Kap der Finsternis

  • Tropen
  • Erschienen: Januar 2009
  • 28
  • Stuttgart: Tropen, 2009, Seiten: 356, Übersetzt: Jürgen Bürger und Peter Torberg
  • München: Heyne, 2010, Seiten: 368
  • Bergisch Gladbach: Schall & Wahn, 2011, Seiten: 6, Übersetzt: Matthias Brandt
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Wolfgang Franßen
95°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2009

Glück im Spiel Pech in der Liebe

Wirft man einen Stein ins Wasser, schlägt er Wellen. Da kann das Leben noch so beschaulich geplant, die Familienplanung mit besten Vorsätzen angegangen worden sein. Burn und seine Frau trägt eine dieser Wellen bis nach Kapstadt in Südafrika, wo sie unter falschem Namen ihrem alten Leben zu entrinnen suchen, in dem sie in Amerika zu ertrinken drohten.

Roger Smith lässt uns in seinem Erstling nicht viel Zeit. Er reißt uns mitten in eine Story, bei der es einzig und allein ums Überleben geht. Kapstadt nennt er selbst die Hauptstadt der Vergewaltigung und des Verbrechens und so verwundert es nicht, dass Burn als Familienvater zwei Eindringlinge sogleich ermordet, die seine schwangere Frau in ihrem Haus bedrängen. Smith schneidet seine Story schnell. Wie im Film reißt er die Geschichte in Szenen auf, beleuchtet die Handlung in Gegenschnitten und setzt die überhitzten Pole zum Grande Finale zusammen. Atemlos springt er zwischen Figuren und Schauplätzen hin und her und entwickelt neben dem Psychogramm eines Gehetzten das Bild einer südafrikanischen Gesellschaft, die gelernt hat, am Rand des Abgrunds das Leben abzugrasen.

Egal ob Polizist, Verbrecher, Drogenabhängige, Aufrechte wie Korrupte: Sie alle erscheinen nicht wie jemand, der seine Zukunft, gar Gegenwart wirklich im Griff hat. Rachegefühle treiben sie vor sich her.

Viele Mittelständler wie Burn - in Amerika oder anderswo - müssen miterleben, wie ihre besten Absichten daran scheitern, dass die Aufträge ausbleiben, die Insolvenz droht. Geschweige denn, wenn einer wie Burn von den Karten und dem eigenen Glück überzeugt ist und lange Zeit durch die Gewinne am Spieltisch, die Verluste im Alltag auszugleichen versteht, um seiner Frau ein komfortables Leben zu ermöglichen, um als Gewinner dazustehen.

Ans fremde Ufer gespült

Wer würde nicht zum Strohhalm greifen, wenn er das Aus so nah vor Augen hat. In Burns Fall endet die Gewinnsträhne nach einem gelungenen Coup und einem toten Polizisten in einer abenteuerlichen, finanziell gut ausgestatten Flucht in Kapstadt . Seine Frau jedoch empfindet die nächtliche Rettung nicht als Heldentat und denkt selber an Flucht, will sich und die Kinder retten, indem sie zur amerikanischen Botschaft geht, um das Versteckspiel zu beenden. Smith gelingt das Portrait einer Handvoll atemloser Loser, die sich selbst mit leeren Versprechungen mitten im Überleben halten. Er findet für seine kleinen Helden sprechende Namen wie Burn oder Disaster Zondi.

In Roger Smiths mitreißendem Thriller sind allesamt ausgebrannt, geprägt von einer der Apartheid entronnenen, hasserfüllten Gesellschaft, die sich nur zu schützen weiß, indem sie vor allem ein Ziel verfolgt: den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Beeindruckend auch die Schilderung, wie Südafrika sich bemüht, eine Gesellschaft zu versöhnen, in der sich die Täter von einst öffentlich entschuldigen und trotz ihrer Gräueltaten im Amt bleiben.

Ein Panoptikum der Randexistenzen, der Verachtung für das eigene wie fremde Menschenleben und hinter allem steht der irre Glauben, dass sich nichts wirklich bessern wird.

Wer hetzt eigentlich wen

Es ist die Atmosphäre des späten Abends, die Roger Smith beschwört. Wenn die Straßenlichter sich einschalten, das Tageslicht schwindet, sich vom Tag erholt, Smith Figuren sich auf die Nacht vorbereiten, indem sie wie auf Knopfdruck die Augen aufreißen, weil sie in dem Licht besser zu sehen verstehen. Sie treten aus dem Dunkeln, schlagen erbarmungslos zu und treten wieder zurück. Froh darüber, noch am Leben zu sein.

So wird auch Burn wieder an den Spieltisch zurückkehren. Um was zu tun? An sein Glück zu glauben? Ist das Leben nicht ein Spiel? Kann man es nicht zwingen? Muss man nicht? Wer will sich nicht weismachen, dass er allein das Glück in Händen hält?

Kap der Finsternis

Roger Smith, Tropen

Kap der Finsternis

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