Und dann der Tod

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2000
  • 6
  • New York: Bantam, 1998, Titel: 'And then you die', Seiten: 344, Originalsprache
  • München: Ullstein, 2000, Seiten: 365, Übersetzt: Norbert Möllemann
  • Berlin: Ullstein, 2006, Seiten: 365
Und dann der Tod
Und dann der Tod
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Michael Drewniok
1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Wie man Terroristen und Leser zu Tode nervt

Nachdem sie im vom Bürgerkrieg geschüttelten Kroatien Zeugin furchtbarer Gräuel wurde, soll ein ausgedehnter Urlaub der jungen Fotojournalistin Elizabeth Grady die dringend benötigte Erholung bringen. Aus Schaden leider nicht klug geworden, bleibt sie nicht im Paradies auf Erden - den Vereinigten Staaten von Amerika -, sondern reist gleich wieder ins Ausland, obwohl ihr wie jedem guten US-Bürger inzwischen eigentlich klar sein sollte, dass in der Fremde stets das Böse lauert. Darüber hinaus geht es auch noch nach Mexiko; seit Pancho Villa selig bekanntlich eine Brutstätte des Chaos', der Korruption und der latinischen Ausschweifungen.

Elizabeth wird begleitet von ihrer älteren Schwester Emily, einer erfolgreichen Chirurgin, die selbst ein wenig Ruhe vertragen kann und außerdem besorgt darauf achten möchte, dass die Jüngere tatsächlich ausspannt. Dass Tenajo, ein Dörflein tief und abgelegen im mexikanischen Hinterland, schwerlich die richtige Wahl als Ferienort war, wird den Schwestern klar, als sie bereits hinter dem Ortsschild die erste Leiche finden. Aber das ist nur der Anfang: Auf den Straßen, in den Häusern liegen die Bürger, wie sie ein unsichtbares Verhängnis dahingerafft hat. Elizabeth und Emily reagieren, wie jede/r von uns es gewiss ebenfalls getan hätte: Geschockt, aber pflichtbewusst suchen sie die ganze Totenstadt nach Überlebenden ab und finden tatsächlich ein gesund gebliebenes Baby!

Da jede gute Tat auf dieser Welt bestraft wird, naht hakennasig das Böse in Gestalt des verbrecherischen Colonel Esteban. Tenajo und seine ahnungslosen Bewohner sind (bzw. waren) Schauplatz eines unmenschlichen Experiments, bei dem Terroristen (aus - na? richtig! - Libyen; alternativ wäre noch der Iran möglich gewesen, während Kuba dieses Mal außen vor bleibt) eine neue Biowaffe testen wollten. Dumm gelaufen, dass sich ausgerechnet in diese Einöde zwei Gringas verirren! Da diese außerdem aus den USA stammen, duckt sich Esteban (der gerade kalt lächelnd ein paar Dutzend Landsleute über die Klinge hat springen lassen), als Uncle Sams Schatten ihn trifft, ruft seinen psychopathischen Killer Kaldak zurück und lässt Elizabeth nur gefangennehmen, während Emily spurlos verschwindet.

Esteban wartet, bis Elizabeth durch Drogen und Drohungen außer Gefecht gesetzt ist. Dann taucht er an ihrem Krankenbett auf, wo er mit seinen Schandtaten prahlt und als Engel des Todes bewundert werden möchte. Haha, aber nicht mit den Girls aus Michigan! Elizabeth zieht ihm eins mit der Bettpfanne über, und nur der zufällig auftauchende Kaldak rettet seinen Chef. Dem steht ob der Demütigung der Schaum vorm Mund. Feigling, der er ist, fordert er Kaldak auf, seine Gefangene hübsch langsam und qualvoll zu Tode zu bringen und ihm anschließend davon zu erzählen; er selbst traut sich nicht einmal an die gefesselte Elizabeth mehr heran.

Die wird ausgerechnet vom finsteren Kaldak aus dem Gefängnis geschmuggelt (und kann dabei noch das Baby retten). Zwar muss sie beobachten, wie er dabei ein paar Hälse bricht, aber das ist unwichtig, als Kaldak verkündet: "'Ich arbeite seit ein paar Jahren für die CIA.'" Plötzlich ist Elizabeth fast schon wieder zu Hause: "Sie fühlte sich erleichtert. ?Das hätten sie mir doch gleich sagen können.'" Nun flüchtet man Tage lang gemeinsam durch den Tropenwald, verfolgt vom wütenden Esteban und seinen tumben Schergen, die dort nicht einmal einen Elefanten finden könnten, geschweige denn eine amerikanische Bürgerin, die gerade ihr altes Waldläuferblut wiederentdeckt hat.

Also entkommen die Schöne und das Biest, um daheim Pläne zu schmieden, a) Emily zu retten, b) die Welt = die USA vor einem terroristischen Giftanschlag zu bewahren, und c) Emily zu retten. (Elizabeth ist da sehr hartnäckig ...). Ja, das gibt es eben nur in einer echten Demokratie, dass der Geheimdienst mit einer besorgten Bürgerin & Steuerzahlerin zusammenarbeitet! Und da Kaldak jetzt als einer der Guten identifiziert ist, findet Elizabeth ihn plötzlich auf aufregend verbotene Weise attraktiv ...

Mit "Und dann der Tod" begründet Iris Johansen ein ganz neues Subgenre des modernen Thrillers: die Action-Schmonzette. Mit diesem Schöpfungsakt ist die Schaffenskraft der Autorin aber sichtlich verpufft; was folgt, ist eine inhaltlich wie formal plump zusammengebolzte Story ohne Sinn, Verstand und Profil.

Man fühlt sich in eine dieser billigen "Weltpremieren" des deutschen Privatfernsehens versetzt ("Rette Deine Schwester und die Welt! - Todesschreie aus dem Virencamp"). Die Liste der Dinge, die erst stören und dann ärgern, ist schier endlos und geht über die penetranten US-Hurra-Patriotismen weit hinaus. Die Entwicklung der an sich schon wenig innovativen Ausgangsidee ist einfach grottenschlecht. Im zweiten Drittel bricht die Handlung sogar völlig zusammen und irrt endlos im Leerlauf umher, weil sich der schändliche Esteban nicht über die Grenze in die USA traut (er würde sich wahrscheinlich wie ein Vampir in Staub auflösen), seine Opfer mit albernem Telefonterror und neckischen Halloween-Scherzen piesackt und ihnen den dämlichsten Killer der Welt auf den Hals schickt. Aber Elizabeth und Kaldak brauchen die Muße, denn sie sollen sich ja nach dem Willen der Autorin näher kommen, und das braucht seine Zeit. Schließlich ist Elizabeth eine moderne und selbstbewusste Frau, die nur einen echten Traumprinzen an sich heranlässt! Leider gleicht das uralte menschliche Balzritual deshalb eher einem scharfen Kreuzverhör, was jegliche Romantik nachhaltig verfliegen lässt.

Was uns zur Figurenzeichnung bringt, der eigentlichen Archillesferse der Autorin. Elizabeth Grady erreicht auf jeder Nervensägen-Skala absolute Spitzenwerte. Die hysterische Naivität, mit der sie auf das Drama reagiert, das sich um sie herum abspielt ("Das dürfen Sie nicht! Lassen Sie das! Wo ist der amerikanische Botschafter?"), mag womöglich sogar der Realität entsprechen; der Mensch klammert sich in einer Krise gern an das, was er für gut und richtig hält. Als Romanfigur ist diese Elizabeth Grady jedoch einfach nur lästig. Wo sie geht und steht, markiert sie das tapfere Cowgirl, das dem bösen Feind quasi reflexartig die Stirn bietet, ihm ständig redlich empört flammende Reden ob seiner Sündhaftigkeit hält, um dann als Rambo und Ripley in Personalunion und mit einem heldenhaft geretteten Eingeborenenbaby auf dem Arm den Verfolgern und den Unbilden der Natur gleichermaßen zu trotzen (und vermutlich unterwegs noch achtlos im Wald fortgeworfenes Bonbonpapier aufliest). Unbarmherzig sitzt sie später den eigenen Jungs (Army/Navy/Air Force, Geheimdienst etc.) im Nacken und erinnert sie in jedem Satz mindestens zweimal an ihre patriotischen Pflichten - und zum Teufel mit den Hoheitsrechten irgendwelcher sowieso unterentwickelter Dritte- Welt-Operettenstaaten, wenn dort ein US-Bürger in Gefahr schwebt! (Man erinnere sich an den denkwürdigen Auftritt der Ledernacken in der Schlussszene von "Jurassic Park III".)

Ärgerliche Banalitäten dieser Art ziehen sich wie ein roter Faden durch die gesamte Geschichte. Kaldak, der als un- und übermenschliche Mordmaschine eingeführt wird, degeneriert bald zum netten Teddybären, der nur die Bösen killt - und auch die nicht gern -, kleine Kinder liebt und nach dem Essen ordentlich das Geschirr abspült. Kein Wunder, dass ihn die spießige Elizabeth prompt anhimmelt, sobald er sich als Mitglied der CIA und damit als einer der "Guten" der ewig währenden amerikanischen Mission für Frieden & Glückseligkeit auf dieser Welt entpuppt! Denn merke: Töten ist o. k., solange es nur terroristisches Gezücht aus dem Ausland trifft, denn dann ist es gerechte Strafe!

Über Esteban und seine Handlanger muss erst recht kein Wort verloren werden. Sie sind gnadenlos überzeichnet und als Bösewichte etwa so überzeugend und Furcht erregend wie der Räuber Hotzenplotz. Also bitte! Da hat die Große Terroristische Geißel im Hintergrund sieben Jahre (!) am Giftgas-Krieg gegen die USA getüftelt - und alles, was dabei heraus kommt, sind ein paar Anschläge auf Hinterwäldler-Nester am A... der Welt, durchgeführt von einer Bande Trottel, denen ein durchgeknallter Psychopath vorsteht, der für die Rache an einer neurotischen Weltverbesserin den ganzen "genialen" Plan aufs Spiel setzt? Wenn dies die Realität widerspiegeln sollte, wissen wir jetzt, wieso Saddam, Muammar, Fidel & Co nie ein Bein auf die Erde jenseits der Grenzen ihrer privaten Königreiche bekommen haben.

Im letzten Drittel wird's einfach grotesk. Johansen schreckt nicht dafür zurück, Elizabeth Gradys traumatische Erlebnisse in Kroatien mit dem Tenajo/New Orleans- Handlungsstrang zu verknüpfen. Das soll wohl die erschreckende Vision eines weltweiten Komplotts heraufbeschwören, wirkt aber einfach nur lächerlich, weil es so dilettantisch umgesetzt wird. Das eigentliche Grauen scheint für Elizabeth ohnehin darin zu liegen, dass sie ihr Prinz trotz aller Vorsichtsmaßnahmen doch aufs Kreuz gelegt hat. (Dies bitte ruhig zweideutig verstehen!) Heulend, aber ungebrochen, nimmt sie es nunmehr eben allein mit dem Reich des Bösen auf - das haben die wirklich Großen ihrer Welt (George Washington, George Patton, Georg Armstrong Custer ...) ohnehin schon immer getan!

Aber zum großen Finale ist Kaldak rechtzeitig wieder da, um sich als Buße für sein chauvistisches Tun eine Kugel einzufangen, die eigentlich für Elizabeth bestimmt war. Es dürfte ihm nicht schwer gefallen sein, sie und den schließlich doch in die USA geschlichenen Esteban zu finden, hat dieses Genie des Bösen sein Hauptquartier doch ausgerechnet in einer Windmühle aufgeschlagen ...

Hier soll es genug sein. Was Iris Johansen und ihre Thriller immer wieder "auf die obersten Plätze der Bestsellerlisten" bringt, wie es im Klappentext vollmundig heißt, ist angesichts dieses Machwerks ein Rätsel - es sei denn, dass sich außer den sprichwörtlichen Fliegen auch ein paar Millionen Leser nicht irren können ...

Und dann der Tod

Iris Johansen, Ullstein

Und dann der Tod

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