Dirk Labudde

Dirk Labudde ist Professor für Bioinformatik an der Hochschule Mittweida. Seit 2014 leitet er dort den von ihm gegründeten Studiengang der Allgemeinen und Digitalen Forensik. Als Berater für verschiedene Polizeien der Länder und Staatsanwaltschaften hilft er bei der forensischen Aufklärung von Straftaten und ist als Sachverständiger vor Gericht tätig. Zuletzt wurde er auch beim Fall um die schweren Antisemitismus-Vorwürfe des Sängers Gil Ofraim hinzugezogen, um die Überwachungsvideos des Hotels in Leipzig auszuwerten.

Krimi-Couch-Redakteur Thomas Gisbertz sprach mit Dirk Labudde über seine besondere Arbeit, die Zukunft der digitalen Forensik und seine Meinung zu Kriminalromanen und -serien.

"Aus meiner Sicht, ist es sehr schwer die Forensik als ganzes zu beforschen und in der täglichen Arbeit neueste Ergebnisse umzusetzen."

Krimi-Couch:
Herr Labudde, was ist es, das Sie an der digitalen Forensik so fasziniert?

Dirk Labudde:
Zum einen ist es die Suche auf digitalen Geräten nach Spuren, die mit einem Fall in Verbindung stehen. Wir analysieren vom Smartphone bis zum Kinderspielzeug verschiedene IoT-Geräte. Aber faszinierend finde ich die fast unbegrenzten Möglichkeiten klassische, also analoge Spuren und digitale Spuren über Modelle in Verbindung zu setzen.

Krimi-Couch:
Sie arbeiten als Professor an der Hochschule Mittweida. Wie darf man sich da Ihren Alltag vorstellen

Dirk Labudde:
Natürlich halte ich wie alle Professoren Vorlesungen, vor allem in den Gebieten Allgemeine Forensik und Cybercrime oder arbeite in verschiedenen Ausschüssen und Räten mit. Zurzeit bin ich auch Pro-Dekan, also so was wie der Vize unserer Fakultät. Neben der Lehre leite ich eine Arbeitsgruppe mit mehr als 20 Mitarbeitern. Dort (be-)forschen wir aktuelle Themen, von Hasskommentaren, Chat-Analyse bis zur Altersbestimmung von Blut sowie die Möglichkeiten der Erstellung von digitalen Zwillingen aus Asservaten und Tatverdächtigen.
Ja, und dann gibt es noch den Bereich, den wir Fallarbeit nennen. Hier erstellen wir Gutachten für verschiedene Fragestellungen, welche uns von Gerichten und Polizeien gestellt werden.

Krimi-Couch:
Sie haben den Studiengang für Allgemeine und Digitale Forensik aufgebaut, um Forschung und Praxis enger miteinander zu verknüpfen. Warum besteht aus Ihrer Sicht hier im Vergleich zu anderen Ländern wie den Niederlanden oder Großbritannien noch Nachholbedarf?

Dirk Labudde:
Es ist immer ratsam sich in der Lehre und Forschung an der Praxis zu orientieren. Es stimmt, es gibt einige Länder in Europa, wo diese Verbindung wesentlich besser ausgeprägt ist als vielleicht in Deutschland. Aus meiner Sicht, ist es sehr schwer die Forensik als ganzes zu beforschen und in der täglichen Arbeit neueste Ergebnisse umzusetzen. Ich denke eine enge Verzahnung von Forschung und Anwendung gerade in diesem Bereich ist in der heutigen Zeit dringend notwendig. Und ja, dabei können wir auch von anderen Ländern und deren Konzepten lernen.

Krimi-Couch:
Auch die Zusammenarbeit mit den polizeilichen Ermittlern muss aus Ihrer Sicht noch optimiert werden. Warum?

Dirk Labudde:
Es ist richtig, das Strafverfahren und das eigentliche Ermittlungsverfahren in Deutschland klar geregelt sind. Eingeschlossen die Rolle von Sachverständigen. Optimiert werden können technische Herangehensweisen in einer Ermittlung, um neue Erkenntnisse schnell in die tägliche Arbeit zu integrieren. Durch diese Integration können kriminelle Handlungen schneller und auch effizienter erkannt werden, jedoch bedürfen sie einer fairen Zusammenarbeit, von Forschern und Ermittlern. Ein Forscher in einem Elfenbeinturm kann sich kein Bild von der Realität, also Praxis machen und auf der anderen Seite kann kein Ermittler sich mit neuen Methoden und Verfahren beschäftigen. Der Forscher braucht Input und Daten für eine praxisnahe Forschung und der Ermittler am Ende anwendbare Verfahren oder auch Algorithmen, denen er vertrauen kann, weil er sie dann versteht. 

Krimi-Couch:
Sie zeigen in Ihrem Buch die Möglichkeiten aber auch Grenzen der digitalen Forensik auf. Was muss sich auf behördlicher oder juristischer Ebene aus Ihrer Sicht verändern, um Ihre Methoden effizienter und zielführender im Rahmen der Verbrechensaufklärung zu nutzen?

Dirk Labudde:
Oft denke ich, wir sind alle auf einem sehr guten Weg. Aber dann gibt es Ereignisse, wo man wieder zweifelt. Doch man braucht auch etwas Geduld. Auch hier ist sicher die große Frage von beiderseitigem Wissenstransfer. Ich glaube aber nicht, dass es nur über Weiterbildung funktioniert, sondern auch durch aktive Zusammenarbeit. Nicht zu vergessen ist die technische Ausstattung und das darauf einlassen von Behördenseite. Dazu gehört auch, dass es am Anfang auch mal nicht so klappt wie es sich alle Beteiligten vorgestellt haben.

Krimi-Couch:
Sie sprechen in Ihrem Buch von einem digitalen Wettlauf gegen die organisierte Kriminalität. Wie könnte die Verbrechensbekämpfung mit Hilfe der Methoden der digitalen Forensik in den nächsten Jahrzehnten aussehen?

Dirk Labudde:
Diesen angesprochenen Wettlauf gab es schon immer und leider wird es ihn wohl auch immer geben. Jedoch kann man versuchen die Technik, welche heute für die Begehung von Strafftaten eingesetzt wird, schon vor oder während der Einführung zu verstehen und auf ihren kriminellen Gehalt hin überprüfen. Ich weiß, dieser Gedanke klingt etwas utopisch. Dahinter steckt aber der Gedanke, dass jede Technologie zwei Seiten besitzt. Eine positive, weil sie unser Leben erleichtert und eine negative, weil man damit eben Straftaten begehen kann. Also was wäre, wenn wir im Vorfeld beide Seiten kennen und uns darum auch kümmern könnten.

Krimi-Couch:
Längst haben Krimi-Autoren aber auch TV-Serien das spannende Thema der (digitalen) Forensik für sich entdeckt. Wie realistisch ist aus Ihrer Sicht das Bild, das von Ihrem Arbeitsgebiet gezeigt wird? Welcher Kriminalroman bzw. welche Serie finden Sie diesbezüglich überzeugend?

Dirk Labudde:
Ich bin eigentlich jemand, der sehr wenige Serien kennt. Jedoch wenn ich Krimis lese oder anschaue, dann schaue ich nach den Techniken und deren Verwendung. Also wie wird der Fingerabdruck genommen und dann verglichen. Diese technische Welt ist schon sehr beeindruckend und stimmt recht gut mit der Realität überein. Klar werden manchmal Resultate gezeigt, die so nicht oder noch nicht erzielt werden können. Auf der anderen Seite stimmen der Aufwand und die zeitlichen Ressourcen überhaupt nicht, doch dies ist sicher auch nicht die Aufgabe von Krimis, Serien oder Büchern, sie sollen schließlich unterhalten.

Krimi-Couch:
Gibt es Autoren, die sich bei Ihnen einmal gemeldet haben, um sich über Ihr Tätigkeitsfeld genauer zu informieren oder eine Einschätzung von Ihnen zu erhalten?

Dirk Labudde:
Ja, aber sehr sehr selten. Vielleicht wird es jetzt mehr.

Krimi-Couch:
Verraten Sie uns zum Schluss: Liest jemand, der sich täglich mit Verbrechensaufklärung beschäftigt, gerne Krimis?

Dirk Labudde:
Ich lese schon sehr viel, doch weniger den klassischen Krimi. Spannender finde ich Politikthriller, gutgemachte Science-Fiction und Sachbücher aus den verschiedensten Bereichen.

Das Interview führte Thomas Gisbertz im Mai 2022.
Foto: © Dirk Labudde

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