Weiß

  • Aufbau
  • Erschienen: Januar 2012
  • 1
  • Helsinki: Otava, 2011, Titel: 'Pakonopeus', Seiten: 446, Originalsprache
  • Berlin: Aufbau, 2012, Seiten: 520, Übersetzt: Peter Uhlmann
Weiß
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Matthias Kühn
91°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2012

Leo Kara ermittelt weiter

Eigentlich ist es ganz einfach: Wer Schwarz gelesen hat, wird mit hoher Wahrscheinlichkeit wissen wollen, wie es weitergeht. Und wer Schwarz nicht gelesen hat, sollte dies unbedingt zuerst tun, und zwar am besten gleich jetzt, denn Weiß ist kein in sich geschlossener Krimi; insofern brauche ich hier gar nicht viel zu erzählen.

Wer also Schwarz, den ersten Band der Mundus-Novus-Reihe, nicht kennt: bitte hier nicht weiterlesen! Denn was ich hier schreibe, ist ausschließlich für Leser bestimmt, die wissen, was bisher passierte.

Okay, jetzt sind wir Schwarz-Leser also unter uns. Gut so. Viele haben schon die ganze Zeit sehnsüchtig auf das Erscheinen dieses Buches gewartet. Und das Warten hat sich gelohnt. Und wie!

Was wir vor allem wissen wollen: Was hat es mit Kati Soisalos verschwundener Tochter Vilma auf sich? Das wird schon im Prolog angerissen; diese Geschichte bildet einen der zentralen Stränge des ganzen Buches. Wie weit ist Katis Ex-Mann Jukka Ukkola in die Vorkommnisse vom letzten Jahr verstrickt? Darüber erfahren wir einiges; es reicht natürlich weiter, als wir es uns denken können. Was für ein Geheimnis hat Gilbert Birou, dessen Persönlicher Assistent Kara ist? Auch das wird geklärt.

Weiß spielt, wie der Übersetzer sagen würde, ein reichliches Jahr nach dem Ende des ersten Bandes. Kara, der erst nach über vierzig Seiten auftaucht, hat Einsätze in Afghanistan und Myanmar hinter sich, er hat dabei als zwölfte Sprache Paschtunisch gelernt. Als er bei einer Ermittlung auf den Namen Viktor Hofman stößt, lässt ihm das keine Ruhe. Hofman hat sich schließlich vor seinen Augen erschossen, kurz bevor der Killer Manas Oberst Babas erledigte. Manas, im ersten Band eine kleine, aber wirkungsvolle Nebenfigur, rückt hier stärker ins Geschehen. Immer wieder stellt sich die Frage: Warum eigentlich wird Kara nicht von dem Kirgisen umgebracht? Nun ja – etwa zur Hälfte des Buches wird das klar.

Kara stößt also auf Hofman und findet heraus, dass zwei finnische Unternehmen diesem Drahtzieher internationaler Waffengeschäfte viel Geld überweisen haben. (Die 30.000 Euro übrigens, die im ersten Buch auf Karas Konto gelandet waren, werden mit keinem Wort erwähnt.) Zudem stößt Kati Soisalo auf einen Ring internationaler Menschenhändler, in den die serbische Mafia Naša Stvar ebenso verstrickt ist wie der Teile des russischen Geheimdienstes. Mit ihren Ermittlungen stechen Kara und Soisalo natürlich in ein Wespennest. Aber die Verwicklungen sind komplexer, als es bisher schien, und alles ist miteinander verbunden. Das war zwar schon angekündigt, hier entfaltet sich die Tragweite schon mehr.

Die Story von Weiß – ganz kurz, ganz knapp: Jemand hat die weltweiten Iridiumvorräte aufgekauft, zwei Wissenschaftler, die Forschungsgruppen zum Thema Iridium leiteten, wurde entführt, schließlich auch noch eine italienische Forscherin. Die forschten an Laser- und Mikrowellenwaffen, an Pulsenergie-Waffen und entwickelten Iridiumkatalysatoren für Treibstoffe. Dann gibt es einen Überfall auf ein britisches Kernkraftwerk, ein abenteuerlicher Raub beschäftigt die internationalen Geheimdienste, nichts weniger als der Weltfrieden scheint in Gefahr – das kennen wir ja aus dem ersten Buch. Diesmal tauchen neben den aus Schwarz bekannten Figuren beispielsweise Vertreter der britischen Regierung auf – auch ein junger, eher tumber Premierminister.

Nebenbei gerät das "Kabinett" immer mehr unter Druck. Aber was ist dieses seltsame Kabinett eigentlich? Wie können Kara, Soisalo und der Hacker Paranoid Kontakt aufnehmen, um mehr zu erfahren? In welchem Verhältnis steht das Kabinett zu Mundus Novus – und was ist Mundus Novus überhaupt?

Bleiben noch Fragen zu den Ereignissen von 1989, als sich Kara seine Kopfverletzung zuzog. Was geschah da wirklich? Welche Rolle spielte Mundus Novus bereits damals? Neue Medikamente helfen Kara dabei, seine Erinnerungen in kleinen Bruchstücken zurückzubekommen, zunächst durch Alpträume. Als er schließlich an die Stelle des Unglücks kommt, stellen sich mehr und mehr Teile der Erinnerung ein; andere Bausteine erfährt er durch seine Ermittlungen, durch Manas und Betha Gilmartin, deren Pulsmesser mir allerdings manchmal etwas auf die Nerven ging. Am Ende des Buches ist einiges an Erinnerungen und neuem Wissen beisammen – und jetzt ist der dritte Band noch nicht erschienen!

Das Warten geht also weiter, jetzt warten wir eben auf Rot, das Ende 2012 erscheinen wird, danach sicher ähnlich hoffnungsvoll auf den abschließenden Band Tot. Nach den ersten beiden Bänden kann ich mir nicht vorstellen, dass Soininvaara die Story aus der Hand gleitet. Nur Übersetzer und Lektorat sollten sich vielleicht ein paar Tage mehr Zeit nehmen, um das/dass-Fehler zu eliminieren, die Zeichensetzung zu kontrollieren und um hin und wieder mal was nachzuschlagen. Dass es nicht "Schienenbein" heißt, beispielsweise. Dass der Plural von Balkon nicht Balkons ist, hat immerhin nach zwei Dritteln des Buches jemand gemerkt.

Aber das sind Kleinigkeiten. Das Niveau von Weiß ist auf dem des Vorgängers, wobei es diesmal schneller losgeht, weil die Erklärungen bei der Kara-Einführung nur so erwähnt werden, dass man als Leser auch nach einer Weile wieder reinkommt. Das mag sinnvoll sein; liest man die beiden Bände aber direkt hintereinander, ist das ein wenig redundant. Aber egal: Mit Schwarz und Weiß haben wir nun die Hälfte eines gewaltigen Thrillers vorliegen. Taavi Soininvaara schafft es locker, die Spannung immer wieder zu verschärfen. Wenn das so weitergeht, hat die bislang praktisch uneingeschränkt empfehlenswerte Mundus-Novus-Reihe ohne jeden Zweifel das Zeug zum Klassiker, zu einem Opus Magnus unserer Tage.

Ach, eins noch: Wenn Kara in Wien ist, schaut er in seiner kleinen, wenig persönlichen Wohnung immer Filme. Hier ist es Memento, der tatsächlich etwas Auskunft über Karas Leiden gibt. Ich hab ihn grad angeschaut, direkt nach der Lektüre; der Film ist so etwas wie ein ergänzender Text zu den Büchern.

Weiß

Taavi Soininvaara, Aufbau

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