Das letzte Kind

  • Bertelsmann
  • Erschienen: Januar 2010
  • 11
  • New York: Minotaur Books, 2009, Titel: 'The last child', Seiten: 373, Originalsprache
  • München: Bertelsmann, 2010, Seiten: 446, Übersetzt: Rainer Schmidt
Das letzte Kind
Das letzte Kind
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Andreas Kurth
95°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2010

Ein Held, nicht strahlend, aber sympathisch

Jugendlicher sucht verzweifelt entführte Schwester

Der 13-jährige Johnny Merrimon lebt in einer Zwickmühle. Vor einem Jahr ist seine Zwillingsschwester Alyssa verschwunden. Johnny hat sich nie einsamer gefühlt, die beiden waren Bilderbuch-Geschwister. Sein Dad ist vier Wochen nach der Entführung von Alyssa ebenfalls verschwunden – er konnte die Schuldzuweisungen seiner Frau nicht mehr ertragen. Johnnys Mutter, stets im Tabletten-, Drogen- oder Alkoholrausch, ist abhängig von ihrem neuen Liebhaber Ken, den Johnny zudem zutiefst verachtet. Der zuständige Ermittler der Polizei, Detective Clyde Hunt, will den Fall nicht schließen - seine eigene Familie ist an dieser Obsession bereits zerbrochen. Johnny ist ständig in der Stadt unterwegs, um seine Schwester zu finden. Notfalls schwänzt er dafür die Schule, gemeinsam mit seinem besten Freund und Klassenkameraden Jack Cross. Dieser schwankt allerdings ständig zwischen loyaler Unterstützung und der Gewissheit, dass Alyssa nie wieder auftauchen wird. Am Ende siegt die Freundschaft zu Johnny. Das ständige Schule-schwänzen bringt wiederum Katherine Merrimon in Schwierigkeiten, die ständig damit rechnen muss, dass ihr das noch verbliebene Kind vom Jugendamt weggenommen wird.

Zweite Entführung beschleunigt die Ermittlungen

Plötzlich wird ein zweites Mädchen entführt, und Johnny verstärkt seine Anstrengungen, um die beiden Mädchen zu finden. Dafür schlägt er alle Bitten seiner Mutter und alle Warnungen von Detective Hunt in den Wind. Auf der Umschlagseite des Buches wird Johnny als moderner Huckleberry Finn bezeichnet – eine durchaus treffende Charakterisierung. Er kennt alle möglichen Tricks und Schliche, um die Regeln der Erwachsenen zu umgehen. Dabei sind ihm die Konsequenzen keineswegs gleichgültig, eher nimmt er sie notgedrungen in Kauf. Und wie Huckleberry Finn verbringt er schon mal einen halben Tag mit seinem Freund Jack am Fluß. Und dort fällt für Johnny ein Beweis dafür vom Himmel, dass er seine Suche nicht aufgeben darf. Ein Radfahrer wird von einer Brücke gestoßen und landet fast von Johnnys Füßen – Jack ist bereits nach Hause gefahren. Die letzten Worte des Sterbenden sind, dass er das verschwundene Mädchen gefunden habe. Alyssa ist vielleicht noch am Leben, und dass der Radfahrer von der Brücke stürzte, war kein Unfall - davon ist Johnny überzeugt.

Positiver Held trotz Regelverletzungen

Die Geschichte nimmt weiter an Dynamik und Dramatik zu, bis es zu einem rasanten Finale kommt. Um dem Leser die Spannung zu bewahren, soll hier allerdings nicht mehr verraten werden. John Hart hat in diesem Buch einen außergewöhnlichen jugendlichen Ermittler kreiert. Nicht nur sehr jung, sondern schon gerissen, schlau, mutig und vor allem risikobereit. Für Johnny kommt die eigene Sicherheit erst an zweiter Stelle, wichtiger ist ihm seine Mission. Er will nicht nur seine geliebte Schwester finden, sondern dadurch auch die Familie retten. Denn er ist überzeugt, dass dann sein Vater zurück kommt und alles wieder Gut wird. Johnny Merrimon verletzt ständig irgendwelche Regeln und Gesetze, ist aber dennoch der absolut positive und sympathische Held der Geschichte. Seine Verzweiflung ist für den Leser nachvollziehbar und so akzeptiert man auch die Regelverletzungen.

Im Zweifel siegt die Loyalität

Clyde Hunt versteht Johnnys Haltung, und der Junge wächst ihm immer mehr ans Herz, während sein eigener Sohn sich immer weiter von ihm entfremdet. Rätselhaft bleibt lange Zeit, welche Rolle für Hunt dabei Katherine Merrimon spielt. Der Autor zeichnet den Detective als selbstkritischen nachdenklichen Polizisten, der seinen Job mitunter zu ernst nimmt – um den Preis, seien eigene Familie zu verlieren. Neben Johnny und Hunt spielen auch Jack Cross und John Yoakum, Hunts langjähriger Partner, tragende Rollen als die jeweiligen Freunde der Hauptprotagonisten. Beide haben stets mit zwiespältigen Gefühlen zu kämpfen – bei beiden siegt im Ernstfall die Loyalität. Hart sind hier differenzierte und eindrucksvolle Charaktere gelungen, die für den Fortgang der Handlung unterschiedliche, gleichwohl wichtige Rollen spielen. Eine weitere wichtigste Figur ist Levi Freemantle. Zunächst macht er auf den Leser einen merkwürdigen Eindruck, aber im Laufe der Geschichte wird seine wichtige Funktion deutlich.

Spannung lässt den Leser nicht mehr los

Mit seinem angenehmen Erzählstil baut John Hart nach und nach einen Spannungsbogen auf, der den Leser nicht mehr loslässt. Scheinbar driftet die Geschichte mehrmals einem Finale zu, nur um nach einer neuen Wendung noch spannender weiter zu gehen. Gemeinsam mit Johnny – und später auch Jack – geht es auf Entdeckungsreise. Insbesondere Johnny sieht und erfährt dabei viele Dinge, die einem Kind in seinem Alter nicht zugemutet werden sollten. Während der Suche nach seiner Schwester sammelt er Lebenserfahrung, wie mancher Erwachsene nicht im hohen Alter. Nebenbei schildert Hart die Verhältnisse in einer Kleinstadt des amerikanischen Südens, kleine Machtkämpfe in der Polizeihierarchie und nicht zuletzt einen Kriminalfall, der zuweilen Übelkeit hervorruft. Ein spannender Thriller, den zu lesen einfach Spaß macht.

Das letzte Kind

John Hart, Bertelsmann

Das letzte Kind

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