Dschibuti

  • Eichborn
  • Erschienen: Januar 2011
  • 2
  • New York: William Morrow, 2010, Titel: 'Djibouti', Seiten: 279, Originalsprache
  • Frankfurt am Main: Eichborn, 2011, Seiten: 284, Übersetzt: Conny Lösch
Dschibuti
Dschibuti
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Thomas Kürten
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2011

Unter Piraten

Es gibt trostlose Flecken auf dieser Erde. Und unter diesen trostlosen Flecken gibt es auch wieder trostlosere Flecken. Ganz vorne dabei sein muss Dschibuti. Das ostafrikanische Land bietet seinen Besuchern … irgendwie nichts. Gut, es gibt dort einen wichtigen, großen Hafen und einen nicht minder wichtigen US-Militärstützpunkt. Aber das war es dann auch. Nur für gut 25% der Bevölkerung gibt es mehr oder weniger geregelte Arbeitsplätze, der Rest muss sehen wie er klar kommt. Ernüchternd. Aber dennoch ist Geld im Umlauf, dennoch brummt das Leben in den Rotlichtbezirken.

Elmore Leonard wählt Dschibuti als Rückzugsort somalischer Piraten. Hier können die Anführer der modernen Seeräuber hemmungslos ihr erpresstes Geld ausgeben. Hierhin schickt er Dara Barr, Dokumentarfilmerin, auf der Suche nach der großen Story. Doch die Mittdreißigerin empfindet eine kreative Leere. Ihre früheren Werke waren allesamt preisgekrönt und die Frau weiß nicht, wie sie sich weiter steigern soll. Tollkühn wagt sie sich mit ihrem Kameramann unter die Piraten, geht mit ihnen nach Somalia, filmt, hält drauf und sieht so einiges, was sie erst bei der Nachbearbeitung im sicheren Hotel besser verstehen kann.

Doch neben ihr schlagen sich noch ein milliardenschwerer amerikanischer Abenteurer, ein halb-englischer Scheich, ein Ex-Model und ein verblendeter amerikanischer Islam-Konvertit um die großen internationalen Frachtschiffe am Horn von Afrika. Und ein Tanker den die Piraten gekapert haben scheint von besonderem Interesse für alle zu sein: die Sirius Star, ein Megatanker voller Flüssiggas. Allein die Ware an Bord ist viele Millionen Dollar wert, doch mit der explosiven Ladung ist das Schiff gleichzeitig auch eine Waffe, die von Terroristen missbraucht werden könnte.

Was haben wir da noch mal erlebt?

Über lange Strecken nutzt Leonard ein besonderes Stilmittel, indem er seine beiden Protagonisten Dara Barr und ihren Kameramann Xavier zurück blicken lassen. Die beiden sichten das Filmmaterial und erzählen sich gegenseitig, was da noch mal passiert war und wie man es als Film aufbereiten könnte. Ohne es richtig zu bemerken finden sich beide nicht mehr unter Piraten, sondern in einem Kopfgeldkrieg um einen gesuchten Terroristen mit brisanter Identität. Kann sie auch diesmal aus gefährlicher Lage entkommen und mit ihrer Dokumentation erneut Preise abräumen?

Doch auch wenn die Dialoge zwischen Dara und ihrem Kameramann nicht unbedingt zu fesseln wissen, machen sie das Dilemma der Dokumentarfilmerin besonders plastisch. Für ihre ersten Filme musste sie sich schon immer größerer Gefahr aussetzen. Will sie erfolgreich sein, so muss sie sich in unsicheres Terrain vorwagen und sie braucht dafür Verbündete. So werden ganz schnell aus Feinden Freunde, für die sie immer mehr Verständnis und Mitgefühl aufbringt. Ist dies aber das, was der amerikanische Kinogänger sehen will, Mitleid für das Elend der somalischen Fischer, denen internationale Trawler die Fischgründe leeren und die sich deshalb zur Piraterie gezwungen sehen? Sie muss aufpassen, nicht den Blick für die Wahrheit zu verlieren.

Leonard schafft genau diese Gratwanderung, indem er die Figur Dara Barr geschaffen hat. So kann er Missstände aufzeigen, ohne falsch Partei ergreifen zu müssen. Diese Idee muss man fast schon genial nennen. Hier zeigt sich die große Routine des Handwerkers Leonard und sein Mut, das Thema Piraterie mit einem so unbekannten, trostlosen Flecken Erde wie Dschibuti zu paaren, wird außergewöhnlich belohnt.

Gegen Dara Barr wirken die anderen Charaktere jedoch zu schablonenhaft und klischeebeladen. Gerade der vom Verfolgungswahn besessene Al-Qaida Terrorist ("Niemand darf meinen Namen kennen.") mutiert so zu einem billigen Abziehbildchen von einem Bösewicht. An dieser Stelle hat es der Autor versäumt, aus einem sehr guten einen Spitzenroman zu machen. Macht aber nur wenig, denn die Stärken überwiegen in diesem Thriller mit hochaktuellem Bezug.

Dschibuti

Elmore Leonard, Eichborn

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