Mala Vita

  • Droemer
  • Erschienen: Januar 2009
  • 2
  • München: Droemer, 2009, Seiten: 496, Originalsprache
  • München: Knaur, 2010, Seiten: 491, Originalsprache
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2009

<cite>Mala Vita</cite> zeigt eindrucksvoll, wie die ehrenwerte Gesellschaft funktioniert

Roberto Cardone, ein erfolgloser Schriftsteller aus Bologna, macht nach einer Lesung die Bekanntschaft mit der schönen Rosanna, in die er sich umgehend verliebt. Doch der Abend erfährt eine überraschende Wendung, denn Cardones Mitbewohner Carlo teilt ihm per Handy mit, dass er sofort nach Hause kommen soll. Dort angekommen findet er sein Haus von Journalisten umlagert vor. Als er über einen Hintereingang seine Wohnung erreichen kann verweist Carlo nur benommen auf das Fernsehgerät, wo auf dem Sender RAI gerade das Video einer Hinrichtung gezeigt wird. In einem der Elendsviertel Palermos wird der Anwalt Enrico, Cardones älterer Bruder, vor laufender Kamera erdrosselt.

Das Leben Cardones ändert sich auf einen Schlag, denn die Medien spekulieren wie wild über Enrico, dem enge Kontakte zur Mafia nachgesagt werden. Nicht nur das, er soll der Geldwäscher des obersten Mafiabosses Grasso gewesen sein. Cardone hatte so gut wie keinen Kontakt zu seinem Bruder und kann die Berichte kaum glauben. Für ihn war Enrico Anwalt in einem kleinen Bergdorf oberhalb des Lago Maggiore und so ist er fest entschlossen, das Geheimnis um seinen Bruder zu lösen. Dabei gerät er als Alleinerbe nicht nur in das Visier der ermittelnden Behörden, sondern auch die Mafia heftet sich an seine Fersen, denn kurz vor Enricos Tod hat dieser das Vermögen mehrerer einflussreicher Clan-Chefs aufgelöst und auf ein Konto für seinen Bruder übertragen, dem nun fast 400 Millionen Dollar gehören...

Zynische Polizisten, skrupellose Mörder, zwei zerstrittene Geheimdienste und zu allem Überfluss mischt die Politik auch noch mit

Über die Lieder vom Verbrecherleben, den Canto di Malavita, kann man sich im Web unter www.malavita.com informieren. Die Texte, welche das Verbrecherleben und vor allem den Codex der ehrenwerten Gesellschaft (allem voran: Verschwiegenheit, Blut und Ehre) verherrlichen, sind naturgemäß heftig umstritten. Dennoch sind einige der Lieder seit Jahren im Handel auf der CD-Trilogie La Musica della Mafia erhältlich; übrigens eine durchaus interessante Kompilation. Eine Kostprobe der Texte ist dem Roman Mala Vita vorangestellt. Ein Auszug: "Während die abgesägte Schrotflinte ihr Lied hinausbrüllt, stirbt jener, der die Omertá mit Füßen tritt."

"Soweit ich weiß, wurde Gecco nie verurteilt." - "Kein Wunder. Man hat ihn vorher umgebracht."

Mala Vita ist ein hervorragender Mafia-Roman, der nicht nur einen respektablen Thriller bietet, sondern vor allem sehr eindrucksvolle Erkenntnisse über die Arbeitsweise der Mafia gibt. Wieso übt das organisierte Verbrechen gerade in Sizilien eine solche Faszination auf die Menschen aus? Warum lassen sich in den abgelegenen und armen Bergdörfern Kinder bereitwillig zu Auftragsmördern drillen? Sehr detailliert wird die Praxis der Geldwäsche (hier über Offshore-Firmen) geschildert und zudem aufgezeigt, warum es in Italien keine Chance gibt, das Problem des organisierten Verbrechens in den Griff zu bekommen.

"Politiker sind nicht an Weisungen gebunden - höchstens an Überweisungen."

Der Arm der Mafia reicht bis in die Staatsspitze und so erfüllt Mala Vita sämtliche vermeintlichen Vorurteile gegenüber unserem südlichen Nachbarstaat. Nur dass es sich eben keineswegs um Vorurteile handelt, sondern hier ein weiterer Autor sehr genau recherchiert und die Realität wiedergegeben hat. Die Handlung wechselt zwischen dem verzweifelten Cardone, der frustrierten Polizei, skrupellosen Mafia-Schergen und den sich gegenseitig bekämpfenden italienischen Geheimdiensten SISDE und SISMI. Die große Politik mischt über den Innenminister, der der Mafia einen empfindlichen Schlag versetzen will, und den Verteidigungsminister, der lieber die Hand aufhält, ebenfalls kräftig mit. Porca miseria!

"Wie ich immer sage, das Hauptanliegen unserer Politiker sind Ufergrundstücke."

Wer erfahren will, wie die Mafia funktioniert, erhält einen informativen und kurzweiligen Einblick in die ehrenwerte Gesellschaft, die ganz Italien fest im Griff zu haben scheint. Die Spannung des Buches besteht dabei nicht in der Frage, wer Enrico ermordet hat, denn der Täter gab sich auf dem Video deutlich zu erkennen. Es war der Neffe des Bürgermeisters von Prizzi, einem kleinen sizilianischen Bergdorf, und so drängt sich mehr die Frage auf, ob es der Polizei gelingt, den Mann lebend zu fassen. Denn dass die Mafia bekanntlich nicht zögert, ihr unliebsam gewordene Menschen kurzerhand zu Fischfutter zu verarbeiten, ist keineswegs neu und so müssen diese Erfahrung gleich mehrere Personen machen.

Will man negative Punkte anführen, so sind einige Figuren zu klischeehaft geraten und der Spannungsbogen bleibt arg überschaubar. Dessen ungeachtet ist Mala Vita ein klarer Kauf, der aus der Masse der Mafia-Romane positiv herausragt.

Mala Vita

Claudio M. Mancini, Droemer

Mala Vita

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