Alex Thomas
06.2018 Andreas Kurth traf das Autorenduo Alex Thomas zum Interview.
Krimi-Couch:
Was reizt Euch besonders daran, Romane mit den vier Zutaten »Science, Murder, Mystery, Adventure« zu schreiben, wie es auf eurer Homepage steht? Reichen eines oder zwei dieser Elemente nicht?
Thomas:
Alex und ich haben einfach ein Faible für Spannung, Abenteuer, Phantastik und Kriminalistik mit mörderisch-detektivischem Einschlag. Vorbilder in puncto Crime sind unter anderem Klassiker wie Sir Arthur Conan Doyle oder Agatha Christie.
In puncto Phantastik liebäugeln wir mit klassischen Vorbildern wie Edgar Allen Poe, Mary Shelley und Franz Kafka oder moderneren wie Stephen King und Dean Koontz. Für uns sind die reale Welt, sozusagen die Welt aus Fleisch und Blut, und die Welt hinter der Welt, die Welt des menschlichen Bewusstseins oder die des so genannten Jenseits, nur die zwei Seiten derselben Medaille. Und diese zwei Seiten können in ihrer Wechselwirkung einfach unglaublich faszinierende und trotzdem bodenständige Geschichten hervorbringen.
Alex:
Was den Umfang der jeweiligen Elemente angeht, achten wir natürlich auf eine ausgewogene Mischung. Wichtig ist uns, dass die Geschichten so authentisch rüberkommen, als könnten die Ereignisse sich genau so in unserer Welt abspielen. Nehmen wir zum Beispiel unsere erste Protagonistin, Schwester Catherine Bell. Catherine hat ja diese Gabe, um die sie die meisten Menschen beneiden würden. Sie kann das seelische Innenleben anderer Menschen wahrnehmen, das Innenleben der Guten ebenso wie das der Bösen.
Aber diese Gabe hat natürlich auch zwei Seiten. Sie hat Catherine oftmals geholfen, aber sie hat auch ihre Kindheit zerstört. In Catherines erstem niedergeschriebenen Abenteuer »Lux Domini« wird der Fluch dann wieder zum Segen. Catherine kommt einer mörderischen Intrige auf die Spur und kann das Leben des Papstes retten. Hier hätten wir also alle Elemente vereint: Mord, Mysterium, Abenteuer und Religionsgeschichte, und das, ohne dass die eigentliche Story zu abgehoben wird.
In unserer Paula-Tennant-Reihe haben wir es dann mit einer Spezialagentin zu tun, die über einen so genannten sechsten Sinn verfügt, wenn es um das Böse beziehungsweise um Tatorte und Serienverbrechen geht. Paulas sechster Sinn basiert jedoch nicht auf dem Evolutionsfaktor Mutation, sondern ist einfach nur das Ergebnis einer verdammt beschissenen Kindheit, bei der es um ein hartes Überlebenstraining ging. Aber wie das im Leben nun mal so ist, lässt Paula dieses antrainierte Talent in jenem Punkt im Stich, wo es um Bewunderung und Liebe geht.
Krimi-Couch:
Es gibt so einige Autoren-Duos. Wie funktioniert der Arbeitsalltag bei Euch? Die eine schreibt, der andere korrigiert? Oder wie hat man sich das vorzustellen?
Alex:
Bei uns läuft das eigentlich ganz unspektakulär. Wir kennen uns seit über zwei Jahrzehnten und sind mit unseren jeweiligen Vorstellungswelten vertraut. Da funktioniert es mit dem Gedanken- und Ideenaustausch, sprich dem gegenseitigen Inspirieren ziemlich gut. Zugute kommt uns aber auch, dass wir viele gemeinsame Interessen haben, und uns dort ergänzen, wo unsere Interessen auseinandergehen. Beim Entwickeln eines Romanprojekts sind wir dann ein bisschen wie Holmes und Watson in wechselnden Rollen. Derjenige von uns, der den Ausschlag für eine interessante Story gegeben hat, übernimmt dann die Federführung und wird zum Architekten des Projekts.
Thomas:
Das hat sich schon während meiner Jahre als Wissenschaftler und während meiner Londoner Professorenzeit bewährt. Da hätte ich neben Lehre und Forschung gar nicht die Zeit gehabt, innerhalb eines Jahres einen kompletten Roman zu schreiben. Also wurde ich in jenen Jahren zum Innenarchitekten unserer Romanstoffe, hatte einen Blick auf die Statik der Handlung, das Zusammenspiel der Figuren und deren Gefühlsleben, und ich hatte ein Auge auf die Inneneinrichtung oder regte auch mal den Ausbau des Dachstuhls in Form des Finales an. Inzwischen schreiben meine Frau und ich ja zu zweit, und da ist Alex nun meine Innenarchitektin.
Krimi-Couch:
Neben einem normalen Beruf schreiben ist ja auch nicht so ganz einfach. Wie organisiert Ihr das? Feste Schreibzeiten, oder gar Schreibklausuren?
Thomas:
Egal, ob man nebenher oder in Vollzeit schreibt, ohne geregelte Schreibzeiten läuft wirklich gar nichts. Die sind das A und O, wenn aus vielen einzelnen Ideenbausteinen einmal ein großes Ganzes werden soll. Das habe ich schon während des Schreibens meiner wissenschaftlichen Veröffentlichungen gelernt.
Alex:
Früher bin ich zum Beispiel stundenlang mit dem Zug zur Arbeit gependelt, was nicht gerade prickelnd war. Mit der Zeit sah ich das Pendeln jedoch als eine Art Privileg an, denn die Zeit im Zug gehörte ohne Ablenkung mir, und ich nutzte sie zum Lesen, Recherchieren und Schreiben. Fraglich, ob ich das so intensiv auch zuhause getan hätte. Ganz zu schweigen, von den heutigen Zerstreuungsmöglichkeiten durch die neuen Medien. Die fressen ja so manche Zeit und Energie.
Krimi-Couch:
Eure Recherchereisen sind für Euch besonders wichtig. Schildert doch mal ein paar besondere Erlebnisse. Seid Ihr wie Indiana Jones schon mal über alte Särge oder so etwas gestolpert? Oder ist das weniger aufregend und mehr zum Anregen der Phantasie geeignet?
Thomas:
Gestolpert sind wir über vieles. (lacht) Zum Beispiel über die Grabplatten im Londoner Café in the Crypt (neben St. Martin in the Fields). Oder über die – im wahrsten Sinne des Wortes – unsichtbaren Stufen zum Hauptschiff einer römischen Kirche. Inzwischen muss man aber nicht mehr jeden Schauplatz gleich bereist haben. Mittels Google Streetview kann man sich ein ziemlich gutes Bild von den Örtlichkeiten einer Geschichte machen. Nicht zu vergessen, die unzähligen erstklassigen Fotos und Filme im Internet.
Doch all das ersetzt für mich nicht vollständig das eigene Erleben. Ich nehme von Recherchereisen gerne die kleinen Dinge mit, die Atmosphäre an einem Ort, Unterhaltungen und menschliche Interaktionen. Sie fließen in die Innenarchitektur ein, wenn man so will. Nehmen wir zum Beispiel eine unserer Reisen nach Rom, die wir typischerweise in den Januar legen, da dort dann wesentlich weniger Touristen unterwegs sind. Wir waren also von der Morgensonne bereits gut geröstet und haben uns vom Forum Romanum durch Zufall in ein kleines italienisches Café an der Piazza Venezia verirrt.
Dort zu sitzen, einen doppelten Espresso zu trinken und den Einheimischen zu lauschen, auch wenn man selbst kein Italienisch spricht, das regt meine Phantasie an.
Da das Café in einer touristischen Ecke liegt, glaube ich nicht, dass man zu anderen Jahreszeiten viel unaufgeregtes Italienisch oder die Sprache überhaupt zu hören bekommt. Und dass einem die Januarsonne schon tüchtig einheizen kann, kann man zwar von Temperaturskalen ablesen, das entsprechende Gefühl der Sonne auf der Haut und die Gerüche des Cafés gemischt mit den Abgasen der Motorroller fehlen dann jedoch.
Alex:
Recherchereisen bringen jedenfalls nur wenig, wenn man sich vor der Reise nicht bereits gut informiert hat. Man muss wissen, was man sieht, damit es mit dem Assoziieren und dem inspiriert werden auch funktioniert. Sonst läuft man an vielen interessanten Orten vorbei, ohne deren Potential zu erkennen. Und dann muss man am Ende natürlich die Dinge auch beim Namen nennen können. Meiner Erfahrung nach sind Imaginationsvermögen und ein gutes Schreibhandwerk wichtiger als das Reisen.
Krimi-Couch:
Thomas, Du warst jetzt das erste Mal bei der Leipziger Buchmesse. Wie waren deine Eindrücke – und warum wirst du wieder hinfahren?
Thomas:
Meine Eindrücke waren durchweg positiv. Ehrlich gesagt, hat mir die Leipziger Buchmesse mit ihrem Fokus auf die Leser sogar deutlich mehr Spaß gemacht als ihre ältere Schwester in Frankfurt. Das Layout der Stände ist offener und die vielen Lese-Inseln laden einfach zum Zuhören ein. Da haben die Lesung aus »Die Tränen der Kinder«, das Panel zum Thema »Autorenduos« und der Austausch mit dem Publikum richtig Freude gemacht.
Ich sehe natürlich auch, dass die Frankfurter Buchmesse als Fachbesuchermesse einen deutlich anderen Schwerpunkt hat, auch wenn sie am Wochenende für die Leserinnen und Leser geöffnet wird. Von daher ist es sicher ein wenig unfair, die beiden Messen miteinander zu vergleichen. Sie dienen unterschiedlichen Zwecken und sind beide auf ihre Art überaus spannend.
Krimi-Couch:
Gespräche mit Lesern sind Teil solcher Messebesuche. Was wird man bei diesen Gelegenheiten gefragt? Und verrät man als Autor auch mal Interna?
Thomas:
(schmunzelt) Interna? Oh je, was könnten das schon für Interna sein? Dass man sich morgens gegen neun Uhr mit einer Tasse Tee und ausgewähltem Recherchematerial an den Schreibtisch setzt, den Computer hochfährt und hofft, dass es ein produktiver Tag werden möge? Von außen betrachtet, ist das Schreiben einfach nur ein ziemlich langwieriger Prozess, weil sich das ganze Abenteuer ja einzig im Kopf abspielt. Letztendlich läuft alles nach dem Schema Lesen, Recherchieren, Schreiben, Überarbeiten. Lesen, Recherchieren, Schreiben, Überarbeiten. Lesen, Recherchieren, Schreiben, Überarbeiten. Und – wirklich ganz wichtig – auch an schlechten Tagen unbedingt am Ball bleiben und Lesen, Recherchieren, Schreiben, Überarbeiten.
Alex:
Die beiden Hauptfragen, die Thomas und mir bisher gestellt wurden, betrafen bisher ehrlicherweise wirklich nur simple Dinge, wie die Reihenfolge der Bücher und Erscheinungstermine der Romanfortsetzungen. Interessanter wurde es, wenn es um den Wahrheitsgehalt und die Recherchearbeit für unsere Romane ging.
Krimi-Couch:
Ihr seid aus Großbritannien nach Deutschland zurückgekehrt. Gab es berufliche Gründe? Und können eure Fans jetzt mit mehr Lesereisen durch Deutschland rechnen?
Thomas:
Als wir 2011 nach England zogen, hatten wir uns ein Zeitfenster von etwa fünf Jahren gesetzt, um dann noch einmal zu überprüfen, ob wir in Großbritannien bleiben oder nach Deutschland zurückkehren wollen. Bis in das Frühjahr 2016 schlug das Pendel leicht Richtung Bleiben in England aus. Dann geschah, womit keiner wirklich gerechnet hatte, auch keiner unserer britischen Freunde und Arbeitskollegen: Der Brexit. Alex und ich haben uns dann, wie viele andere EU-Bürger inzwischen auch, für eine Rückkehr nach Deutschland entschieden. Und so wie die Dinge derzeit zwischen Großbritannien und der Europäischen Union laufen, sind wir ganz froh, uns so entschieden zu haben.
Und selbstverständlich freuen wir nun auch darauf, jetzt auch Lesungen veranstalten und unsere Leser vor Ort treffen zu können.
Krimi-Couch:
Nach Catherine Bell ist Paula Tennant eine neue Serien-Protagonistin. Was ist bei ihr anders?
Thomas:
Die Catherine-Bell-Serie hat eine etwas epischere Bandbreite (ähnlich wie aktuelle Netflix- und Amazon-Video-Serien). Catherine lebt ja gewissermaßen in zwei Welten. In der Welt der Normalmenschen ebenso wie in der Welt, deren Existenz wir Normalmenschen gar nicht wahrnehmen. Dabei wird sie in Rom mit der dunklen Seite skrupelloser Vatikan-Politik konfrontiert, entdeckt, dass – trotz ihrer Gabe – Freund und Feind alles andere als leicht auseinanderzuhalten sind. Außerdem muss sie feststellen, dass hinter so mancher Legende und so manch biblischer Mythologie mehr steckt, als selbst sie für möglich gehalten hätte. Wer glaubt schon, dass Archäologen in der Nähe des Bergs Ararat ein Engelsskelett ausgraben und Wissenschaftler dann in einem Geheimlabor mit dem daraus gewonnen genetischen Material experimentieren, um schließlich ein Stück Hölle freizusetzen (wie im dritten Band »Engelszorn« geschehen).
Alex:
Paula Tennants Verbrecher- und Serienmörderjagd für die International Security Agency (ISA) ist hingegen mehr im Hier und Jetzt verankert, denn Paulas Gabe ist ja nicht übersinnlich, die verdankt sie einem üblen sozialen Umfeld, in dem es einfach überlebenswichtig war, ein feines Gespür für das Böse zu entwickeln. Paula kann sich also ziemlich gut in psychopathische oder mörderische Gehirne hineinversetzen und sich die brutalen Geschehnisse an Tatorten vergegenwärtigen.
Aber es gibt da in ihrer Wahrnehmung auch diesen toten Winkel, diesen dunklen Raum, den sie einfach nicht einsehen kann. Und in diesem toten Winkel steht der Mann, den sie seit ihrer Studienzeit bewundert und in den sie sich ernsthaft verlieben könnte. Paula hat keine Ahnung, dass ausgerechnet ihr Mentor und Boss jener Spezies Mensch angehört, die sie so sehr verabscheut. Ein Geheimnis, dessen Saat im ersten Thriller »Die Tränen der Kinder« ausgelegt worden ist und die im Verlauf der Trilogie aufgehen wird.
Krimi-Couch:
Was wird Paula Tennant in ihrem zweiten Fall erleben? Und wann kommt dieser zweite Band auf den Markt?
Alex & Thomas:
Nachdem es in »Die Tränen der Kinder« um die Überreste enthaupteter, schwangerer Frauen und eine Mörderjagd in Italien ging, ermittelt Paula dieses Mal in London. Ein Serienkiller, dem die britische Polizei intern den Namen Ghost gegeben hat, ist in ganz Europa hinter Kindermördern her. Und der Ghost möchte mit Paula am liebsten einen Pakt schließen. Der geplante Erscheinungstermin für »Das Labyrinth des Blutes« ist der 17. Juli 2018 als Kindle-E-Book und als Taschenbuch.
Das Interview führte Andreas Kurth im Juni 2018.
Foto: © Krimi-Couch.de / Literatur-Couch Medien GmbH & Co. KG
Neue Kommentare