Bad Fucking

  • Residenzverlag
  • Erschienen: Januar 2010
  • 11
  • St. Pölten; Salzburg: Residenzverlag, 2010, Seiten: 277, Originalsprache
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2011, Seiten: 277, Originalsprache
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Lars Schafft
86°1001

Krimi-Couch Rezension vonJun 2010

Sodom und Gomorrha in den Alpen

Was für ein Eyecatcher: "Bad Fucking" liest der erstaunte Leser auf diesem schmalen Büchlein und verstrickt sich in Windeseile in wirre Assoziationen über völlig in die Hose gegangen Geschlechtsverkehr. Ganz daneben liegt er damit nicht, sind anzügige Anspielungen doch ein Hauptgrund dafür, warum Kurt Palms Krimierstling für deftige Schenkelklopfer sorgt. Bad Fucking ist hier nun aber "nur" der Name eines kleinen, verschlafenen Dörfchens in Österreich, das sich sehr bald als Ösi-Sündenpfuhl erster Güte entpuppen soll.

Gut geht's den wenigen wie eigenartigen Bewohnern Bad Fuckings nämlich wirklich nicht mehr. Ein Bergrutsch hat das Dorf praktisch von der Außenwelt abgeschnitten, Internet und Mobilfunk gibt es nur auf einem Plateau des Bergs Hohes Hirn, ironischerweise "Internet-Plattform" genannt. Tja, und dann hat Bürgermeister Hintersteiner nicht nur sein eigenes, sondern auch das komplette Kapital der Gemeinde durch windige Geschäfte mit Hedge-Fonds aus der Karibik in den dortigen Sand gesetzt.

Die also eh schon arg ramponierte Idylle geht völlig flöten, als der alte Schallmoser, ein Eremit, tot in seiner Behausung (also Höhle) aufgefunden wird. Dass durch dessen Revier unbedingt eine Straße gebaut werden sollte - wogegen er sich störrisch wehrte -, macht Schallmosers Tod nun zu einem kleinen Politikum. Denn am Bau des geplanten Asylantenheims würde nicht nur der Bürgermeister profitieren...

Bad Fucking ist ein buntes Potpourri aus Skurrilitäten und Absurditäten, aus bösem Humor und mittelgroßen Zoten. Klar, dass Kurt Palm die Witzigkeit des Ortsnamen bis zum Ende durchexerziert ("Bam, Oida, jetzt bin ich gefickt! Und das ausgerechnet in Bad Fucking.") - aber dabei bleibt es nicht. Seine Figuren sind schrecklich verschroben, die Handlung teils purer slapstick. Zum Beispiel, wenn ausgerechnet der örtliche Zahnarzt (!) die Obduktion des Toten durchführen muss und sich dabei in erster Linie um die Sauberkeit seiner Schuhe sorgt. Oder wenn der lokale Gendarm sich als glühender Fan von Aalen darstellt, deren Rückkehr in den nahen Höllensee er so herbeisehnt, dies anhand eines christlichen Gemäldes in der Kirche voraussagt und vorsorglich regelmäßig Aalfutter in den See wirft - wenn sie schon kommen, sollen sie es doch wenigstens gut haben.

Auch sprachlich wie strukturell ist Bad Fucking eine Wonne. Kurt Palm verzichtet auf einen Protagonisten, springt stattdessen munter von einer Dorfbewohnerperspektive zur nächsten. Gut, dass er dabei auch für "Piefkes like me" stets verständlich bleibt ohne freilich seine ureigene Sprachfärbung über Bord zu werfen. Richtig amüsant wird es schließlich, wenn sich Palms Figuren selbst zu Wort melden und sich über den Plot beschweren. Wie die junge serbische Putzfrau, die darauf besteht nicht als Prostituierte angesehen zu werden, nur weil sie regelmäßig dem Zahnarzt gegen ein paar Euro ihre Dienste erweist. Oder eben jener selbst, der nun gar nicht als durchgeknallter Spekulant dem Leser erscheinen mag.

Bad Fucking ist eine herrlich schräge Groteske, mit der sich Kurt Palm in die Liga der Herren Heinrich Steinfest, Stefan Slupetzky und Wolf Haas katapultiert. Ein großes Vergnügen!

Bad Fucking

Kurt Palm, Residenzverlag

Bad Fucking

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