Das schwarze Pulver von Meister Hou

  • Unionsverlag
  • Erschienen: Januar 2008
  • 2
  • Arles: Philippe Picquier, 2001, Titel: 'La poudre noire de Maître Hou', Originalsprache
  • Zürich: Unionsverlag, 2008, Seiten: 320, Übersetzt: Michael Kleeberg
  • Zürich: Unionsverlag, 2010, Seiten: 313
Das schwarze Pulver von Meister Hou
Das schwarze Pulver von Meister Hou
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Sabine Reiß
90°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2008

Eine Sternstunde für Krimileser

Das schwarze Pulver von Meister Hou ist bereits der dritte Roman einer Krimi Reihe, in der der junge Mandarin Tân eine Hautrolle spielt. Die beiden Schwestern Thanh-Van und Kim Tran-Nhut, geboren in Vietnam, aufgewachsen in den USA und später in Frankreich, schrieben die beiden ersten Bücher gemeinsam; der dritte Band, der als erster ins Deutsche übersetzt wurde, stammt aus der Feder von Thanh-Van, aber nach einer gemeinsamen Idee. Inzwischen schrieb sie noch drei weitere Bände der Serie alleine. Pate für die Figur von Tân war der Urgroßvater mütterlicherseits, um den wohl einige Mythen in der Familie gesponnen wurden.

Die Geschichte spielt in einer nordvietnamesischen Provinz Dai Viêt im 17. Jahrhundert. Mandarin ist ein Beamtentitel, den man nicht durch Erbe oder Abstammung erlangt, sondern indem man eine Prüfung ablegt. Und so stellt Mandarin Tân zwar als Richter eine Respektsperson dar, der man mit großer Ehrerbietung gegenüber tritt, sein gesunder Menschenverstand und seine Herkunft aus recht einfachen Verhältnissen sind ihm aber bei seiner Arbeit von weitaus größerem Nutzen als sein Titel.

Der junge Mandarin hat sich mit einigen Fällen gleichzeitig zu beschäftigen, die ihn schwer auf Trab halten. So gibt ihm zum Beispiel der Überfall auf ein Handelsschiff große Rätsel auf. Bei der Befragung gibt die schwer in Mitleidenschaft gezogenen Besatzung an, die Piraten seien Tote gewesen, die wieder auferstanden sind, um diesen Raubzug durchzuführen. Auch der Diebstahl von Grabsteinen ist zu untersuchen, des weiteren der Tod zweier Frauen, die auf dem geplünderten Schiff ihr Leben lassen mussten und die nach Auskunft der Gefängniswärterin Madame Eisenhut an einer unheilbaren Krankheit litten und deshalb fortgebracht werden mussten. Noch rätselhafter ist der Tod des Grafen Diêm, dessen Kehle durchschnitten wurde, obwohl die Tür zu seinem Schlafzimmer verschlossen war und kein Zugang zum Balkon möglich war.

Der geneigte Leser wird nach kurzer Eingewöhnungszeit, die nicht nur dem fremden und exotischen Umfeld geschuldet ist, bald erkennen, dass gewisse Beziehungen der Verbrechen untereinander bestehen müssen. Die Schlüsselfigur scheint hierbei Eunuch Clemens zu sein, ein Handelstreibender, dessen Fracht gestohlen wurde, und zugleich Schwager des Grafen Diêm. Zudem bürgte er für Madame Eisenhut, die nun als Wohnsitzlose vor der Stadt lebt, da sie in der Vergangenheit angeklagt wurde, den Tod ihres Mannes verschuldet zu haben. Mandarin Tân schwankt zwischen Verdächtigung und Anbetung der jungen Frau. Doch auch die Ehefrau von Eunuch Clemens, Madame Libelle, wirbelt durch seine Gedanken. Da kann er nur froh sein, dass sein Freund, der Schriftgelehrte Dinh, einen kühlen Kopf bewahrt und ihn bei den komplizierten Ermittlungen unterstützt.

Thanh-Van Tran-Nhut ist hier ein kurzweiliger, aber keineswegs oberflächlicher Roman gelungen, den man, wenn man sich einmal mit der Ausgangssituation beschäftigt hat, nicht mehr aus der Hand legen möchte. Zu Beginn fehlen dem Leser vielleicht die Kenntnisse über die Figurenkonstellation, die vorausgesetzt werden, da wir hier schon den dritten Band lesen, doch man kann sich schnell in die Situation einfinden.

Das schwarze Pulver von Meister Hou ist eine Sternstunde für Krimileser; für solche, die einen spannenden Roman mit exotischem Hintergrund und gleichzeitig gut recherchierten geschichtlichen Fakten zu schätzen wissen. Das kleine Vietnam wird zu dieser Zeit nicht nur durch das mächtige China bedroht, sondern auch die Europäer machen sich breit, hier exemplarisch dargestellt in Form eines französischen Jesuiten, der allerdings nicht missioniert, sondern die fernöstlichen Lehren in sich aufnehmen möchte. Der Handel floriert so gut, dass in Vietnam selbst die Waren knapp werden, da reichere Länder mehr bezahlen. So wird es z.B. schon schwierig, die geeigneten Zutaten für die benötigte Medizin zu beschaffen.

Aber nicht nur das exotische Umfeld übt einen Reiz aus, sondern auch die leichte Ironie, mit der die Autorin die Story ausgestattet hat. Leicht skurril sind die Personen, die die Handlung begleiten, wobei Mandarin Tân sicher noch die bodenständigste aller Figuren ist. Interessant sind auch die fantastischen Elemente, die jedoch immer wieder mit plausiblen Erklärungen in die Realität zurückgeführt werden. Der Aberglaube spielt eine ebenso große Rolle wie die unterschiedlichen Glaubensrichtungen von Taoismus bis Konfuzianismus, die von Mandarin Tân, Madame Eisenhut und dem Jesuiten Hsiu-Tung kontrovers diskutiert werden.

Das schwarze Pulver von Meister Hou ist lebendig, spannend, unterhaltsam und zugleich tiefgründig. Der Unionsverlag würde nicht nur sich, sondern auch vielen Krimilesern einen großen Gefallen erweisen, wenn die fehlenden Bände der Serie bald auf Deutsch erscheinen würden, beginnend natürlich mit Band eins.

Das schwarze Pulver von Meister Hou

Tran-Nhut, Unionsverlag

Das schwarze Pulver von Meister Hou

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