Level 26

  • Dutton
  • Erschienen: Januar 2009
  • 27
  • New York: Dutton, 2009, Titel: 'Level 26: Dark Origins', Seiten: 406
Level 26
Level 26
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Jochen König
18°1001

Krimi-Couch Rezension vonJan 2010

Läppisches Latexluder

Angeblich existiert eine "Skala des Bösen", in die amerikanische Strafverfolgungsbehörden ihre Delinquenten einteilen. Level 1 deckt Zufallstäter und ähnlich harmlose Zeitgenossen ab ("Ich habe die Waffe nur aufgehoben. Konnte doch nicht ahnen, dass sich zwei Schüsse lösen und meine Frau und ihren Liebhaber treffen!"), Mark David Chapman, der John Lennon tötete, rangiert auf Level Sieben, Ted Bundy bringt es schon auf Level 17 und John Wayne Gacy, der Clown mit den tödlichen Vorlieben, etabliert sich auf Level 22. Das 26. Level gehört einem einzigen Killer: "Sqweegel" - so genannt nach den Schmerzenschreien einer Mutter, die er vor den Augen ihres Kleinkindes zerlegte.

Als er dem Verteidigungsminister der USA verdächtig nahe kommt, wird der ausgebrannte, aber hochbegabte Profiler Steve Dark reaktiviert, um ihn dingfest zu machen, bzw. zu eliminieren. Hat er Sqweegel doch schon einmal um Haaresbreite erwischt. Worauf der Bösewicht Dark sämtlicher Blutsbande beraubte. Und auch diesmal pflegt Sqweegel sehr intimen Umgang mit dem Profiler und seinen Liebsten. Was der ihm natürlich äußerst übel nimmt, und umso verbissener auf Serienkillerjagd geht.

So sehen also Innovationen aus: Level 26 wird als "Digi-Novel" vermarktet, was heißt, alle paar Seiten kann man sich, zur Vervollständigung der Kapitel, extra angefertigte Filmchen via PC freischalten und anschauen. Muss man aber nicht. Auch Klärchen Klotzkopf wird auf einer stromlosen Insel im Südpazifik mit dem geschriebenen Wort alleine zurecht kommen.

Level 26 ist eine Kreation von Anthony E. Zuiker – der sich schriftstellerisch von Duane Swierczynski, (besser bekannt unter dem Nachnamen "Louis") unter die Arme greifen ließ. Zuiker, vielfach gelobt als Schöpfer des CSI-Imperiums, ließ es sich nicht nehmen, die kleinen Filmchen zum Roman selbst zu inszenieren. Was die Frage aufwirft, ob es nicht zwei Zuikers gibt, denn CSI-Qualität erlangen die lausigen Einspielungen zu keinem Zeitpunkt. Doch der Reihe nach...

So ein Sqweegel hat es nicht leicht. Muss er doch beständig, in einen engen Latexanzug gezwängt, böse Taten begehen, damit er sich auf Level 26 hält. Hier hat sich endgültig stupideste Computerspielmentalität im Literarischen manifestiert. Stellt sich bloß die Frage, wenn ein Sqweegel das Maß aller Boshaftigkeit abgibt, auf welchem Level sich dann wohl Adolf Hitler, Josef Stalin oder Dschingis Khan bewegen. Aber der Sqweegel ist laut Kamera wesentlich flexibler als die genannten Probanden: er kann sich mit dem Fuß am Ohr kratzen, Orgel über Kopf spielen, Plastikpuppen mit Geburtszangen quälen, Latexstrampler für Babies anfertigen und Salzlabyrinthe für Schnecken bauen.

Warum er das alles macht? Um der sündigen Welt einen Spiegel vorzuhalten wird gemutmaßt. Nichts genaues weiß man, bleibt der Sqweegel doch die blasseste und albernste Figur, die man sich als Serienkiller nur vorstellen kann. Er hat das Geld, er hat das Know How, um sich die Welt untertan zu machen und will doch nur auf seltsame Art eine Familie gründen.

Sein Gegenspieler Steve Dark ist nicht viel besser. Als ehemaliger Angehöriger einer obskuren Spezialeinheit namens "Special Circs" frönte er dem Alkohol, nachdem Sqweegel seine komplette Familie – inklusive Baby im Ofen – abschlachtete. Dank der Liebe einer aufrechten Frau gelang es dieser profillosen Folie eines Profilers wieder Fuß zu fassen, bevor die Pflicht ruft.

Natürlich wissen wir alle, dass er trotz Widerstrebens diesem Ruf folgen wird, genauso wie es keine Überraschung ist, dass Sqweegel ihm näher ist, als ihm lieb sein kann.

Dankbar nimmt der Freund debiler Dramaturgie zur Kenntnis, dass sich die liebende und geliebte Profiler-Frau selbst angesichts drohenden Ungemachs selten dämlich benimmt. Als Entschuldigung mag ihre Schwangerschaft gelten, während der die Hormone ja verrückt spielen, wie man landläufig weiß. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass ein penetranter, elektronisch bewanderter Stalker tatsächlich von Gott gesandt ist - immerhin schätzt er "Personal Jesus" von Depeche Mode!

Machen wir Schluss mit diesem Stoff des Schreckens: Level 26 ist das dusseligste, unmotiviert Gewalttaten aneinanderreihende Buch, das einem nur unterkommen kann.

Dazu noch verlogen und schlecht zubereitet. Während der Roman sich genüsslich im Gemetzel suhlt, sind die Filmeinsprengsel von geradezu atemberaubender, verklemmter Harmlosigkeit. Da wird schauspielerisch chargiert und angedeutet, als gäbe es tatsächlich etwas zu sehen. Doch wir erfahren lediglich, dass der arme Sqweegel die Welt in grobkörnigem Schwarzweiß wahrnimmt, sich verrenken kann wie ein indischer Schlangentänzer und wild mit Gerätschaften herumfuchtelt, als existierten keine Ventilatoren. Ansonsten bleibt nur das große Gähnen.

Während der Roman auf schlichte Weise spannungsfördernde Muster altbekannter Art motivationslos aneinenderklebt und halbwegs lesbar so – mit ausgeschaltetem Verstand und zugedrücktem Auge – für oberflächlichste Spannung sorgt, sind die Videosquenzen Paradebeispiele filmischen Unvermögens.

Dan Buran in der Rolle des Steve Dark sieht aus wie ein Hotdog-Verkäufer, mit Drogenverschlag in seiner mobilen Würstchenbude, Freundin Sibby darf ihren drallen Körper äußerst ungrazil am Strand verrenken. Über fünf Minuten Urlaubsvideo der ganz schlechten Art. Zwar hat das Schnipselpaket mit Michael Ironside einen guten Schauspieler aufzuweisen, doch lässt sein aktuelles Aussehen und Auftreten den Betrachter erschreckt zurück. Vielleicht braucht er das Geld – wofür auch immer...

Eine wirkliche Innovation hat Level 26 - Dark Origins aber doch zu bieten: dass Staatsbedienstete, die ihre Aufgaben nur ungenügend erfüllt haben, bzw. zufällig als Sündenböcke herhalten müssen, einfach eliminiert werden. "Dark Arts Unit" heißt die verantwortliche Abteilung für derartige Tötungsaufträge. Große Frage: stand das im Arbeitsvertrag? Immerhin besitzt diese radikale Beklopptheit wenigstens einen Hauch jenes gesellschaftskritischen Zynismus, der Duane Louis Blondes Gift noch zur Gänze auszeichnete. Hier verweist es nur allzu offensichtlich auf das, was Level 26 ist: Trash as Trash can. Unter diesem Gesichtspunkt kann man zur ausgewiesenen Gradzahl noch mal runde 50 Grad addieren.

Level 26

Anthony Zuiker, Dutton

Level 26

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