Die Stimme des Dämons

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2009
  • 6
  • London: Bantam Books, 2008, Titel: 'Switch', Seiten: 426, Originalsprache
  • München: Heyne, 2009, Seiten: 381, Übersetzt: Norbert Jakober
Die Stimme des Dämons
Die Stimme des Dämons
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Jochen König
84°1001

Krimi-Couch Rezension vonAug 2009

Schnell, stimmig, spannend und professionell

Wer erinnert sich nicht an Lesenächte, in denen man ein bestimmtes Buch nicht weglegen konnte, weil man einfach wissen MUSSTE, wie es weitergeht und vor allem wie es endet. Nächte unter der Bettdecke oder bei fahlem Licht mit zusammen gekniffenen Augen, immer bereit dem Schlaf von der Schippe zu springen. Dabei übersah man gerne (kleinere) Logikfehler oder größere Unwahrscheinlichkeiten, Hauptsache die Geschichte war stimmig und man konnte mit den Figuren fiebern, erlebte einen emotionalen Spießrutenlauf, bei dem es schon mal derber zur Sache gehen konnte. Wichtig nur, dass am Ende lädierter Held oder Heldin, dem hinterlassenen Trümmerhaufen entstiegen und irgend jemand Liebenswertes in die Arme schließen konnte.

Später, im reiferen Alter - also jenseits der fünfzehn etwa - begann man auch Bücher mit der gezielten Verweigerung eines Happy Ends zu würdigen. Der verbleibende Kloß im Hals oder Bauch ließ diese Geschichten teilweise noch länger nachwirken und sorgte mitunter dafür, das man selbst ein alternatives Ende entwarf. Spannend war es allemal und jederzeit den Preis eines Tages im Tran, mit verquollenen Augen und bleischweren Lasten auf den Schultern wert.

Grant McKenzies Die Stimme des Dämons lässt diese Gefühle wieder aufleben.
Wobei die erste Bemerkung dem deutschen Titel gilt; im Gegensatz zur Stimme kommt im gesamten Roman kein Dämon vor. Der Originaltitel "Switch" ist zwar unspektakulärer, aber wesentlich treffender.

Eventuell wollte man die Verwechslung mit einer mäßig komischen deutschen Mediensatire vermeiden und wandte sich komplett vom Original ab. Obwohl sich als mögliche Übersetzung "Spießrute", in welcher Kombination auch immer, angeboten hätte, beschwor man lieber sensationsheischende Gruselatmosphäre. Doch merke: nicht jeder rachsüchtige Geist ist gleich ein Dämon. Wir sind schließlich nicht in Sunnydale.

Der "Dämon", der den Schauspieler und als Wachmann arbeitenden Sam White auffordert, in seinem Auftrag Verbrechen zu begehen, ist höchst irdischen Ursprungs. Aber er hat ein zwingendes Druckmittel: sind doch Sams Ehefrau und Tochter in seiner Gewalt. So präpariert, schickt er Sam durch die Gegend, um zu sehen wie weit dieser bereit ist, den Weg des (erzwungenen) Verbrechens zu gehen. Während die beiden Polizisten Hogan und Preston den augenscheinlich durchgedrehten Amokläufer Sam White neutralisieren wollen, erhält er mögliche Unterstützung im Kampf gegen seinen erpresserischen Widersacher durch den Arzt Zack Parker. Jeder weitere Auftrag führt Sam an seine moralischen Grenzen, doch gegen alle Widerstände kommen die beiden den Hintergründen der Wahnsinnstaten näher. Wie kaum anders zu erwarten, liegen sie tief in der Vergangenheit begraben.

Die Stimme des Dämons ist eine klug konzipierte Mischung aus "Die Hard" - vor allem der dritte Teil stand Pate - und "SAW"; allerdings ohne allzu explizite Gewaltdarstellungen, die der Roman aber auch nicht nötig hat. Stattdessen geht es um die Rache der Unterprivilegierten, die im vorliegenden Fall auch nicht viel gerechtfertigter ist, als der Amoklauf eines leicht überdurchschnittlich intelligenten Schülers, der sich in seiner Eitelkeit verletzt sieht.

McKenzies Stärke ist es, seine Figuren, trotz aller handlungsbedingter Übertreibungen, nachvollziehbar darzustellen und agieren zu lassen. Seien Hauptcharaktere Sam White und Zack Parker sind Durchschnittsbürger, die über sich hinauswachsen, weil sie das retten wollen, was sie lieben. Und dabei möglicherweise Grenzen überschreiten, die die Rückkehr in ein "normales" Leben nahezu unmöglich machen. Trotz aller Over-The-Top-Action bleiben Dunkelheit und Verzweiflung, die hinter dem Feldzug der Akteure stehen, jederzeit wahrnehmbar.

Gelungen auch die Zeichnung der beiden ermittelnden Cops Hogan & Preston, die zwar dem typischen Buddy-Klischee entsprechen, deren Fähigkeit zum Mitfühlen, gepaart mit Nachdenklichkeit (von miesen Autoren allzu oft vernachlässigt) und der gern genommenen Prise sarkastischen Humors nicht nur für Bodenhaftung sorgt, sondern sie auch für zukünftige Aufgaben empfiehlt. McKenzie spielt hier geschickt mit Klischees, benutzt und bricht sie, in dem er etwas ganz simples macht: er legt seine Figuren nicht als Karikaturen an, ebenso wenig überhöht er sie ins Fantastische. Mag die Welt aus den Fugen geraten, zum explodierenden Spektakel werden, die vier positiv besetzten Hauptfiguren könnten wir uns auch beim heimeligen Doppelkopfabend vorstellen.

Am Ende wartet zwar eine Überraschung auf das gebeutelte Duo Schauspieler und Arzt, aber das hat der aufmerksame Leser bereits geahnt. Tut gut, einerseits zu erleben, dass der Autor mit Erwartungen spielen kann und sie lässig erfüllt, andererseits seine Leser nicht unterschätzt, um ihnen den größten Humbug oder emotionale Verquickungen der ausufernden Art vorzusetzen.

Die Stimme des Dämons ist ein schneller, stimmiger, spannender und professionell entwickelter Leckerbissen. Natürlich sehen wir die Verfilmung schon vor uns, natürlich strömt jede Seite des Buches Kalkül und berechnende Fingerfertigkeit aus. Aber böse sein deswegen? Nein, dafür wird uns die Medizin viel zu schmackhaft verabreicht.

Sicher kennen wir gehaltvolleres, literarisch anspruchsvolleres, nachdenkenswerteres und sogar das eigene Leben beeinflussenderes. Aber wir lieben durchwachte Nächte, forcierte Touren durch imaginäre Herausforderungen und wilde, bedrohliche Abenteuer. Wenn sie so geschickt und mit Hochdruck vorgetragen werden wie im vorliegenden Fall - und gleichzeitig ihre Leser ernst nehmen, um so mehr.

Die Stimme des Dämons

Grant McKenzie, Heyne

Die Stimme des Dämons

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