Die Stunde des Schakals

  • Jumbo
  • Erschienen: Januar 2010
  • 4
  • Hamburg: Jumbo, 2010, Seiten: 4, Übersetzt: Jürgen Uter
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2011, Seiten: 317, Originalsprache
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Wolfgang Franßen
95°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2010

12. September 1989

Wider das Vergessen. Welcher Autor, wenn nicht ein Deutscher kennt sich damit aus. Gerechtigkeit. Gibt es ein größeres Risiko für einen Schriftsteller diese einzufordern? Journalisten sind das gewöhnt. Sie steigern die Auflagen ihrer Zeitungen, ihrer Magazine dadurch. Autoren hingegen, Kriminalautoren zumal verstecken sich gerne hinter schwachen Fakten, um die Verfehlungen einer weit zurückliegenden Vergangenheit bloßzustellen. Sie mixen eine Melange aus möglichen Ereignissen und entreißen dem Gemenge in erster Linie die dem Genre innewohnende fingierte Spannung.

Bernhard Jaumann hat das beschauliche Montesecco verlassen und sich seiner zweiten Wahlheimat Namibia zugewandt, weil ihn das Schicksal Anton Lubowskis umtrieb.

 

Keine Lügen mehr, keine Geschichten! Nur die Wahrheit zählt, und die Wahrheit ist der Tod.

 

Mit diesen Worten beginnt der Roman. Wer Jaumanns Vorliebe für erste Sätze kennt und das "Notwendige Nachwort" am Ende des Romans zuvor gelesen hat, wird sich der Brisanz von Die Stunde des Schakals bewusst.

Geschichte

Anton Lubowski unterstützte als Weißer die SWAPO und rief dadurch in der Bevölkerung tiefe Animositäten, wie Bewunderung für seinen Einsatz als Rechtsanwalt beim Kampf um die Menschrechte und um die Befreiung von der Apartheid und dem Kolonialismus hervor. Er wurde am 12. September 1989 unter bis Heute nicht geklärten Umständen ermordet. Mitten im Übergang zu einem unabhängigen Namibia. Es gab nicht wenige, die hofften, mit diesem Fanal den Unabhängigkeitsprozess aufzuhalten.

Jaumann nennt Namen, Fakten und erzählt eine erfundene Geschichte um mutmaßliche und hingerichtete Schuldige, um einen todkranken Killer, um einen Richter, der sich ins Unrecht setzt, um der Gerechtigkeit willen, stattet einen Vorgesetzten mit einer SWAPO-Vergangenheit aus, die ihn ins Zwielicht rückt, und schildert ein Namibia, das wie viele afrikanische Länder nicht zur Ruhe kommt, dessen Wunden verschorfen, aber nicht verheilen.

Um deutschen Lesern einen Zugang zu den Ereignissen zu gewähren, bedient sich der Autor der Rückblende in den Dialogen, wie in den eingeschobenen Aussagen, was den Erzählfluss zuweilen hemmt, jedoch notwendig erscheint, um einen Weg durch das Dickicht der Verschleierung zu schlagen.

Es lässt sich alles überleben, selbst die Wahrheit

Die Last der Aufklärung liegt schwer auf den Schultern Clemencia Garises, die sich von ihren Kollegen dadurch unterscheidet, dass sie einen Teil ihrer Ausbildung in Finnland absolviert und sich den Blick von außen bewahrt hat. Was ihr bei der eigenen Familie nicht hilft. Damit die ein Auskommen hat, wohnt sie noch Zuhause und droht, in deren alltäglichem Chaos unterzugehen. Jaumann gewährt hier zwischen Handyrechnungen, Stromunterbrechungen, dubiosen Saurierfunden für Journalisten einen Einblick in den fintenreichen Überlebenskampf abseits der Villengegend. Hier zeigt sich eine von Jaumanns Stärken. Er besitzt Humor und setzt ihn gegen die harte politische Bewältigung der Vergangenheit.

So lautet der letzte Satz des Romans, den ein Junge an einem Grab fallen lässt, wie ein Aufschrei gegen das Wegschauen:

 

Und wer war Anton Lubowski?

 

Das Wegsehen ist Jaumanns Sache nicht.

In einer teils poetischen Sprache, einer der Wahrheit verpflichteten Geschichte, droht die Identität eines Landes vor allem daran zu zerbrechen, dass es sich nicht stellt. Mit Die Stunde des Schakals entreißt Jaumann Anton Lubowski für deutsche Leser dem Vergessen und führt ihnen ein Leben vor Augen, bei dem jemand aufgrund seiner Überzeugungen hat sterben müssen.

In der Hoffnung, dass die Wahrheit eines Tages ihren Weg zurück nach Namibia findet.

Die Stunde des Schakals

Bernhard Jaumann, Jumbo

Die Stunde des Schakals

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