Schnelle Beute

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2010
  • 3
  • New York: St. Martin’s Minotaur, 2005, Titel: 'The Wheelman', Seiten: 223, Originalsprache, Bemerkung: VÖ als Duane Swierczynski
  • München: Heyne, 2010, Seiten: 366, Übersetzt: Frank Dabrock
Schnelle Beute
Schnelle Beute
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Jochen König
77°1001

Krimi-Couch Rezension vonApr 2010

Gas geben bis zum tödlichen Anschlag

Noch vor dem kultigen Blondes Gift (und weit vor der Beteiligung am völlig verkorksten Level 26) veröffentlichte Duane Swierczynski, alias Duane Louis, den Roman The Wheelman. Im Windschatten des Erfolgs von Blondes Gift findet das Buch unter dem nichtssagenden Titel Schnelle Beute seinen deutschsprachigen Platz in den Buchregalen. Aufgepeppt noch durch die Erzählung Rotschopf, eine Art dialoglastige Fortsetzung von Blondes Gift. Dienst am lesenden Kunden oder Angst, dass The Wheelman alleine nicht genügend Aufmerksamkeit auf sich zieht?
Eigentlich unberechtigt, denn das lange Wochenende, das der Fluchtfahrer Lennon erlebt, hat es in sich.

Alles beginnt mit einem Banküberfall, der mächtig aus dem Ruder läuft. Zwar gelingt, dank Lennons beherzten Reaktionen, die Flucht aus dem Bankgebäude. Mit 650 000 Dollar im Marschgepäck. Doch dann geht alles schief. Der Fluchtwagen wird gerammt, und Lennon soll samt seiner beiden Komplizen als Fundamentverstärkung in einer Baugrube enden. Da ihm diese Vorstellung nicht gefällt, rafft er alle seine Lebensgeister zusammen und entledigt sich der beiden rüden Fluchtwagen-Crasher.

Was dazu führt, dass nicht nur die Polizei, sondern auch die Überreste der italienischen Mafia und die schlagkräftigeren russischen Kollegen an Lennons Geschick und vor allem seinem Geld interessiert sind. So rennt und killt sich Patrick Selway Lennon durch Philadelphia, diverse Gangster, die Polizei und den skrupellosen Ex-Cop Saugherty auf den Fersen. Im Schlepptau die bezaubernde Katie, eine wehrhafte und loyale Begleiterin. Eine Zuwendung, die nicht hoch genug eingeschätzt werden kann – denn Verrat und Betrug lauern an jeder Ecke.

Wenn es um Tempo geht, kommt kaum jemand an Duane Louis vorbei. Noch mehr als Blondes Gift birst Schnelle Beute über vor hektischer Aktivität; der Roman ist ein einziges Hetzen und Gehetzt werden, mit einem Body Count, der sich gewaschen hat. Louis kennt vor allem ein Motto: keine Gefangenen! Seinen Protagonisten Lennon wirft er in eine wilde Geschichte, die ihm bereits über den Kopf wächst, als er seine Komplizen während des Überfalls aus misslicher Lage befreit und bei der anschließenden Flucht eine junge Mutter überfährt. Dass die im Umfeld des Bürgermeisters arbeitet, wird zwar erwähnt, spielt aber im weiteren Verlauf keine große Rolle. Ihre einzige Aufgabe scheint es zu sein, die Voraussetzung zu schaffen, dass der hartnäckige Ex-Cop Saugherty auf Lennon aufmerksam wird. Wenn er allerdings gewusst hätte, wie eng sich sein Schicksal mit dem des Fluchtfahrers Lennon verbindet, hätte Saugherty vielleicht weg geschaut. So ergeht es ihm ähnlich wie dem Gejagten: er fängt sich eine Kugel ein, wird verprügelt, ihm werden Knochen gebrochen und Feuer versengt ihn.

Dass all die Verletzungen und Torturen weder Saugherty noch Lennon aufhalten können, bevor das Finale naht, braucht kaum betont zu werden. Mit einer realistischen Darstellung von Schmerz, Verwundungen und Tod hat Louis nichts am Hut. Seine Protagonisten sind gefangen in einer Art Vorhölle, einem Art Labyrinth voller Türen, die durchschritten werden müssen, und hinter denen jeweils neue Schmerzen, Herausforderungen und meist üble Überraschungen warten. Dabei braucht es keine Mary Kates, jene Nanomaschinen, die in Blondes Gift für Verwirrung, Absurdität, Gewalt und explosives Sterben sorgten; sondern schlicht 650 000 Dollar und einige wenige Überreaktionen an falscher Stelle.

Schnelle Beute hetzt in atemberaubender Geschwindigkeit durch seine Handlung, als gäbe es kein Morgen mehr. Was für die ein oder andere Figur auch zutrifft.

Innehalten ist nicht. Und so bleiben Biographien und Beweggründe rudimentär; werden nur ausgearbeitet, wenn eine überraschende Pointe dabei rausspringt. Alles an Schnelle Beute ist adrenalingeschwängerte Aktion. Hier bewegt sich ein Arsenal von verwundbaren aber nahezu unzerstörbaren Haudegen durch ein dünnes Handlungsgerüst, genau jenem Verhalten verpflichtet, das der jeweilige Status verlangt. Hintergründe: bestenfalls rudimentär vorhanden. Pläne für die Zukunft: einem Versandhauskatalog für Ganoventräume entnommen. Stattdessen: gedopte Hamster, die in sich ständig steigernder Windeseile durch ihr Laufrad jagen, bis sie mit Bausch und Bogen rausfliegen. Es macht einen Höllenspaß, ihnen dabei zuzusehen.

Außerdem gibt es ein kurzes, aber prägnantes Wiedersehen mit "CI6"-Agenten Mike Kowalski, den wir in Blondes Gift erneut treffen werden. Seinen wirklich großen Auftritt hat er in der Bonus-Erzählung Rotschopf, die das Garn von Blondes Gift weiter spinnt. Und zeigt, das "alles für den hohlen Zahn" durchaus tödlich sein kann. Ulkig und pointiert. Das kann er. Nachhaltig Wirkendes erschaffen ist hingegen nicht unbedingt Duane Louis Stärke. Aber schneller Genuss ohne Reue hat schließlich auch seine Meriten.

Schnelle Beute

Duane Swierczynski, Heyne

Schnelle Beute

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