Der Rote Stab von Macao

  • Kein & Aber
  • Erschienen: Januar 2014
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  • Toronto: House of Anansi Press, 2012, Titel: 'The Red Pole of Macau', Originalsprache
  • Zürich, Berlin: Kein & Aber, 2014, Seiten: 416, Übersetzt: Anna-Christin Kramer
Der Rote Stab von Macao
Der Rote Stab von Macao
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Andreas Kurth
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2014

Leg Dich nicht mit Ava an

Ava Lee ist die Tochter einer Kanadierin und eines Chinesen. Sie ist als eine Art internationale Geldeintreiberin unterwegs, und hat gerade ihren jüngsten Fall abgeschlossen. Da erreicht sie ein Hilferuf aus der Familie. Ihr Halbbruder Michael hat sich mit seinem Partner auf zwielichtige Immobilien-Geschäfte in Macao eingelassen – nun droht der Verlust von 20 Millionen US-Dollar. Ava folgt der Bitte ihres Vaters und fliegt nach Honkong, um sich mit Michael zu treffen. Die gewissermaßen private Mission enthält viele Fallstricke für Ava. Ihre komplizierte Familiengeschichte spielt dabei ebenso eine Rolle wie ihr Verhältnis zu ihrem Geschäftspartner "Onkel". Schnell wird dabei klar, dass sich Michael und sein Partner offenbar mit kriminellen Geschäftemachern eingelassen haben, die zur oberen Struktur der chinesischen Triaden in Macao gehören. Ava lässt sich davon jedoch nicht abschrecken, nutzt einige gute Beziehungen, die sie bei zurückliegenden Aufträgen geknüpft hat, und nimmt das Problem zielstrebig in Angriff. Einmal mehr geht es darum, Geld zurück zu holen – diesmal steht allerdings die wirtschaftliche Existenz ihrer ganzen weit verzweigten Familie auf dem Spiel.

Eine überaus ungewöhnliche Protagonistin

Ian Hamilton hat mit seinen Romanen um die "internationale Agentin" Ava Lee eine überaus ungewöhnliche Protagonistin geschaffen. Der Autor gönnt seiner Figur kaum Entspannung nach ihrem jüngsten Fall, aber irgendwie glaubt man der jungen und als sehr trendig geschilderten Frau, dass es ihr nichts ausmacht, erneut – und diesmal für die eigenen Familie – verschwundenem Geld hinterher zu jagen. Der gesamte Clan ihres Vaters ist über mehrere Kontinente verstreut, Ava selbst lebt in einer lesbischen Beziehung – und so ist ihr nichts Menschliches fremd. Und sie ist ein richtiger Team-Player, auch wenn sie aus verschiedenen Gründen zunächst versucht, ihren chinesischen Geschäftspartner, genannt Onkel, aus der Sache heraus zu halten. Der bekommt natürlich trotzdem davon Wind, und hilft ihr – vor allem mit seinen ausgezeichneten Beziehungen und einigen wirklich guten Ratschlägen. Onkel kennt Kao Lok, der hinter dem Immobiliengeschäft mit Michaels Firma steckt, und warnt Ava vor diesem Gegner. Immerhin handelt es sich um den "Roten Stab" der Triaden von Macao. So wird in der hierarchischen Ordnung dieser organisierten Kriminellen der Führer der so genannten Kampfeinheiten bezeichnet.

Familiensinn und Pragmatismus

Ava hilft ihrem Bruder dennoch – und der Leser lernt in diesem Roman viel über den Familiensinn der Chinesen. Und über deren Pragmatismus, denn Michaels drohender Millionen-Verlust könnte die ganze Familie in den finanziellen Ruin treiben. Ava hat also praktisch gar keine andere Wahl, denn immerhin hängen mehrere (Ex-) Ehefrauen und deren Kinder am finanziellen Tropf ihres Vaters. Ian Hamilton verschenkt leider einiges an Potenzial, das dieser insgesamt gut durchdachte Plot mit sich gebracht hätte, wenn die Geschichte etwas wendungsreicher gestaltet worden wäre. Spannung wird hier vor allem durch die komplizierten Nachforschungen der Protagonistin aufgebaut, aber irgendwann geht es leider nicht mehr darum, was passieren wird, sondern nur noch um das "Wie".

Ein interessantes und lesenswertes Buch

Denn Ava findet heraus, das Kao Lok und seine kriminellen Partner mit ihren betrügerischen Immobilien-Angeboten systematisch gutgläubige Investoren um ihr Geld prellen. Die angeblichen Investitionsobjekte in Macao sind von vornherein nur auf Betrug ausgelegt. Und wer sich dann am unübersehbaren Boom im Spieler-Paradies Macao beteiligen möchte, verliert schnell mal den Überblick. Ava Lee lässt sich auch von einer direkten Konfrontation mit den Triaden – die chinesische Variante der Mafia - nicht abschrecken. Sie hat dabei rustikale Mitstreiter, die ihre von ihren Unternehmungen mit Onkel bestens vertraut sind und auf die sie sich blind verlassen kann. Neben einem Einblick in chinesische Familienverhältnisse erfährt man auch noch einiges über die asiatische Küche – für den durchschnittlichen Mitteleuropäer mehr als gewöhnungsbedürftig. Trotz weniger Wendungen und einer gewissen Schlichtheit im Spannungsaufbau ein interessantes und lesenswertes Buch – aber noch mit viel Luft nach oben.

Der Rote Stab von Macao

Ian Hamilton, Kein & Aber

Der Rote Stab von Macao

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