Pforte des Todes

  • Pendragon
  • Erschienen: Januar 2009
  • 1
  • Bielefeld: Pendragon, 2009, Seiten: 416, Originalsprache
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Jochen König
83°1001

Krimi-Couch Rezension vonNov 2009

Durch's Feuer ins Licht - ein überraschendes Comeback

Die kärglichen Überreste einer verbrannten Leiche am Kaiser Wilhelm-Denkmal. Hauptkommissar Reineking und seine Mitarbeiter stehen vor einem Rätsel. Wer war der Tote, wie genau ist er verbrannt? Welche Bedeutung hat das Medaillon, das in der Asche des Toten gefunden wurde?

Doch weder die Spurensicherung des LKA, noch mühsam ermittelte Zeugen bringen Licht ins Geschehen. Erst ein rühriger Journalist und seine Assistentin kommen der Wahrheit so nahe, dass es lebensgefährlich wird.

Denn hinter dem rätselhaften Tod im idyllischen Ost-Westfalen sind mächtige und dunkle Kräfte am Werk. Eine Geschichte, die bis zu den Anfängen des Templer-Ordens reicht, abtrünnige Priester und ein kirchlicher Geheimdienst führen Reineking und seine Kollegen in eine düstere Welt, in der das ewige Leben herausgefordert werden soll; in der religiöser Wahn den Antrieb bietet, die Natur und ihre Gesetze herauszufordern. Der Templer-Orden und altägyptischer Götterglaube geben sich ein Stelldichein, dass für den einen Tod, für den anderen ewiges Leben bedeuten soll.

Willi Voss ist zurück. Siebzehn Jahre nach seinem letzten Holger Fleestedt-Roman "Bluthunde" legt er mit "Pforte des Todes" einen lang erwarteten neuen Roman vor. Der es in sich hat und mit 416 Seiten erstaunlich füllig geraten ist; war Voss früher doch eher ein Meister der ganz knappen Form. Zumindest in seinen Polizei-/Privatdetektivromanen um den Hamburger (Ex-)Kommissar Fleestedt.

Doch "Pforte des Todes" ist kein reiner Polizeiroman. Obwohl dieser Part breiten Raum einnimmt wird er um eine mystische Komponente erweitert. Pater Jakob, ein abtrünniger Priester und aktueller Guru mit treuer Gefolgschaft, und Verrätern im Gepäck, möchte mittels eines alten Ritus, der auf die ägyptische Mythologie UND den Templerorden verweist, die Grenze zwischen Leben und Tod durchbrechen. Dass er dabei besonders von seinen ehemaligen Arbeitgebern misstrauisch beäugt wird, versteht sich von selbst. Mit der ersten Leiche beginnt dann auch alles aus dem Ruder zu laufen.

Doch während sich Reineking und seine Kollegen mit der Ermittlung der Brandursache schwer tun, kommen sie in allen anderen Bereichen schnell zu ersten Ergebnissen. Und so gerät Jakob und die seltsame, gewalttätige Ermittlungsbrigade der katholischen Kirche immer mehr in den Blickpunkt der Polizei und der begleitenden Journaille. Was für den ein oder anderen zu bösen Konsequenzen führt.

Man darf sich nicht täuschen lassen vom Mystery-Teil des Buches. Voss geht es nicht um die Aufdeckung einer weltumspannenden Verschwörung á la Dan Brown. Sein Roman spielt nicht umsonst in der westfälischen Provinz. Seine Figuren sind keine überragenden Wissenschaftler (na ja, vielleicht mit einer Ausnahme), keine überlebensgroßen Assassinen, die unlautere Ziele verfolgen.  Bei Voss geht es um kleinliche und allzu menschliche Beweggründe wie Machtverlust, Neid, Bewahrung des Status Quo und schlichte, alltägliche Gewalttätigkeit. Lediglich der seltsame Pater Jakob sticht aus diesem Konglomerat materialistisch orientierter Zeitgenossen hervor: er glaubt an seine Sache, an seine Fähigkeiten. Kein Guru aus Berechnung, sondern aus reiner Obsession. Willi Voss lässt offen, ob diese mythenumrankte Zelebrierung eines Traums, tatsächlich eine Lebens-Alternative darstellen kann.

Denn das Hauptthema der Pforte des Todes ist die Ungewissheit. Das schummerige Gefühl, nicht mehr zu wissen, was wahr ist; sogar nicht einmal Klarheit über bereits vergangene Geschehnisse zu besitzen.

Diese Unsicherheit hat auch Reineking und seine Kollegen im Griff. Sie können Ursache und Wirkung nicht mehr dezidiert benennen, und so schwimmen die Rationalisten im Trüben, machen Fehler, übersehen Wesentliches, werden aber auch ausgebremst durch eine latente Bedrohung: Freund und Feind sind nicht mehr auseinander zu halten.

Voss schildert das nicht plakativ,  er zeigt frustrierende Polizeiarbeit, menschliche Limitationen, Kommunikationslöcher, Reduktionen überall: der Horizont wird nicht mehr erweitert, sondern soll eingeschränkt werden. Die Geschichte(n) dazu liegt in der Hand von Menschen, die gerne im Schatten agieren. Doch auch die begehen Fehler, und so können Reineking und seine Mitarbeiter am Ende einige der gesponnenen Fäden entwirren. Beileibe nicht alles wird aufgeklärt, auch hier bleibt Voss ganz realistisch; anderes bleibt der Fantasie des Lesers überlassen. Vor allem das Ende bietet eine überraschende Volte: Fiebertraum eines enttäuschten Liebenden, die Einkehr des Magischen ins profane Leben oder einfach nicht tief genug geschnitten? Der Leser darf wählen und Willi Voss zum eigenwilligen und gelungenen Comeback gratulieren.

Pforte des Todes

Willi Voss, Pendragon

Pforte des Todes

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