Der Profi

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2008
  • 1
  • New York: Delacorte Press, 2007, Titel: 'The Cleaner', Seiten: 353, Originalsprache
  • München: Goldmann, 2008, Seiten: 415, Übersetzt: Edith Walter
Der Profi
Der Profi
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Michael Drewniok
80°1001

Krimi-Couch Rezension vonSep 2010

Schlagkräftiger Saubermann in schmutziger Intrige

Jonathan Quinn ist ein "Cleaner" im Agentenmilieu. Für seine Auftraggeber untersucht er geplante Treffpunkte, organisiert Überwachungen oder ´reinigt´ Tatorte von entlarvenden Indizien. Er ist nie neugierig und will nur das Notwendige über einen Job wissen, weshalb er sich länger gehalten hat als viele Kollegen. In letzter Zeit arbeitet Quinn exklusiv für das "Office", das – vielleicht – dem US-Geheimdienst angegliedert ist. Leiter Peter schickt ihn ins winterliche Colorado, wo Quinn den Tod von Robert Taggert untersuchen soll, der offenbar beim Brand seines Ferienhauses umkam.

Quinn hegt Zweifel, die sich verstärken, als er im Kofferraum von Taggerts Wagen die Leiche einer "Office"-Kurierfrau findet. Dennoch kehrt er auf Peters Wunsch nach Los Angeles zurück, um auf weitere Anweisungen zu warten. In seinem Haus wird Quinn schon in der folgenden Nacht vom Cleaner Gibson überfallen, der sich als Killer Geld dazuverdienen möchte: Auf Quinn wurde ein Kopfgeld ausgesetzt. Da Gibson seine Attacke nicht überlebt, bleibt Quinn ratlos zurück.

Kurz darauf werden die Agenten des "Office" systematisch ausgelöscht. Nur Peter bleibt verschont. Quinn flüchtet mit seinem ´Lehrling´ Nate nach Saigon. Dort lebt seine alte Freundin Orlando, der allein er noch vertraut. Ebenfalls auf seiner Seite ist anscheinend Cleaner Duke, der Quinn bittet, ihn bei einem Überwachungsauftrag in Berlin zu unterstützen. Quinn wittert eine Falle, sagt aber zu.

Noch in Vietnam ermittelt Quinn den serbischen Kriegsverbrecher, Psychopathen und Mietkiller Borko als möglichen Mann hinter den Anschlägen. Auf den trifft er in Berlin, wo er wie befürchtet in eine Falle läuft. Erneut kann Quinn entkommen, aber Orlando und Nate wurden offenbar von Borko gefangen, weshalb der einsame Cleaner sein beachtliches Fachwissen einsetzen muss, um sich und seine Gefährten zu retten …

Parallelwelt im Zwielicht

Niedergeschriebene Gesetze sollen Ordnung in den komplexen und komplizierten Alltag des zwischenmenschlichen Zusammenlebens bringen. Allerdings halten sich die Bösewichter dieser Welt nicht an diese Regeln, während die Gutmenschen, die sich gegen solche Spielverderber durchaus zur Wehr setzen dürfen, bei deren Verfolgung besagte Gesetze beachten müssen. Das ist natürlich schwierig und unfair, weshalb die Guten sich seit jeher Gedanken darüber machen, wie man – selbstverständlich nur zum im Dienst der gerechten Sache – diese lästigen Gesetze umgehen kann.

Die Lösung an sich ist einfach: Man gründet einen "Geheimdienst" und entzieht dessen Aktivitäten der Kontrolle der Justiz, so gut es geht. Unter diesem Gesetzmantel darf zwar eigentlich dennoch nicht getrickst, gefoltert oder gemordet werden, aber hier wandelt jeder Geheimdienst ein altehrwürdiges Sprichwort so ab: "Was du nicht weißt, macht dich nicht heiß". Solange man sowohl den eigentlichen Gegner (= Schurkenstaat, Mafia, Schmuggelring) als auch die Justiz, die Medien u. a. lästige Gutmenschen mit Foto-Handys in Schach hält, kann man schalten und walten, wie man will.

Verschwiegenheit und Heimlichtuerei gehen im Agentenmilieu deshalb nicht nur arbeitstechnisch nahtlos ineinander über. Wer beide Künste beherrscht und sich zudem keine Illusionen über die Loyalität seines Arbeitgebers macht, kann gut abkassieren. Ob Geheimdienste freiberufliche Agenten anheuern, so wie Söldner sich für Gefechtsaktionen werben lassen, entzieht sich meiner Kenntnis; es ist auch unwichtig: Brett Battles stellt die Möglichkeit so glaubwürdig dar, dass sie die von ihm ersonnene Geschichte trägt.

Wann bleibt die Zeit zum Spionieren?

Auch ohne einen ausgeprägten James-Bond-Faktor lebt der Agenten-Thriller durch die Faktoren Tarnen und Täuschen. Wenn man verfolgt, wie Jonathan Quinn sich rund um den Globus geheime Identitäten, Konten und Schlupfwinkel angelegt hat, fragt man sich, wie er die Zeit gefunden hat, sich das dafür notwendige Geld und Knowhow zu verschaffen. Nur um auf dem aktuellen Stand zu halten, was ihm im Fall der Fälle Schutz bieten soll, müsste er rund um die Uhr beschäftigt sein.

Aber der Faktor Logik ist paradoxerweise gerade im scheinbar so realistischen Agenten-Thriller nur vorgeblich dominant. Wichtiger als die Frage nach der Herkunft der im Bedarfsfall aus dem Hut gezauberten Waffen, Hightech-Instrumente oder falschen Pässe ist ihre bloße Existenz. ´Realismus´ wird lieber in die Beschreibung tatsächlich vorhandener Orte investiert; so bewegt sich Quinn durch ein Berlin, in dem Autor Battles penibel jede Straße so beschreibt, wie sie sich im Stadtplan finden lässt.

Die Weltgewandtheit des Helden spiegelt sich ebenso in kundigen Anmerkungen wie dieser wider, dass Taxis in Deutschland immer von der Firma Mercedes hergestellt werden. In Saigon trinkt Quinn Tiger-Bier, in Berlin ein Hefeweizen: Agenten sind Kosmopoliten, die ihre Wurzellosigkeit durch eine Kenntnis von Ländern und Leuten ausgleichen, welche Brett Battles als leidenschaftlicher Weltreisender in seine Romane einfließen lässt.

Der Mann ohne Eigenschaften

Einsamkeit macht unangreifbar. Diese ´Erkenntnis´ ist zu einem zentralen Klischee des Agenten-Thrillers geworden. Battles treibt es auf die Spitze: Selbst der Name seines Helden ist nicht echt. Ansonsten entspricht Quinn völlig dem Bild des einsamen Wolfes: Er lebt allein, hält die Augen stets weit offen und beim Essen eine feste Wand im Rücken, hat keine Hobbys und vermeidet Angewohnheiten, die ihn in einen fixen und damit verräterischen Lebenswandel verwickeln.

Wie ernst der Job des Agenten ist, kann Quinn nicht oft genug betonen. Um ihn dies verlautbaren zu lassen, führt Battles die Figur des Cleaner-Lehrlings Nate ein. Dieser ist jung und genretypisch dumm, weil allzu lebenslustig und unbeschwert. Nate sorgt für Fehler, die Quinn nie machen darf, weil es die Hauptfigur beschädigen würde, und stellt jene Fragen, die dem Leser ebenfalls im Kopf herumgehen. Obwohl Quinn seinen Lehrling betont rüde behandelt, ist völlig klar, dass hier ein enges Mentor-Schützling-Verhältnis mit Vater-Sohn-Kontext besteht.

Selbstverständlich ist Quinn ein Profi, der ungerührt Folteropfer entsorgt und Blutseen aufwischt, ohne dabei gegen Gerechtigkeit und Moral zu verstoßen. Quinn gibt sich betont desillusioniert, nennt sich selbst aber einen Patrioten und handelt entsprechend. Die Rolle des echten Finsterlings bleibt dem Klischee-Schlächter Borko vorbehalten, der als "Serbe" zumindest vom US-Durchschnittsleser mit dem "Araber", dem "Südamerikaner" oder dem "Nazi" in jenen Topf geworfen werden, in dem die Feinde der Vereinigten Staaten schmoren sollten.

Für einen emotional beherrschten Mann schwelgt Quinn zudem sehr ausführlich in Gefühlen. Fürs Herz (und mögliche weibliche Leser) baut Battles eine Lovestory ein, die natürlich unglaublich kompliziert ist und ihre beiden Protagonisten in unausgesprochener Liebe einander umkreisen lässt: Es soll ´knistern´ aber nicht lodern – noch nicht, denn "Der Profi" ist der Start einer ganzen Serie und eine gut gekühlte Orlando sicherlich noch haltbar für weitere Verwicklungen.

Der Weg ist das Ziel

Worum es in unserer Geschichte faktisch geht, ist sozusagen nebensächlich. Es ist viel spannender, Quinn & Co. über Ozeane und Kontinente flüchten zu sehen, wobei sie Strolche austricksen, vertrimmen und umlegen, während sie ständig raffinierten Todesfallen entkommen.

Die Rasanz der Handlung verbirgt nicht die Oberflächlichkeit eines Plots, der auf Quinn fokussiert ist, der nebenbei Steinchen für Steinchen das Mosaik einer Verschwörung zusammensetzt, während er hauptsächlich für die oben skizzierten Action-Elemente sorgt. Der Profi outet sich damit als handwerklich professionell zubereitetes aber simples Lesefutter, dessen schematische Machart manchmal ein wenig zu deutlich durchschimmert. Doch wieso sollte Battles sein Pulver schon in einem Roman verschießen, der eine Serie startet? Wenn für ihn alles gut läuft – und (bisher) zwei weitere Quinn-Abenteuer belegen, dass dem so ist –, kann der Autor ohne große Veränderungen seines Arbeitsprinzips noch manche Fortsetzung stricken.

Der Profi

Brett Battles, Goldmann

Der Profi

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