Mord mit Meerblick

  • btb
  • Erschienen: Januar 2008
  • 0
  • München: btb, 2008, Seiten: 318, Originalsprache
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2009

Eine verstörende Aneinanderreihung von Missverständnissen

Elmar Kugelmeyer ist dabei sein Leben neu zu ordnen. Der frühere Kommissar wechselte zu einer Privatdetektei, doch sein letzter Fall lief aus dem Ruder, was sicher auch an seiner neuen Partnerin Sarah lag, zu der er seitdem nicht nur beruflichen Kontakt hat. Da ihn seine Frau sitzen gelassen hat ist also nun Sarah die Frau an seiner Seite und so verbringen die beiden ein paar Urlaubstage in Dänemark bei ihren Freunden Sarah und Jesper, die dort ein Hotel betreiben.

Dort spielt gelegentlich ein Rentnertrio Musik. Thorulf Antes, Martin Degenhardt und Leopold Fischer spielen mehr schlecht als recht und müssen sich zudem von Thorulfs Schwester Thordis, die mit Martin liiert ist, erklären lassen, dass es finanziell vorne und hinten nicht mehr klappt. Dies erfährt in einem Gespräch mit Thordis auch Elmar und meint, es wäre doch ganz einfach, man müsse nur eine Bank überfallen. Dies war natürlich nur als Scherz gemeint, doch als Elmar mehr und mehr vom perfekten Überfall spricht, ist das Interesse des Quartetts geweckt, denn sie haben tatsächlich schon eine Reihe von Überfällen auf Supermärkte hinter sich, um ihr Einkommen auf diese Weise aufzubessern. Als sich Elmar abends aus dem Haus der Vier verabschiedet bleibt auf dem Rückweg sein Wagen liegen und er geht noch einmal zurück, damit ihn jemand nach Hause fahren kann.

Doch insbesondere Thordis hat andere Pläne, fühlt sich zu Elmar hingezogen und lädt die ganze Runde kurzerhand zu einem wärmenden Getränk ein. Dieses hat jedoch ein paar Tabletten intus und so schlafen die Herren nacheinander ein. Am nächsten Morgen erwacht Elmar in Thordis' Bett. Damit nicht genug, entdecken Thorulf und Leopold ihren Kumpanen Martin in einem Sessel sitzend. Allerdings nicht mehr allzu lebendig, wie sich aus dem Messer, welches tief in seiner Brust steckt, schnell erkennen lässt. Wollte Thordis sich so den Weg für Elmar freimachen oder war gar Elmar selbst der Täter? Damit aber die Polizei keine dummen Fragen stellt und ihnen womöglich noch wegen der Einbrüche auf die Spur kommt, muss zunächst die Leiche von Martin entsorgt werden. Zusammen mit Thordis machen sich Torulf und Leopold auf den Weg, doch dabei geht einiges schief. Auch für Elmar, denn Sarah vermutet einen Seitensprung, da er die Nacht auswärts verbracht hat und die Polizei hält ihn für den Hauptverdächtigen...

Ein sarkastischer Ausflug in die Abgründe menschlicher Beziehungen

Mord mit Meerblick ist ein Roman, der auf den ersten Blick befremdlich wirkt. Seite um Seite werden die oben genannten Personen ausufernd vorgestellt. Die einzelnen Beziehungsgeflechte werden dabei breit getreten und man fragt sich zunächst, wann es denn mal losgeht. Also mit dem angekündigten Kriminalroman versteht sich. Doch Gunnar Steinbach hat Zeit, führt dezidiert in die Gedankengänge seiner Figuren und ergötzt sich zunächst an deren zerrütteten Lebensläufen. Eine Aneinanderreihung zahlloser Missverständnisse führen die Figuren schrittweise in einen Abgrund, aus dem es kein Entkommen mehr geben kann.

Trotz langer Anlaufzeit ein glänzender Roman

Die Beziehung von Elmar und Sarah kühlt über Nacht auf den Gefrierpunkt ab, da beide sich gegenseitig verdächtigen, es mit der Treue nicht so genau zu nehmen. Ein einziges klärendes Gespräch würde die Situation zwar sofort entschärfen, doch durch ungeschicktes "Taktieren" und Herumschmollen versuchen beide die Situation zu meistern, ohne dabei zu bemerken, dass sie sich immer tiefer verrennen. Im Thordis Haus eskaliert die Situation ebenfalls, da Thorulf und Leopold diese in Verdacht haben, ihren gemeinsamen Freund ermordet zu haben. Sie beide haben ja geschlafen und warum sollte Elmar ein Motiv haben? Thordis machte ihm ja eindeutige Avancen, mit dem Ergebnis, dass er in ihrem Zimmer übernachtete. Freilich können die Beiden nicht ahnen, dass dies gänzlich unfreiwillig geschah. Ein weiteres Missverständnis.

"Wir müssen den Täter finden, dann soll er uns doch sagen, was er sich bei diesem Blödsinn gedacht hat."
"Genial. Wir fahnden, greifen zu und fragen den Mörder hinterher, wieso wir ihn gefangen haben."

Selbstredend ist auch das Privatleben des ermittelnden Kommissars alles andere als in Ordnung, denn pünktlich zu Weihnachten eröffnet ihm seine Tochter, dass sie schwanger gewesen sei. Noch dazu von einem deutlich älteren Afrikaner und zu allem Überfluss verlängert die nervende Schwiegermutter ihren Urlaub. Kein Wunder, dass da die Ermittlungen in Mitleidenschaft gezogen werden und die Polizei mehr als einen Hinweis (natürlich) falsch versteht. Pech insbesondere für Piontek, einen alkoholabhängigen Penner, der eigentlich der Polizei helfen wollte. Nur glaubt ihm keiner so richtig, dass ein (toter) Mann von einem Leuchtturm sprang; vor allem nicht zwei Mal hintereinander.

"Bist du sicher?"
"Vielleicht nicht, aber dann musst du erklären, wie einer, der schon tot ist, von einem Leuchtturm springt."

Mord mit Meerblick ist anfangs gewöhnungsbedürftig, da vor allem die kriminalistische Handlung und zudem ein wenig Tempo fehlen. Nachdem Martin jedoch tot in seinem Sessel entdeckt wird, immerhin "schon" auf Seite 138, geht es auf den verbleibenden 180 Seiten dann aber doch noch ordentlich rund. Ein zweiter Mord folgt und mehr wird nicht verraten. Außer dass die Auflösung recht gelungen ist, denn das Ausgangsszenario lässt ja nicht all zu viele Lösungsoptionen zu. Wer es gerne ruhig hat und mehr den Schwerpunkt auf verkorkste menschliche Beziehungen legt, der greift hier zu und lernt einen deutschen Autor kennen, dem man weitere Romane wünschen darf.

Mord mit Meerblick

Gunnar Steinbach, btb

Mord mit Meerblick

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