschichte gelingt mühelos. Der Wechsel der Perspektiven ist gut pointiert und damit abwechslungsreich. Die authentischen Charakterzeichnungen der Figuren sind intensiv und ausführlich und ohne jede Aufdringlichkeit. Vor allem gewährt Jens Kubo dem Leser den Blick in die Gedankenwelten der Figuren und man empfindet sie, wie Menschen von nebenan.

Hier kann man nicht zu viel diskutieren, ohne zu spoilern. Es gibt einen Punkt an dem es nur noch in eine Richtung gehen kann, und den setzt Kubo erschreckend gut um. Auch das Klima in Deutschland wird stimmig beschrieben. Die Menschen in der Öffentlichkeit. Kaum setzt sich ein Mensch aus dem arabischen Raum oder Afrika im Bus neben eine Person, wird diese sogleich unsicher und nervös.

Dieser zunehmende Rassismus in Deutschland wird sehr gut beobachtet.

Fazit: Ein Politthriller in Zeiten von IS und Terror, der unter die Haut geht

Dieses Buch hat alles, was ein spannender Thriller braucht: Brisanz, Aktualität und eine flüssige Handlung. Ein wenig unglaubwürdig ist es, wie schnell der Junge die Denke der Salafisten aufnimmt.

Nach der Rauferei fühlt er sich ungerecht behandelt. Danach hinterfragt er gleich sein gesamtes Leben und freundet sich mit den falschen Leuten an.

Sehr gut beschrieben hat Kubo, wie ein sogenanntes Missverständnis, eine ganzes Leben verändern und die Umwelt verändern kann.

Das Buch erinnert mich ein wenig an die triviale Version von Kafkas "Prozess".

Das ist allerdings auch gleichzeitig seine Schwäche. Es ist so einfach und alle Erklärungen sind wie aus einer Schublade gezogen. Ein Beispiel: Zufällig ist Ninas Mutter auch Anwältin, die gleichzeitig eine dunkle Vergangenheit hat und nicht nur den Ermittler, sondern auch noch den amerikanischen "Folter-Experten" kennt. Trotzdem: Ein sehr spannender Thriller, der den Leser mitfiebern lässt.

Gefährliche Saat

Alex Berg, Knaur

Gefährliche Saat

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