Unheilig

  • Blanvalet
  • Erschienen: Januar 2009
  • 1
  • London: Transworld, 2008, Titel: 'The First Apostle', Originalsprache, Bemerkung: eBook
  • München: Blanvalet, 2009, Titel: 'Unheilig', Seiten: 416, Übersetzt: Ralph Sander
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Michael Drewniok
50°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2009

Polizist & Historikerin gegen Kirche & Mafia

Käme die Wahrheit über den Ursprung des Christentums ans Tageslicht, wäre die Macht der katholischen Kirche gebrochen; kein Wunder, dass die Päpste schon früh dafür sorgten, dass dieses Wissen geheim bleibt. Sollte doch etwas durchsickern, wird die Apostolische Penitenziara des Vatikans – früher bekannt als "Inquisition" – aktiv, der heuer Kardinal Vertutti vorsteht. Ebenfalls im Boot: die Cosa Nostra, vulgo "Mafia" genannt, die seit dem 19. Jahrhundert für den Vatikan die Drecksarbeit erledigt. "Capo" Gregori Mandino teilt dem erschrockenen Vertutti mit, dass die Engländerin Jackie Hampton in dem uralten Haus, das sie mit ihrem Ehemann Mark in der Region Latium bewohnt, eine bisher unbekannte Spur zum besagten Geheimnis aufgedeckt hat. Als Mandino seine Schergen in Gang setzt, um dies zu überprüfen, kommt Jackie dabei um.

Der gebrochene Mark fliegt in Begleitung seines besten Freundes nach Italien. Detektive Sergeant Christopher Bronson untersucht den Tatort, an dem Mandinos Männer einen Unfall inszenierten, was der Polizist aus Kent bald durchschaut. Bronson stößt dabei nicht nur auf jene Spur, die Jackie den Tod brachte, sondern auch auf weitere Informationen. Mit Hampton reist Bronson nach London, wo Angela Lewis, Bronsons Ex-Frau, als Historikerin im Britischen Museum arbeitet. Pechvogel Mark wird von Mandino, der den Freunden gefolgt ist, gefoltert, verhört und umgebracht. Die Indizien werden so manipuliert, dass sie auf Bronson als Mörder hindeuten.

Dieser reagiert mit einer Flucht nach vorn bzw. nach Europa. In Begleitung von Angela will er das Geheimnis lüften und die Verfolger demaskieren. Während die beiden mysteriösen Hinweisen und uralten Rätseln folgen, ist ihnen ein zunehmend zorniger Mandino härter auf den Fersen, als das Paar vermutet …

Düstere Spielchen nur teilweise Erleuchteter

Dan Brown … zwei Worte und ein Name, der inzwischen für eine moderne Erfolgsstory sowie Auslöser einer literarischen Katastrophe steht. Brown hat den ´Vatikan-Thriller´ zwar nicht erfunden, ihn aber definitiv zu seinem Genre gemacht. Das Prinzip ist simpel: Die katholische Kirche, eine 2000 Jahre alte Institution mit einer an Schrecken und Geheimnissen reichen Vergangenheit, einer für Verschwörungstheorien idealen Verwaltungsstruktur sowie einem von zahllosen Legenden umwobenen Hauptquartier (dem Vatikan), investiert einen Gutteil ihrer (in diesen Thrillern stets beträchtlichen) Macht in die Verschleierung historischer Tatsachen, die ihrem Ruf unbekömmlich wären und, was wichtiger ist, an ihren angemaßten Privilegien rühren würden. Beliebt sind auch seit Jahrhunderten geführte Geheimkriege mit finsteren Organisationen, die tückische und höchst komplizierte Pläne verfolgen, welche in Richtung Weltherrschaft gehen. Wer als Autor gänzlich auf Nummer Sicher gehen möchte, kombiniert beide Konzepte.

"James Becker" – der sich nicht grundlos hinter einem Pseudonym verbirgt – ist kein Freund komplexer Plots oder allzu detailreich ausgemalter Hintergründe. Das große ´Geheimnis´ drängt sich dem einigermaßen historisch beschlagene Leser schon nach dem Epilog auf, der im 1. Nachchristlichen Jahrhundert in der römischen Provinz Palästina spielt. Allen Ernstes scheint Becker der Meinung zu sein, er könne den Korken auf der Rätsel-Flasche halten, indem er die Namen der beiden Männer unterschlägt, die angeblich im Auftrag des römischen Kaisers Nero den Startschuss für den Siegeszug des Christentums gaben.

Generell setzt Becker ein niedriges Erkenntnis-Niveau voraus. Auch seine Helden tappen endlos dort im Dunkeln, wo sie beim besten Willen wenigstens theoretisch der Lösung nahekommen müssten. Doch es reicht gerade dazu, den auch nicht mit Intelligenz und Findigkeit geschlagenen Bösewichten einen Schritt voraus zu bleiben. Es ist sowieso egal, was diese einfädeln, denn Chris Bronson rekonstruiert stets haargenau, was seine Gegner wieso getan haben. Anschließend fällt eine Weile Finsternis über sein Hirn, denn die Schurken müssen aufholen, damit sie ´überraschend´ auftauchen, auf unsere Helden schießen oder sie anderweitig bedrohen können: So funktioniert Spannung à la James Becker: als Kopf-an-Kopf-Rätsel-Rallye!

Schema F – mit freundlicher Unterstützung von König Klischee

Was ist von einem Rätsel zu halten, das von einem Polizisten, einem Vermögensberater und einer Expertin für antike Keramik ohne größere Probleme gelöst werden kann? Becker postuliert zwar diverse Sackgassen und Missverständnisse, wobei er jedoch nicht verbergen kann, wie simpel er sein Mysterium konstruiert ist. Größe zählt manchmal doch: Dan Brown ist auch deshalb so erfolgreich, weil er historische Fakten im ganz großen Stil mit Theorien und Legenden verquirlt. Becker fällt vergleichsweise wenig ein. Nero als verrückter Wüstling, die bockigen Katharer, das Labyrinth der vatikanischen Geheimarchive: Es passt zusammen, macht aber nicht viel her.

Wie so oft im Thriller-Genre soll wilder Aktionismus Spannung vortäuschen. Gut und Böse sausen durch Europa und haken dabei hektisch touristische und historische Highlights ab. Mit dem Laptop auf den Knien werden während der Fahrt kapitale Mysterien entschlüsselt, während am Horizont pistolenfuchtelnd die mit der Kirche verbandelte Mafia naht. Becker zieht den Leser nicht in seinen Bann, er speist ihn mit hölzern abgewickelten Spannungsroutinen ab.

Munkelmänner & Schlaufrauen

Dem entsprechen die saft- und kraftlosen Figuren. Zwar bemüht sich Becker, seinem (als Serienhelden geplanten) Chris Bronson ein Profil zu verleihen. Faktisch setzt er nur Klischee auf Klischee. Also ist unser Held ein nonkonformistischer Idealist mit Universitäts- und Militärausbildung, was ihm ermöglicht, seinen Gegnern nicht nur intellektuell, sondern auch im Kampf das Fell zu gerben. Privat dichtet Becker Bronson gleich zwei unglückliche Liebesgeschichten an, was ihn auch nicht interessanter wirken lässt; von der erwarteten weil eigentlich obligatorischen Liebesszene nimmt Becker glücklicherweise Abstand, obwohl dem Leser dadurch womöglich ein Höhepunkt der unfreiwilligen Komik entgeht.

Während es die Liebe seines Lebens nur bis auf Seite 19 schafft, darf die Ersatzfrau glänzen. Erstaunlich rasch versöhnt sich die beleidigte Angela mit ihrem Chris, nachdem die Konkurrentin ins Gras gebissen hat, und wirft sich zum Ex-Gatten in den Wagen, um sich auf eine europaweite Schnitzeljagd zu begeben, während Polizei, Kirche und Mafia sich auf ihre Fährte setzen – fürwahr eine logische Entscheidung!

Oder kannte Angela ihre Gegner bereits? Obwohl sie in der Übermacht sind und ihnen alle möglichen (und auch unmöglichen) Überwachungstechniken zur Verfügung stehen, versauen diese Schurken noch jede Teufelei irgendwie. Gregori Mandino soll einen Mafiosi des 21. Jahrhunderts darstellen – gebildet, gut gekleidet, äußerlich ins legale Gefüge seines Landes integriert, innerlich jedoch ein skrupelloser Killer sowie Botschafter eines kriminellen Imperiums, das Becker als staatsähnliches "Reich des Bösen" charakterisiert.

Zwischen der Mafia und der Kirche sieht Becker jene Parallelen, die auch Volkes Stimme gern voraussetzt. Wie dieses Bündnis gestaltet ist, legt Mandino Kardinal Vertutti und den Lesern in einer Art Referat dar. Nur eines sei verraten: Raffiniert oder überzeugend klingt anders! Folgerichtig bietet auch besagter Kardinal eine flache Figur. Er ist ein machtlüsterner, scheinheiliger Kirchenfürst, der für die Konservierung des status quo mit einem frommen Spruch auf den Lippen über Leichen zu gehen bereit ist.

Der Auflösung wird selbstverständlich eine finale Überraschung als Coda angeklebt. Die ist wahrlich nicht von dieser Welt und impliziert Sensationen, die Becker in der Fortsetzung seiner Reihe weder umsetzen kann noch wird, weil er sich selbst den Ast absägen würde, auf dem er sitzt und schreibt. Andererseits merkt er das vielleicht gar nicht, und man sollte ihn machen lassen, womit sich das Problem weiterer Munkel-Thriller, die unsere Welt nicht braucht, allein erledigt.

Unheilig

James Becker, Blanvalet

Unheilig

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