Die guten Frauen von Christianssund

  • Atrium
  • Erschienen: Januar 2013
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  • Kopenhagen: Politikens Forlag, 2008, Titel: 'Dybt at falde', Originalsprache
  • Zürich: Atrium, 2013, Seiten: 426, Übersetzt: Ulrich Sonnenberg
  • Berlin: Berlin Verlag, 2015, Seiten: 416, Bemerkung: Ulrich Sonnenberg
Die guten Frauen von Christianssund
Die guten Frauen von Christianssund
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Andreas Kurth
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2014

Unsichtbare Frauen und brave Bürgerinnen

In einer Werbeagentur im beschaulichen Christianssund wird eine Reinigungskraft tot aufgefunden. Auch mit der Hilfe seines Freundes Dan Sommerdahl, der dort immerhin arbeitet, kann Kommissar Flemming zunächst nur den Vornamen der Frau feststellen. Bei der Firma, die mit der Reinigung der Räume beauftragt ist, kennt man die Tote angeblich gar nicht. Zunächst widerwillig lässt der Ermittler seinen Freund , der noch immer ein Burnout-Syndrom auskuriert, bei den Nachforschungen mitwirken. Sommerdahl hat Flemming vor Jahren die Freundin ausgespannt und geheiratet – aber jetzt wird er mit seinen unkonventionellen Ermittlungsmethoden zum wichtigen Helfer für den Kommissar. Es stellt sich heraus, dass die Tote illegal nach Dänemark eingewandert war, und als auch noch ihre ebenfalls illegal hier lebende Freundin tot am Strand aufgefunden wird, ist den Ermittlern klar, dass es sich um einen schwierigen Fall handelt. Sie entflechten in mühevoller Kleinarbeit ein Netzwerk von Beziehungen und Personen, die den Frauen offenbar geholfen haben, sich aus der Zwangsprostitution zu befreien. Auf dem Weg zur Lösung des Falles erleben die Leser mit Flemming und Sommerdahl so manche Überraschung.

Eine von Beginn an fesselnde Geschichte

Anna Grue hat in ihrem ersten Roman um den eigenwilligen Werbeexperten Dan Sommerdahl eine spannende und lesenswerte Geschichte erzählt. Mit dem beschaulichen Christianssund hat sie dafür eine Kulisse gewählt, die für derartige Verbrechen nicht gerade prädestiniert ist. Aber die kleine Stadt am Fjord dürfte stellvertretend für viele Orte in der dänischen Provinz stehen. Der Roman ist in meinen Augen allerdings kein typisch skandinavisches Buch. Zwar muss Sommerdahl gegen sein Burnout ankämpfen, was bei vielen Skandinaviern überaus beliebt ist, aber ansonsten erzählt die Autorin hier eher mit leichter Hand eine Geschichte, die mit ihren Personen und Verwicklungen den Leser von Beginn an fesselt und dabei gesellschaftliche Missstände thematisiert. Besondere Momente schaffen vor allem die kleinen Zwistigkeiten zwischen Flemming und Sommerdahl, die aber nur in Nuancen der früheren Rivalität um eine Frau geschuldet sind. Wortwitz und pfiffige Dialoge sorgen neben den nachdenklich machenden Aspekten der Geschichte vielmehr für große Ausgewogenheit.

Protagonist wird vom Jagdfieber gepackt

Dan Sommerdahl ist ein ziemlich "bunter" Protagonist. Im Grunde überhaupt kein Ermittler, aber er tastet sich langsam in den Fall hinein. Seine Neugier wird von persönlicher Betroffenheit geschürt, und irgendwann ist er auch vom Jagdfieber gepackt und will die Zusammenhänge aufklären und den Mörder finden. Neben pfiffigen Dialogen überzeugt auch der Plot, der eher von wenigen Zufällen lebt, vielmehr etliche folgerichtige Aktionen und Schlussfolgerungen der Ermittler zu bieten hat. Dennoch gibt es auch einige Überraschungen für Sommerdahl und den Leser, die Anna Grue hier perfekt eingebaut hat. Das Oberthema Frauenhandel und Schwarzarbeit wird hervorragend aufgearbeitet, vor allem die Denkweise der braven Bürgerinnen und Bürger von Christianssund wird offen gelegt. Insofern passt der Titel des Buches richtig gut zum Inhalt – und das ist ja leider nicht wirklich selbstverständlich.

Ein außerordentliches Lesevergnügen

Dan Sommerdahl hat als Protagonist noch reichlich Potenzial, denn er steht – wenn es denn eine Serie von Anna Grue werden soll – noch am Anfang seiner "Karriere" als Ermittler. Die Beschreibung der einzelnen Figuren ist etwas ausführlicher, wie man es vom Auftaktband einer Serie auch erwarten muss, aber dennoch hat die Geschichte kaum langweile Stellen. Man darf allerdings gespannt sein, wie die Autorin in den kommenden Bänden Sommerdahls weiteres Zusammenspiel mit den Polizisten darstellen wird. Erzählerisch hat sie auf jeden Fall die Fähigkeiten, weitere spannende Bücher vorzulegen. Ihre Protagonisten – nicht nur Sommerdahl – wird sie dabei weiter entwickelt. Und dann dürfte das Lesevergnügen erneut außerordentlich groß sein.

Die guten Frauen von Christianssund

Anna Grue, Atrium

Die guten Frauen von Christianssund

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