My Son

Film-Kritik von Carola Krauße-Reim (03.2022)
 

Wie weit darf man gehen um sein Kind zu retten?

Edmond Murray erfährt, dass sein Sohn Ethan aus dem Ferienlager in den schottischen Highlands verschwunden ist. Seine Ex-Frau Joane ist verzweifelt, doch ihr neuer Partner scheint merkwürdig gleichgültig zu sein, was Edmonds Misstrauen schürt. Die Suche nach Ethan bleibt aussichtslos und es wird klar, dass es sich um eine Entführung handeln muss. Doch dann wird die schottische Polizei von den Ermittlungen abgezogen und Edmund sieht sich gezwungen, alleine Nachforschungen anzustellen.

Konstruierter Plot mit nur wenig Spannung

Ein verschwundenes Kind garantiert meist den Einstieg in ein fesselndes und vielschichtiges Drama, bei dem die Eltern, ihre sozialen Kontakte und vor allem die Ermittlungen der Polizei den Handlungsstrang ergeben. Verflechtungen, Verdächtigungen und schrittweise Aufklärung produzieren die typische Spannung eines Vermisstenfalles.

Doch von all dem ist in „My Son“ kaum etwas zu finden. Die Suche der Polizei nach Ethan wird in wenigen Sequenzen abgehakt, die Entführungstheorie mit dem Hinweis darauf, dass Ethan wohl gezielt ausgesucht wurde, sehr schnell ins Rennen geschickt. Dann wird noch die örtliche Polizei zurückgepfiffen und die im Film völlig unsichtbare Londoner Polizei übernimmt – warum auch immer. Als auch noch wichtige geschäftliche Unterlagen aus Edmunds Büro konfisziert werden, seine Freundin daraufhin punktum, ohne ersichtlichen Grund, mit ihm Schluss macht, wird klar, hier soll kein logisches, spannendes, tiefschürfendes und hochemotionales Drama erzählt werden, sondern eine Geschichte, die nur ein Thema hat: Edmund Murray. Der Film mit viel Potential wird leider nur zu einer laschen One-Man-Show, die auch James McAvoy, als verzweifelter Vater, nicht mehr retten kann.

Viel Geprügel, wenig Sinn

Es dürfte kaum nachvollziehbar sein, was Eltern durchmachen, wenn ihr Kind verschwindet, doch nur die greifbare Verzweiflung von Mutter Joane (Claire Foy) ist in diesem Film wirklich glaubhaft gespielt. Die Reaktionen von Edmund dagegen erscheinen eher unrealistisch und überzogen. Seinen Status als einzig verbliebene Person, die nach Ethan sucht, erhält er in einer dramatisch aufgezogenen und dennoch ziemlich lächerlichen Szene mit dem leitenden Beamten vor Ort, gespielt von Garry Lewis. Danach scheint er nur noch nach dem Motto „Erst zuschlagen, dann denken“ zu handeln. Er findet einen einzigen Hinweis, der auch gleich fruchtet und dem er in Bruce-Willis-Manier nachgeht.

Hier wird zugeschlagen, abgefackelt und zerstört, bevor überhaupt etwas geklärt ist. Eventuelle Spannung sucht man leider vergebens, denn die Handlung erscheint absolut unlogisch. Wenn Edmund dann ständig „Mein Sohn“ schreit, ist aber zumindest der Titel plausibel.

Wunderbare Aufnahmen der Highlands

Auch wenn die Geschichte eher dürftig erscheint, der Ort der Handlung ist atemberaubend. Die schottischen Highlands werden immer wieder in ihrer ganzen Schönheit gezeigt.

Die Einsamkeit, das ständig wechselnde Wetter ist fast greifbar und die unglaublichen Farben der Moore und Berghänge versöhnen für so manche Szene, die in diesen Einstellungen spielt.

Wird hier die Frage nach Selbstjustiz gestellt?

Doch dieser Film könnte trotz allem ein Quäntchen Sinn haben. Edmund ist ein verzweifelter Vater, der von der Polizei im Stich gelassen wird und sich gezwungen fühlt, alleine zu handeln. Die resultierende Selbstjustiz könnte das versteckte Thema dieses Films sein. Wie weit darf man gehen, wenn Hilfe versagt bleibt?

Regisseur Christian Carion lässt Edmund die Frage sehr nachdrücklich und pointiert beantworten – bis zum bitteren Ende, denn das eigenmächtige Handeln bleibt nicht ungesühnt.

Fazit

„My Son“ basiert auf actionreiche Szenen, die eine wenig realistische Geschichte tragen. Wer gut auf ein vielschichtiges Drama verzichten kann, könnte hier schwungvoll unterhalten werden, allen anderen bleibt die Reflektion um Thema Selbstjustiz und die herrlichen Landschaftsaufnahmen.

Cover und Fotos: © EuroVideo

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