Fallwind

  • Rowohlt Polaris
  • Erschienen: Januar 2016
  • 3
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt Polaris, 2016, Seiten: 480, Originalsprache
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2016

Treue und Verrat zwischen Windmühlen und Salzteig

Kommissar Adam Danowski ist für die Abteilung Operative Fallanalyse (OFA) des Landeskriminalamtes Hamburg in ganz Deutschland unterwegs. Als er an die Nordseeküste - zwischen Jadebusen und Wesermündung - gerufen wird, ahnt er nicht, was für einen komplexen und gefährlichen Fall er vor sich hat.

Eine junge Frau, vergewaltigt und erwürgt, wurde tot am Fuße eines außer Betrieb stehenden Leuchtturms gefunden.

Der Profiler aus Hamburg wird auch von seinen Polizisten-Kollegen in der Wesermarsch misstrauisch beäugt, und die Empfehlung eines Massen-Gentests kommt bei den Bürgern eher weniger gut an. Erst als Donowski persönlich eine zweite Frau tot auffindet, glauben auch die einheimischen Ermittler an einen Mörder aus den eigenen Reihen. Der Fall wird für Danowski zum gefährlichen Abenteuer, als er selbst entführt wird - wie bereits im Prolog geschildert.

Für Leser aus ganz Deutschland bedient Raether harmlose Klischees

Till Raether lässt seinen Protagonisten Adam Danowski in Fallwind bereits seinen dritten Fall durchleben. Ungewöhnlich ist dabei für mich die große zeitliche Lücke, denn der neue Roman setzt mit seiner Handlung zwei Jahre nach den Ereignissen in Blutapfel ein. Der Autor hat Adam Danowski in dieser Zeit aufgrund seiner psychischen Probleme eine interessante Entwicklung nehmen lassen. Nach einer entsprechenden Ausbildung arbeitet Danowski neuerdings in der Abteilung Operative Fallanalyse des LKA Hamburg. In dieser Eigenschaft wird er im ganzen Bundesgebiet eingesetzt und zur Unterstützung der örtlichen Polizei angefordert.

Und so berät er nun in Friederikenburg eine Sonderkommission, die den Mord an einer jungen Frau aufklären soll. Selbst ohne die Erklärung von Till Raether am Endes des Buchs erkennt der norddeutsche Leser recht schnell, dass Friederikenburg in der Deichmarsch nichts anderes als Nordenham in der Wesermarsch ist. Der Autor hält sich mit der Schilderung von Land und Leuten wohltuend zurück, für Leser aus ganz Deutschland bedient er einige harmlose Klischees, das ist in meinen Augen alles in Ordnung und nicht übertrieben.

Krimis sind nicht besser, nur weil sie in der weiten Welt spielen

Das Mordopfer hat - passend für die Nordsee-Küste - bei einem Unternehmen gearbeitet, das Windenergie-Anlagen herstellt und auch die Parks dafür im Wattenmeer erschließt und bebaut. Es bietet sich also gleich ein ganzer Strauß an möglichen Mord-Motiven an, aber bei den zwei Toten werden auch Vergewaltigungsspuren gefunden. Die ermordeten Frauen waren Mitte 30, und in ihrer Jugend die letzten so genannten Leuchtturm-Kinder. Sie lebten mit Freundinnen von ihrer Insel bei Gasteltern auf dem Festland, um die Sekundarschule in Friederikenburg besuchen zu können. Eine hochinteressante Konstellation.

Nun werden etliche Puristen wieder die Nase rümpfen, "Regionalkrimi" murmeln, und das Buch nicht mal mit der Kneifzange anfassen. Ich habe es schon oft geschrieben, und wiederhole mich gerne: Wer so denkt, verpasst etliche gute Kriminalromane. Es gibt spannende und interessant zu lesende deutsche Krimis, und nur weil ein Roman in Skandinavien, New York oder London spielt, ist er nicht besser als ein in der deutschen Provinz angesiedeltes Buch.

Spezialist aus der Großstadt wird in der Provinz misstrauisch beäugt

Der Prolog ist von Till Raether geschickt angelegt. Der Leser wartet schon darauf, wann Adam Danowski in diese missliche Situation gerät - und wie er daraus wieder befreit wird. Seine Interaktionen mit der aus örtlichen Polizisten bestehenden Soko dürften ziemlich nahe an der Realität sein, Spezialisten aus der Großstadt werden in der Provinz stets misstrauisch beäugt. Und auch ihre Befangenheit angesichts eines für sie völlig undenkbaren Gewaltverbrechens in der engeren Heimat ist authentisch geschildert.

Danowski ist ein interessanter Protagonist, seine psychischen Probleme sind ziemlich speziell. Aber er bleibt eng an dem Fall dran und arbeitet lösungsorientiert, das hat mir gut gefallen. Raether fügt immer wieder Kapitel ein, die das Privatleben und die Familie des Ermittlers beleuchten, ohne dass es zu sehr von der eigentlichen Handlung ablenkt. Der Plot ist in meinen Augen insgesamt gut gelungen.

Autor hat ein interessantes Personal-Tableau aufgeboten

Mit der Soko-Leiterin, ihren Kollegen, den Opfern und den anderen Nebenfiguren hat der Autor ein interessantes Personal-Tableau aufgeboten. Gut lesbar erzählt Till Raether unterhaltsame Geschichten, auch über das Leben in dieser Region - ohne allzu sehr in Plauderton zu verfallen. Die Ermittlungen hätte er gerne etwas straffen dürfen, aber der Spannungsbogen bleibt stets erhalten. Adam Danowski schafft es aber mit seiner unnachgiebigen Art, seine Kollegen zur Lösung des Falles zu führen. Schauplatz, Rahmen und Protagonisten machen das Buch zu einer spannenden Unterhaltung.

Fallwind

Till Raether, Rowohlt Polaris

Fallwind

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