Schwarze Küsse

  • Kein & Aber
  • Erschienen: Januar 2009
  • 1
  • Madrid: Lengua de Trapo, 2008, Titel: 'El pecado de Mama Bayou', Seiten: 220, Originalsprache
  • Zürich: Kein & Aber, 2009, Seiten: 207, Übersetzt: Verena Kilchling
Schwarze Küsse
Schwarze Küsse
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Lars Schafft
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2009

Sex, Tequila, Drugs and Mariachis

Mexiko-City: Frau weg, Job weg, Vater weg, aber ein prall gefülltes Bankkonto. Man kann nun wirklich nicht behaupten, dass es dem Ex-Polizisten Gil Baleares sonderlich gut ginge, Kohle hin oder her. Die hat er nämlich zurückgelegt, um seinen alten Herrn aus der Hand hemmungsloser Entführer freizukaufen. Freilich: Zu einer Übergabe ist es nie gekommen. Und so fristet Baleares ein eher tristes Dasein in seiner Bude im Moloch Mexiko-City. Bis erst seine ehemalige Geliebte Teresa Sábato mit einem kleinen, schreienden Etwas vor der Tür steht, welches sein Sohn sein soll, und Kumpel Wintilo von der "Abteilung für Spezialaufgaben" ihn überredet, wieder als Bulle durch den Untergrund der Riesenstadt zu streifen.

Dort treibt nämlich ein Serienmörder im Transvestiten-Milieu sein Unwesen, dessen Opfer mit Kussspuren aus schwarzem Lippenstift markiert sind. Baleares´ Gebiet. Doch mit der Arbeit bei der Kripo hat er abgeschlossen. Seinen Arsch hinzuhalten, um den mordverdächtigen Sohn eines Richters vor dem Zugriff des Gesetzes zu schützen? Dazu kann ihn nur eines bewegen: die Suche nach seinem Vater. Und bei der bietet man ihm Unterstützung an.

In Drogenhöllen, billigen Absteigen und ehrbaren Cantinas, zwischen Sex, Drugs, Tequila, Transvestiten und Mariachis stellt sich bald die Frage: Geht es wirklich nur darum, den Mörder zu fassen? Oder ist Baleares zum Spielball der Mächtigen und Korrupten geworden, die auch ihn nicht vor übelster Gewalt selbst gegenüber Geistlichen zurückweichen lassen?

Joaquín Guerrero Casasola ist mit seinem zweiten Roman ein beeindruckender Roman in bester Hardboiled-Tradition gelungen. Schwarze Küsse hat eine regelrechte Fahne, soviel wie Baleares und Wintilo kippen. Er ist regelrecht schmutzig, so wie darin Nasenbeine zertrümmert und Huren verprügelt werden. Von der Handlung her völlig abstoßend, keine Befriedigung schenkend und ohne Streif am Horizont.

Dreckig durch und durch, böte dieser Gil Baleares mit seinem Sarkasmus auf der einen Seite und seinen hoffnungslosen, aber genauen Sichtweisen, seines (des) Lebens auf der anderen nicht doch auf etwas, was in aller Ferne Moral, Aufrichtigkeit und Lebenswertes erahnen lässt. Deswegen: lesenswert, überaus sogar.

Und er liefert en passant einen wunderbaren Satz mit, der einen schwammigen Begriff wie die Novela negra mit etwas Greifbarem besetzt:

 

Ich war kein Held, kein Rächer der Stadt, nur ein Typ, der so ausgetreten und abgenutzt war wie zerknülltes Papier, wie Hundescheiße, die von einem Schuh zum anderen wandert, von Wintilos Schuh zu dem von Carcaño, von den unergründlichen Gefühlen Teresa Sábatos zu meinen, von diesem Fall zum nächsten. Und jeder Fall glich einem dieser Witze, die nur von Schnelldenkern verstanden werden. Man lächelt, aber innerlich erleidet man Schiffbruch.

 

Wie bei Schwarze Küsse. Ein Büchlein mit nur etwa zweihundert Seiten. Dessen Sätze trotz sprachlicher Leichtigkeit, fetziger Dialoge und bunter Figuren wie mexikanischer Bar-Atmosphäre aber schwer wie ein Backstein ist. Nein, mit Gil Balerares will man nicht tauschen. Man will ihm auf die Schulter klopfen und Mut machen. Es wird ihm bloß egal sein. Deswegen: Klopfen wir dem Autor auf die Schulter. In der Hoffnung, dass sein erster Krimi nicht sein letzter bleibt.

Schwarze Küsse

Joaquín Guerrero Casasola, Kein & Aber

Schwarze Küsse

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