In Hermanns Schatten

  • Pendragon
  • Erschienen: Januar 2009
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  • Bielefeld: Pendragon, 2009, Seiten: 256, Originalsprache
  • Hillesheim: KBV, 2011, Seiten: 191, Originalsprache
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Wolfgang Franßen
72°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2009

Die Spreu vom Weizen

Eine Heerschar Regionalkrimis findet auf dem deutschen Büchermarkt regelmäßig ihre Leser, die sich darüber freuen, ihre Stadt, ihr Dorf wiederzuerkennen. Sandra Lüpkes jedoch tappt in "Hermanns Schatten" nicht in die Falle, den Pfad der regionalen Kurzkrimis zu betreten. Zwar beschwört sie im Vorwort ihre neue Heimat NRW, bei der es sich um Münster in Westfalen handelt, doch spielt sie mit den dreizehn Orten von Detmold bis Monschau und Münster so amüsant, dass viele Facetten krimineller Kurzweil durchscheinen.

Sammlungen von Short Stories küren zumeist Lieblingsgeschichten. Wer kennt das nicht? Er hält einen Gedichtband in Händen und muss abschließend feststellen, dass ihm das eine oder andere Gedicht besonders gut gefallen hat, andere dagegen schwächer ausfallen. Selbst bei Goethe berufen sich Literaturpäpste darauf, dass er nur eine Handvoll herausragender Gedichte geschrieben hat.

Eine Erzählung wie "Blitzeis", die auf wenigen Seiten das Vermögen der Autorin unterstreicht, mit zwei, drei Sätzen ganze Leben aufzureißen, einen Plot so zu stricken, dass man die Abgründe eines Verbrechens erahnen kann, ohne alle Verästelungen vorgekaut zu bekommen, hebt sich sicher über die solide Erzählweise in "Irgendwo in Immenhausen" oder in der Titelgeschichte "In Hermanns Schatten" ab.

Die Irritationen eines One Night Stands in "Einer geht noch rein" hingegen, bei der sich der eine Partner dem Karussell der Liebe nahe fühlen will, während der andere tatsächlich Karussell fährt, unterstreichen das Vermögen der Autorin, Pointen zu setzen.

Wobei im Vergleich eines auffällt: Im besten Sinne des Wortes erzählt Sandra Lüpkes Geschichten. Man hört ihr zu, man liest sie weniger. Sie hält keinen literarischen Abstand, die Sprache sucht den direkten Weg, vermittelt das Gefühl, die Autorin sei selbst dabei gewesen und berichte nun davon. Dass es gelegentlich zu umgangssprachlicher Nähe wie bei "Kumpel", "Klugscheißer" oder dass man sich "auskannte wie in seiner Westentasche" kommt, verwischt den Eindruck nicht, dass Lüpkes mit den entscheidenden Momenten im Leben ihrer Helden spielt.

Augenzwinkern

Trotz allem bleiben von Hermanns Schatten Geschichten, die man sich gerne hat erzählen lassen, die nicht mit bitterem Ernst vorgetragen werden und bei denen ein Mörder sich schon mal wie ein König auf einem Blumenwagen selbst richtet.

Die Nordrhein-Westfalen werden sich deshalb nicht gegen den weiteren Zuzug von Autorinnen aus Niedersachsen wehren. Sie werden Lüpkes wohlwollend dabei beobachten, wie sie durchs Land zieht und Geschichten und Sätze sammelt, die sie im Vorbeigehen aufschnappt, um ihren Lesern davon zu erzählen.

In Hermanns Schatten

Sandra Lüpkes, Pendragon

In Hermanns Schatten

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