Berliner Aufklärung

  • Rotbuch
  • Erschienen: Januar 1994
  • 10
  • Hamburg: Rotbuch, 1994, Seiten: 156, Originalsprache
  • Hamburg: Rotbuch, 2000, Seiten: 156, Originalsprache
  • München: Goldmann, 2002, Seiten: 198, Originalsprache
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Jörg Kijanski
40°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Also sprach Zarathustra.

 

"Es war kein schöner Mord. Aber ein echter. Die Möglichkeit, dass sich Professor Doktor Rudolf Schreiner selbst in vierundfünfzig Teile zerlegt, in Gefrierbeutel verpackt und gleichmäßig auf die vierundfünfzig Postfächer des Philosophischen Instituts an der Universität Berlin verteilt hat, konnte ausgeschlossen werden. Auch ereigneten sich Unfälle dieser Art eher selten."

 

So beginnt Thea Dorns Roman Berliner Aufklärung, der vor rund zwanzig Jahren geschrieben wurde. "Kein schöner Mord. Aber ein echter." Tja, so kann es gehen, wenn die Philosophen ihre Hand im Spiel haben. Dabei wäre durchaus interessant zu erfahren, wie ein unechter Mord aussieht. Eines Morgens wird also in den Postfächern des Kollegiums die Leiche von Rudolf Schreiner gefunden. Er war ein treuer Anhänger von Nietzsche und damit nicht bei allen Kollegen beliebt, bei den Kolleginnen schon gar nicht. So gibt es denn auch mehrere Lehrkräfte die als mögliche Täter in Frage kommen, denn ein Selbstmord scheidet natürlich aus. Allen voran erscheint Petra Uhse, eine Vorreiterin der Feministischen Theorie, alles andere als tief betrübt über den makabren Abgang ihres Kollegen. Und selbst der ehemalige Wegbegleiter Schreiners, Maier-Abendroth, trauert auffällig verhalten bis gar nicht. Nur Rebecca Lux, die Direktorin des Instituts, scheint zumindest irritiert von dem Vorfall und bittet ihre ehemalige Studentin Anja Abakowitz um Hilfe. Diese hat jedoch mit ihrer "Philosophischen Praxis", in der es um die "diskursive Verflüssigung von Lebensformen" geht, mehr als genug zu tun. Genauer gesagt, weniger als gar nichts, denn ihre letzte Kundin läuft ihr gerade davon. Als Rebecca als dringend Tatverdächtige verhaftet wird, sieht sich Anja in der Pflicht ihr zu helfen. Doch kaum ist Rebecca auf Kaution wieder frei, schlägt der Mörder erneut zu. Unterdessen erfährt Anja von ihrem schrulligen und gleichgeschlechtig orientierten Mitbewohner Ulf, dass Schreiner ein oft gesehener Gast in einer bekannten homosexuellen Szene-Bar war …

Ob es heute noch "politisch korrekt" ist, wie die Autorin ihre homosexuellen Figuren in der Geschichte darstellt, sei dahingestellt. Vor rund zwanzig Jahren gab es derartige Befindlichkeiten womöglich noch nicht (vermutlich aber eben doch) und unabhängig davon kann man diese völlig überdrehte, mitunter grotesk anmutende Geschichte ohnehin nicht ernst nehmen. Da philosophieren die Damen und Herren des Instituts was das Zeug hält (als philosophischer Novize ist man geneigt mitunter von sinnentleerten Dialogen zu sprechen) und auch die Figuren sind derart schräg, dass sie (fast) schon wieder interessant sind.

 

"Ja, ganz gewiss denke ich, dass ein Denker mit seinem Leben für das einstehen muss, was er denkt. Andernfalls könnte und dürfte er es gar nicht denken."

 

So passt es ins Bild, dass die Protagonistin in den beiden Mordfällen auf eigene Faust ermittelt (warum auch immer?) und sich dabei Hektors Hilfe sicher sein kann. Nein, Hektor ist nicht der vergiftete Hund, sondern ihr  geliebter Mercedes. Mensch, is´ doch klar!

Für Fans von Autoren wie Heinrich Steinfest oder Jörg Juretzka mag (eine sehr, sehr gewagte These) dieser frühe Roman von Thea Dorn einen Versuch wert sein. Für Krimi-Puristen, die einen "klassischen Plot" erwarten, ist dieses dünne Büchlein mit nicht einmal 160 Seiten kaum zu empfehlen. Die Story ist schlicht zu dünn (ein wenig hölzern möchte man hinzufügen) und in philosophischer Hinsicht ist selbst der Titel eine Mogelpackung.

Berliner Aufklärung

Thea Dorn, Rotbuch

Berliner Aufklärung

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