Kaninchenherz

  • Hörbuch Hamburg
  • Erschienen: Januar 2015
  • 6
  • Hamburg: Hörbuch Hamburg, 2015, Seiten: 2, Übersetzt: Sandra Schwittau, Bemerkung: ungekürzte Lesung
Wertung wird geladen
Andreas Kurth
60°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2015

Wenn die Friedhofsgärtnerin den Mörder jagt

Die frühere Kriminalkommissarin Gesine Cordes lebt in einem Wohnwagen am Rande eines Bauerhofes, und ist als Friedhofsgärtnerin tätig. Den Kontakt zu Familie und Freunden hat sie vor zehn Jahren abgebrochen, als ihr kleiner Sohn bei einem Unglücksfall ums Leben kam. Er hat eine Giftpflanze in ihrem Garten gegessen, Gesines Schwester hat nicht aufgepasst. Jetzt muss die Friedhofsgärtnerin mal wieder eine Beerdigung betreuen – und erlebt einen fürchterlichen Schock.

Während sie die Kränze in die Friedhofskapelle räumt, wird ihr an den Aufschriften deutlich, dass ihre Schwester Mareike zu Grabe getragen wird. Zwangsläufig begegnet sie Familienmitgliedern – und früheren Kollegen. Es stellt sich heraus, dass der Tod von Mareike einige Fragen aufwirft. Es sieht wie Selbstmord aus, könnte aber auch Mord gewesen sein. Und so gerät Gesine auch selbst in das Visier der Ermittler, denn die Ereignisse von vor zehn Jahren kommen auch wieder zur Sprache.

Autorin schweift immer wieder vom roten Faden ab

Annette Wieners erzählt ihre Geschichte überwiegend aus der Sicht ihrer Protagonistin Gesine Cordes. Der Einstieg mit der Verwirrung bei der Beerdigung ihrer Schwester Mareike ist ziemlich stark, doch dann geht es in Rückblenden zunächst um die Vergangenheit. Den Hintergrund aktueller Ereignisse Stück für Stück zu enthüllen ist eigentlich eine gute Erzählweise, aber bei Annette Wieners wirkt das eher wie zufällig zusammengeschrieben.

Die Autorin baut zwar Spannung auf, aber sie schweift immer wieder vom roten Faden ab – der ohnehin eher schwer zu erkennen ist. Immerhin gibt es so einige Überraschungen, die mögliche neue Tatverdächtige ins Licht der Aufmerksamkeit rücken. Aber der durchaus vorhandene Spannungsbogen wirkt auf mich am Ende nicht wirklich überzeugend.

Protagonistin ist schnippisch, trotzig und höchst eigenwillig

Gesines psychische Verfassung wird immer wieder eingehend geschildert. Hilflosigkeit und Angst werden mit zuweilen kindlich wirkendem Trotz und Stolz gepaart. Ausgiebig wird beschrieben, wie gut sie in ihrem neuen Beruf als Friedhofsgärtnerin zufrieden leben kann. Als sympathisch vermag ich Gesine Cordes allerdings nicht einzustufen.

Zu schnippisch reagiert sie auf die Nachfragen ihrer ehemaligen Polizei-Kollegen. Zu wenig souverän, stur, mehr als eigenwillig. Im Umgang mit ihrem Schwager und ihren Nichten ist sie mehr als unsicher, gegenüber ihren Eltern fährt sie konsequent die Stacheln aus. Insgesamt also eine eher zwiespältige Protagonistin, die sich vielleicht in den weiteren Folgen dieser neuen Reihe noch entwickeln wird.

Als kleine Einschübe fügt Annette Wieners einige Beschreibungen von Giftpflanzen ein, die Gesine Cordes offenbar in einem Notizbuch sammelt. Was ich von diesen Zwischentönen halten soll, kann ich ehrlich gesagt nicht beschreiben. Originell? Überflüssig? Schwer zu sagen. So richtig zu begeistern vermag mich das auf jeden Fall nicht.

Die weiteren Figuren spielen wirklich nur Nebenrollen

Annette Wieners setzt sehr stark auf die Rolle ihrer Protagonistin, die anderen Figuren spielen da wirklich nur Nebenrollen. Das wird durch die Rückblenden auf die Ereignisse vor zehn Jahren nicht abgemildert, sondern eher verstärkt. Man ist als Leser natürlich geneigt, sich zunächst gedanklich auf die Seite der Protagonistin zu schlagen. Allerdings wird es einem in diesem Buch nicht wirklich leicht gemacht.

Die ehemalige Kommissarin hat nicht nur einen schwierigen Charakter, das könnte man ja noch interessant finden. Sie spielt auch aus unverständlichen Gründen nicht mit offenen Karten, und den Grund dafür versteht man als Leser nicht – das wird auch am Ende der Geschichte nicht wirklich deutlich gemacht. Vielleicht ist diese Ambivalenz der Hauptperson von der Autorin durchaus gewollt – aber dann kann man das besser erzählen.

Wenn Drehbuchautoren einen Kriminalroman schreiben, ist das Ergebnis in aller Regel ein gutes Buch. Kaninchenherz ist durchaus lesenswert, aber sowohl bei der Protagonistin als auch beim Plot sehe ich da noch einiges Potenzial nach oben. Immerhin punktet das Buch mit dem mehr als überraschenden Ende dann doch noch kräftig. Damit zeigt Annette Wieners, dass sie es eigentlich besser kann. Und deshalb sollte man Gesine Cordes und ihrem nächsten Fall durchaus eine Chance geben.

Kaninchenherz

Annette Wieners, Hörbuch Hamburg

Kaninchenherz

Deine Meinung zu »Kaninchenherz«

Wir freuen uns auf Deine Meinungen. Ein fairer und respektvoller Umgang sollte selbstverständlich sein. Bitte Spoiler zum Inhalt vermeiden oder zumindest als solche deutlich in Deinem Kommentar kennzeichnen. Vielen Dank!

Letzte Kommentare:
Loading
Loading
Letzte Kommentare:
Loading
Loading

Dr. Drewnioks
mörderische Schattenseiten

Krimi-Couch Redakteur Dr. Michael Drewniok öffnet sein privates Bücherarchiv, das mittlerweile 11.000 Bände umfasst. Kommen Sie mit auf eine spannende und amüsante kleine Zeitreise, die mit viel nostalgischem Charme, skurrilen und amüsanten Anekdoten aufwartet. Willkommen bei „Dr. Drewnioks mörderische Schattenseiten“.

mehr erfahren