Ein Ort für die Ewigkeit

  • Erschienen: Januar 2000
  • 66
  • London: HarperCollins, 1999, Titel: 'A Place of Execution', Seiten: 416, Originalsprache
  • München: Droemer Knaur, 20001, Seiten: 588, Übersetzt: Doris Styron
  • Augsburg: Weltbild, 2002, Seiten: 588
  • München: Droemer Knaur, 2003, Seiten: 588
  • Köln: Random House Audio, 2006, Seiten: 4, Übersetzt: Hannelore Hoger, Bemerkung: gekürzt
  • München: Knaur, 2008, Seiten: 588
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Peter Kümmel
91°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Eine absolute Freude

Scardale ist ein abgeschiedenes Dorf in Derbyshire in England. Es hat nur einen einzigen Zufahrtsweg, besteht aus neun Häusern und hat 30 Einwohner, die sämtlich untereinander verwandtschaftliche Bindungen haben. Einziger Fremder im Ort ist der Squire Philip Hawkin, der Verwalter des Dorfes, der den Besitz von seinem Onkel geerbt und an seine Bewohner verpachtet hat. Hawkin heiratete die verwitwete Einheimische Ruth Carter. Mit ihr zusammen sowie deren 13-jähriger Tochter Alison bewohnt er Scardale Manor, das größte Haus im Dorf.

An einem kalten Winterabend im Jahr 1963 wird die Polizei in der benachbarten Kleinstadt Buxton von Ruth Hawkin alarmiert. Ihre Tochter Alison ist von einem Spaziergang mit ihrem Hund nicht zurückgekehrt. Die Suche in sämtlichen Häusern des Ortes sowie der Umgebung blieb ergebnislos.

Detective Inspector George Bennett bekommt den Fall übertragen, da sein Vorgesetzter wegen eines Gipsbeines gehandicapt ist. Bennett durchlief nach seinem Juraexamen den beschleunigten Beförderungsweg und ist mit knapp 30 Jahren der jüngste Oberkommissar der Grafschaft. Erst seit kurzen ist er mit seiner Frau Anne verheiratet, die ihren Mann aufgrund seines Dienstes kaum zu Gesicht bekommt und gerade schwanger geworden ist. Gemeinsam mit Detective Sergeant Tommy Clough kniet er sich mit vollem Eifer in den Fall.

Doch trotz allen Ehrgeizes von Bennett bleibt die Suche nach dem verschwundenen Kind ohne Erfolg. Einzig ihr Hund wurde lebend im Wald an einen Baum gebunden aufgefunden, die Schnauze mit Heftpflaster verklebt, so daß er sich nicht bemerkbar machen konnte. Am nächsten Tag werden blutige Kleidungsfetzen in einem Gebüsch gefunden, die vermutlich von Alison stammen. Als weitere Indizien auftauchen, schwindet die Hoffnung und man muß annehmen, dass das Kind ermordet wurde.

Die Bewohner von Scardale machen es Bennett nicht gerade einfach und verhalten sich wenig kooperativ. Mißtrauisch gegenüber allen Fremden bleiben sie verschlossen und würden alle ihre Angelegenheiten am liebsten selber regeln. Erst nach und nach gelingt es Bennett und Clough, die Anerkennung der Dorfbewohner und ihre Unterstützung zu erhalten.

Sehr zeitnah beginne ich die Meinung, denn erst heute morgen gegen halb zwei konnte ich das Buch aus der Hand legen, nachdem ich die letzte Seite gelesen hatte. Obwohl ich früh aufstehen musste, ist es mir nicht gelungen, vorher mit dem Lesen aufzuhören. Gerade mal drei Abende konnten mir die 588 Seiten standhalten. Selten hat mich ein Roman in letzter Zeit so gefesselt wie "Ein Ort für die Ewigkeit".

Die Autorin hat ihr Werk sehr gut in drei Teile gegliedert. Das "erste Buch" schildert in Teil 1 und 2 die Suche nach der kleinen Alison und die Ermittlungsarbeit der Polizei und endet damit, dass eine verdächtige Person festgenommen wird. Ich denke mal, damit verrate ich nicht zuviel. Der 3. Teil des "zweiten Buches" schildert im Stile eines Gerichtsthrillers die Geschworenenverhandlung und endet mit dem Urteil. Das "zweite Buch" handelt dann 34 Jahre später und fängt an im Februar 1998. Es beginnt aus dramaturgischen Gründen jedoch nicht mit dem ersten, sondern gleich mit dem zweiten Teil, der aus einem Brief besteht und alleine dazu dient, neue Spannung aufzubauen.

Zum Luft holen kommt der Leser im Prinzip nur auf den ersten 50 Seiten, bis er die handelnden Personen und ihre Beziehungen zueinander verinnerlicht hat sowie erst dann wieder zu Beginn des letzten Teils, wenn er sich fragt, wie die Autorin die Verbindung zum Fall aus den 60er Jahren herstellen wird und ob sich noch neue Erkenntnisse ergeben. Dazwischen und danach herrscht in dem Roman Spannung pur und jeder Versuch, das Buch beiseite zu legen, gerät zu einem Kraftakt.

Für den ausgezeichneten und überraschenden Schluß hat die Autorin zwar das Hilfsmittel Zufall in Anspruch genommen. doch dieses einmal zu gebrauchen halte ich durchaus für statthaft.

Der Roman schildert zwar nicht exakt einen realen Fall, doch hat Val McDermid ihr Buch auf die Struktur eines tatsächlichen Geschehens aus dem Osten von London im Jahre 1985 aufgebaut. Streng chronologisch und sprachlich durchaus ansprechend beschreibt die Autorin sehr detailliert nicht nur die Ermittlungsarbeit der Polizisten, sondern auch die Gefühle ihres Protagonisten George Bennett sowie das Verhalten der beteiligten Personen.

Vereinzelt eingestreute Zeitungsausschnitte im Stile einer Minette Walters sowie der Einfluß der Journalisten auf die Ermittlung ergänzen die Erzählung hervorragend, denn Val McDermid versteht es, diese Stilmittel maßvoll zu nutzen. Auch erkennt man, dass sie für ihre Arbeit glänzend recherchiert hat. Ihr schriftstellerisches Handwerk beherrscht sie nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch.

Ausgezeichnet sind auch die Charakterisierungen der einzelnen Personen. Nicht nur George Bennett vermag der Leser recht schnell selber zu kennen glauben, sondern auch die weiteren Hauptpersonen werden liebevoll beschrieben in das Geschehen eingeführt. Auch die Nebendarsteller sind nicht nur schmückendes Beiwerk. Bei den Bewohnern des Dorfes und deren verwandtschaftlichen Verhältnissen hat nicht nur die Polizei ihre Probleme, sondern auch der Leser braucht einige Zeit, bis er die für den Fall relevanten Bewohner intus hat. Sehr hilfreich dabei ist auch eine Zeichnung, auf der die Häuser des Dorfes zu sehen sind mit der Auflistung ihrer jeweiligen Bewohner.

Was den Roman dazu macht, dass man ihn nicht ein paar Tage nach dem Lesen wieder vergessen hat, sondern einen dazu bringt, auch noch darüber nachzudenken, wenn man zu Ende gelesen hat, sind einige gesellschaftspolitische Themen, mit denen sich die Autorin befasst und daß es sehr schwierig ist, zu beurteilen, was Recht und was Unrecht ist und welche Methoden statthaft sind, einen Menschen für seine Taten zu bestrafen.

So geht es zum einen um das Thema Todesstrafe, die zu der Zeit, in der der Roman spielt, in England nur bei vorsätzlichem Mord mit einer Schußwaffe verhängt werden konnte. Außerdem werden die Themen Fremdenhass und Pädophilie behandelt. Jedoch sind alle diese Themen psychologisch so gut in das Geschehen integriert, dass sie nicht als zentraler Bestandteil erscheinen, doch auch nicht im restlichen Geschehen untergehen.

Nach all diesem Lob ist es für mich schwierig, auch nur einen Kritikpunkt zu findet. Was mich ein wenig gestört hat, ist, dass ständig und überall geraucht wird und daß immer wieder erwähnt wird, wenn sich gegenseitig Zigaretten angeboten werden. Mag ja sein, dass das Zigarettenrauchen in den 60er Jahren noch extremer verbreitet war als heutzutage, doch muß ja nicht unbedingt jede gerauchte Zigarette einzeln erwähnt werden.

Mal wieder ein Roman, der mich restlos begeistert hat und den ich uneingeschränkt empfehlen kann. Selbst eingefleischte Nicht-Krimi-Leser dürften an diesem Buch ihre Freude haben.

Ein Ort für die Ewigkeit

Val McDermid,

Ein Ort für die Ewigkeit

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