Der Levantiner

  • Diogenes
  • Erschienen: Januar 1973
  • 2
  • London: Weidenfeld & Nicolson, 1972, Titel: 'The Levanter', Originalsprache
  • Zürich: Diogenes, 1973, Seiten: 350, Übersetzt: Tom Knoth
  • Zürich: Diogenes, 1975, Seiten: 359
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Thomas Kürten
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Nahostkonflikt

Der Roman ist über dreißig Jahre alt, das Thema hat an Aktualität nichts verloren. Der stetig schwelende Streit zwischen Palästinensern und Israelis hat Eric Ambler 1971 bewogen, einen Roman über Vorgänge in der Nahost-Region zu schreiben. Dass die Kämpfe in der Region inzwischen eine andere Dimension erreicht haben, als Ambler es sich damals hatte träumen lassen, tun dem Roman keinen Abbruch. Es ist erschreckend, wie real die Darstellung des Konflikts durch diesen Roman transportiert wird. Alles an "Der Levantiner" entstammt der Phantasie des Autors - und könnte dennoch genau so passiert sein.

Michael Howell führt das Firmenimperium, das einst sein Großvater mit einer Tabakplantage in Kleinasien aufgebaut hat. Doch von diesen Aktivitäten hat sich die Agence Howell längst trennen müssen. Unter britischem Protektorat liefen die Geschäfte noch relativ komplikationsfrei, aber seit Syrien und der Libanon unabhängig sind hat die politische Stabilität immens nachgelassen. Geschäftsguthaben wurden eingefroren und die Howells müssen sich mit den hohen politischen Kreisen gut stellen, damit sie sich in einigen Jahren doch noch mit Profit aus der Region verabschieden können.

Die Planung eines Anschlags

Das Buch setzt mit den Schilderungen der Ereignisse am 14. Mai ein: Der Journalist Lewis Prescott berichtet von seiner Ankunft in Libanon zu einer Konferenz, an dessen Rand er eine Modejournalistin aus Paris wieder trifft. Diese Frau betreibt die ideologische Öffentlichkeitsarbeit des Palästinensischen Aktionskommandos PAK. Sie bietet Lewis Prescott ein Interview mit dem Chef dieser Bewegung Salah Ghalesh an, das der Amerikaner annimmt und in dem der Terrorist die Beweggründe der PAK darlegt. Nur einen Tag später entdeckt Michael Howard, dass sein Batteriewerk von reaktionären Palästinensern unterwandert wurde und diese das Material zum Bau von Sprengzündern über seine Firma geordert haben. Howell wird auf dem Firmengelände überwältigt und zur Mitarbeit in der PAK gezwungen. Ein falsches Geständnis eines Bombenanschlags dient der PAK als Versicherung für die Kooperation Howells.

Howell muss nun einen Drahtseilakt vollführen, denn den geplanten Anschlag will er einerseits verhindern, andererseits spielt er Ghalesh den treuen Genossen vor, um weiter ins Vertrauen gezogen zu werden. Er unterstützt das PAK bei der weiteren Planung und sucht gleichzeitig Kontakt zum israelischen Geheimdienst. Dabei scheint er sich in einen Kampf gegen Windmühlen begeben zu haben, den die Dinge nehmen mit hoher Geschwindigkeit ihren Lauf.

Erzählperspektive meisterhaft

Ambler hat schon bessere Thriller geschrieben. Keine Frage, auch bei "Der Levantiner" gibt er sich ins Agentenmilieu. Mit Michael Howell präsentiert er jedoch ein Leichtgewicht, der nur aufgrund seiner guten Kenntnis von Land und Menschen bestehen kann. Erstaunlich bleibt, mit welcher Leichtgläubigkeit der Führer der PAK Vertrauen zu Howell aufbaut und ihn frühzeitig in Pläne einbezieht. Dies ist die Schwäche eines ansonsten guten Agentenromans.

Die Stärke liegt hingegen eindeutig in den gewählten Erzählperspektiven. Ambler wechselt kapitelweise zwischen Prescott und Howell. Seine Meisterklasse erreicht er jedoch in dem einen Kapitel, dass er von Malandra, der Frau an der Seite Howells, erzählen lässt und die den Charakter ihres Lebensgefährten entschlüsselt. Die unterschiedlichen Erzähler blicken zurück auf die Ereignisse, die sich zwischen jenem 14. Mai und dem 3. Juli zutrugen. Insofern ist von vorn herein klar, dass Howell den geplanten Anschlag überlebt hat und nun offenbar von Palästinensern, Israelis und auch von den Europäern auf ihn aus den verschiedensten Gründen eingehackt wird. Was die Spannung aufrecht erhält ist die Frage nach Details: Was genau ist geschehen? Eine Wertung der Taten Howells übernimmt Ambler dabei nicht. Howell sieht sich als Unschuldigen, Prescott gibt sich neutral und Malandra kann das eigenmächtige Handeln ihres Lebensgefährten nicht so ganz nachvollziehen, hätte anders agiert. Ob er nun aber in seinem Tun richtig oder falsch lag, lobenswert oder verwerflich, verbleibt im Auge des Lesers. "Der Levantiner" ist ein Klassiker, der an Aktualität nichts eingebüßt hat. Es gibt viele Agentenromane, die weitaus spannender sind, aber wohl keinen der so gut mit Perspektivwechseln spielt.

Der Levantiner

Eric Ambler, Diogenes

Der Levantiner

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