Das Grab im Moor

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2010
  • 3
  • München: Goldmann, 2010, Seiten: 343, Übersetzt: Marie-Luise Bezzenberger
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Jörg Kijanski
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonOkt 2010

CWA Gold Dagger Award 2010 – Kaufen!

Der 12-jährige Steven Lamb lebt zusammen mit seinem kleinen Bruder Davey bei seiner Mutter Lettie und Großmutter Gloria in äußerst bescheidenen Verhältnissen in dem kleinen Dorf Shipcott. Die Stimmung zuhause ist so ungemütlich wie das feucht-neblige Wetter im angrenzenden Hochmoor. Vor 19 Jahren verschwand Letties Bruder Billy und wurde bis heute nicht gefunden. Lediglich einen Turnschuh fand man später, ausgerechnet in dem Lieferwagen von Arnold Avery, der als Serienmörder ein Jahr später verurteilt wurde. Sechs Kinder hat er ermordet, drei weitere sind seither spurlos verschwunden. Doch Avery bestreitet etwas mit Billys Verschwinden zu tun zu haben. Da Billy das Lieblingskind von Gloria war, lässt diese ihre Verbitterung an Lettie aus, die sich wiederum in Schuldgefühlen und Selbstmitleid zergeht. Als Steven von seiner Großmutter eines Tages erfährt, dass sein Onkel wohl das Opfer eines Serienmörders wurde, der seine Leichen im Hochmoor vergraben hat, verändert sich Stevens Leben schlagartig.

Wenn doch nur klar wäre, was mit seinem Onkel geschehen ist, dann müsste doch ein normales Familienleben möglich sein, denkt Steven. So macht er sich in jeder freien Minute auf ins Hochmoor um nach Billys Leiche zu graben. Aber so sehr er in seiner Verzweiflung gräbt und gräbt, er kommt in der riesigen Fläche natürlich keinen Schritt voran. So zieht er über Avery Erkundigungen in der Bibliothek ein und erfährt, dass dieser in der Strafvollzugsanstalt Longmoor einsitzt. In seiner Verzweiflung schreibt er Avery einen Brief und bittet diesen ihm mitzuteilen, wo er Billy begraben hat. Da sich der Alltag im Gefängnis ebenso lange wie langweilig gestaltet, ist Avery hocherfreut, einen "Brieffreund" und damit etwas Zerstreuung gefunden zu haben. Diesen Kontakt gilt es natürlich weidlich auszukosten und in die Länge zu ziehen. Als Avery jedoch erkennt, dass der Absender ein kleiner Junge ist, wächst in ihm ein grausiger Plan, denn Steven entspricht genau seinem Typ…

Den Debütroman Das Grab im Moor von Belinda Bauer durfte sich die Krimi-Couch natürlich nicht entgehen lassen, gewann dieser doch gerade erst den mit £2,500 hoch dotierten CWA Gold Dagger 2010 für den besten Spannungsroman des Jahres.

Um es vorweg zu nehmen, das Buch ist vor allem etwas für Freunde der "leisen Töne". Oder, um es anders zu sagen, mehr Atmosphäre geht kaum.

Die Stimmung in Stevens Familie oder dem, was davon noch übrig ist, wirkt beklemmend. Schuldgefühle, Selbstmitleid, Frust, Armut und ein monotoner Alltag in einem tristen Dorf sorgen für eine äußerst angespannte häusliche Lage, bei der es oftmals wegen Kleinigkeiten gleich Prügel setzt. Selbst die Schule bietet für Steven keine wohltuende Abwechslung, da es dort ein Trio auf ihn abgesehen hat und ihm ständig zusetzt. Bleibt nur das gemeinsame Spielen mit seinem besten Freund Lewis, doch als Steven von seiner Großmutter eines Tages die wahre Geschichte über seinen Onkel Billy erfährt, der als damals elfjähriger Junge Opfer eines Serienmörders wurde, werden selbst Fußball und Legosteine plötzlich uninteressant. Die häusliche und schulische Situation ist packend beschrieben, wenngleich sie mit dem eigentlichen Fall natürlich kaum zu tun hat. Sie dient vielmehr als Legitimation, warum ein 12-jähriger Junge nahezu täglich in einer unwirtlichen Landschaft ungezählte Löcher in die Erde buddelt.

So zieht sich der Roman denn auch bis zur Hälfte des Buches ein wenig hin. Die private Situation von Steven wird haarklein beschrieben, gemischt mit seinen Versuchen mit Arnold Avery Kontakt aufzunehmen. Langsam aber stetig beginnt ein verzwicktes Katz-und-Maus-Spiel, welches erst richtig losgeht, als Avery unabsichtlich ein Foto von Steven erhält. Jetzt nimmt die Geschichte ein wenig Tempo auf und steuert auf ein nicht wirklich überraschendes Finale zu. Dabei gelingt es Belinda Bauer ihre beschauliche, atmosphärisch dichte Erzählweise konstant beizubehalten. Wer hier Action erwartet hat zum falschen Buch gegriffen. Nein, hier geht es "very british" zur Sache. Die feuchte Erde des Moors, das duftende Heidekraut, plötzlich aufkommende und undurchdringliche Nebelbänke, das sind die körperlich spürbaren und damit heimlichen "Helden" dieses ansonsten düsteren Romans.

Wem der glänzende Roman Nebelsturm von Johan Theorin gefallen hat, der kann gerne zugreifen, Freunde der viel zu früh verstorbenen englischen Autorin Andrea Badenoch sowieso. Das Grab im Moor ist eine wohltuende Abwechslung vom üblichen Mainstream mit einem ungewohnten Ausgangsszenario.

Krimi-Couch.de gratuliert zur Auszeichnung!

Das Grab im Moor

Belinda Bauer, Goldmann

Das Grab im Moor

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