Bis du tot bist

  • Lübbe Audio
  • Erschienen: Januar 2014
  • 0
  • Köln: Lübbe Audio, 2014, Seiten: 416, Übersetzt: Sabina Godec
  • Köln: Bastei Lübbe, 2015, Seiten: 416, Übersetzt: Sabina Godec
Bis du tot bist
Bis du tot bist
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Jürgen Priester
69°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2013

Das verflixte zweite Buch

Um es mal burschikos zu sagen, Becky Masterman hat´s versemmelt. Ihr zweiter Roman um die pensionierte FBI-Undercover-Agentin Brigid Quinn lässt fast alles vermissen, was den Debütroman Der stille Sammler auszeichnete. Es ist nicht anzunehmen, dass die Autorin ihr Pulver schon verschossen hat. Vielmehr drängt sich der Eindruck auf, dass die Autorin unter Zeitdruck gestanden hat. Das Second-Novel-Syndrom ist ja ein bekanntes Phänomen. Auf ein starkes Debüt folgt oft ein schwacher Nachfolger. Ist der Erstling geschrieben, veröffentlicht, erfolgreich, vielleicht sogar in andere Sprachen übersetzt, heißt es: Nachlegen. Das Eisen schmieden, solange es heiß ist. In unserer heutigen schnelllebigen Zeit vergeht nichts schneller als die Aufmerksamkeit des Publikums. So wirkt Bis du tot bist schnellgestrickt und so ideenlos wie sein Titel. Der amerikanische Original-Titel: "Fear the Darkness" ist auch nicht gerade einfallsreicher.

Tatsächlich vergehen geschlagene 200 Seiten (und das ist schon die Hälfte des Romans) bis so etwas wie Spannung aufkommt. Zuvor müssen wir uns hauptsächlich mit dem Alltag der gehobenen Mittelschicht in Tucson, Arizona beschäftigen. Der besteht aus Wohltätigkeitsveranstaltungen, Kirchengemeindetreffen, sonntäglichen Gottesdiensten, Einkaufsbummel, Spaziergängen etc. Alles nicht so prickelnd. Bridgid Quinn, die vormals so taffe Heldin, hat sich so richtig von der Routine einlullen lassen. Da bereitet es ihr schon Stress, dass ihre Nichte Gemma-Kate für einige Zeit zu Gast ist. Die Tochter ihres Bruders verbringt nach dem Tod ihrer Mutter die Wartezeit bis zum Beginn ihres Studiums bei der Tante. Gemma ist siebzehn und verhält sich eigentlich genau so, wie man es von einem Teenager dieses Alters erwarten würde. Doch Tante Brigid beäugt sie misstrauisch und interpretiert ihr noch von Stimmungsschwankungen geprägtes Verhalten nicht besonders wohlmeinend. Ja, Brigid versteigt sich sogar in der Mutmaßung, Gemmas Verhalten sei auf eine genetische Verwerfung in der Familie Quinn zurückzuführen. Das scheint dem Leser nun etwas sehr weit weg geholt. Die Autorin macht keinen souveränen Eindruck.

Natürlich muss Brigid Quinn auch diesmal einen Fall aufklären, der sie später in die im Prolog angedeutete Bedrängnis bringen wird. Vor einem halben Jahr ertrank ein Jugendlicher im Swimmingpool seines Elternhauses. Die Polizei stufte das als Unfall mit Todesfolge ein. Der Stiefvater des Jungen, ein angesehener Arzt, hatte für einen reibungslosen Ablauf der Untersuchung gesorgt. Eine Autopsie der Leiche fand nur sehr oberflächlich statt. Die Mutter ist immer noch wie paralysiert, kann sich nicht mit dem unerklärlichen Tod ihres Sohnes abfinden. Sie bittet Brigid, sich das Ganze noch einmal anzuschauen. Aus Mitleid mit der verzweifelten Frau geht Brigid deren Wunsch nach. Sie tut es aber ohne ihr gewohntes Engagement. Denn einerseits muss sie in der Privatsphäre ihrer honorigen Freunde herumschnüffeln, andrerseits fühlt sie sich einfach unwohl zur Zeit. Schwindelgefühle, Krämpfe und Halluzinationen quälen sie in zunehmenden Maße.

Was es damit auf sich hat und was an dem Tag geschah, als der Junge ertrank, erfährt der Leser in der zweiten Hälfte des Romans, in der es wirklich turbulent zugeht. Die Autorin hat sich einiges einfallen lassen, aber so richtig überzeugend ist das alles nicht. Man darf als Rezensent auf Einzelheiten, die zu viel preisgeben könnten, nicht näher eingehen, doch gerade viele Kleinigkeiten sind es hier, die zum Ärgernis werden. So ist es schier unmöglich, eine Waffe auf einen nicht vorhandenen Kotflügel abzulegen. Vielleicht ist der Rezensent diesmal zu pingelig. Leser monierten in ihren Kommentaren zu Der stille Sammler, dass der Rezensent in seiner Besprechung wohl einige Ungereimtheiten im Plot übersehen hätte. Das mag schon zutreffen. Aber ist man nicht toleranter, wenn der Stoff einen richtig packt? Dem vorliegenden Bis du tot bist fehlt es an Ausstrahlung. Die Hauptprotagonistin, die im Debütroman die Handlung dominierte, ist nur noch ein Schatten ihrer selbst und das nicht nur krankheitsbedingt. Ihre Gedankengänge (Ich-Erzählerin) sind nur schwer nachvollziehbar, wirken realitätsfern. Die Verbundenheit, die man mit der Heldin entwickelt hatte, verliert sich bei fortschreitender Lektüre. Man kann nur auf bessere Zeiten hoffen.

Es gibt sicher eine Faustregel, in welchem zeitlichen Rhythmus die Folgen einer Reihe erscheinen müssen, um die Leser bei der Stange zu halten. Aber Qualität sollte immer gewahrt bleiben. Schnellschüsse wie Bis du tot bist sind kontraproduktiv und vergrämen die Leser. Für die Autorin eine vertane Chance, sich zu etablieren.

Bis du tot bist

Becky Masterman, Lübbe Audio

Bis du tot bist

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