Habgier

  • be.bra
  • Erschienen: Januar 2003
  • 1
  • Berlin: be.bra, 2003, Seiten: 280, Originalsprache
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Jörg Kijanski
75°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2008

Ein authentischer Fall packend erzählt

Berlin im Jahr 1916. Der Erste Weltkrieg ist in vollem Gang und dem entsprechend die Lage in der Stadt. Die meisten Männer sind an der Front, immer mehr Frauen müssen in Männerberufen arbeiten und wissen kaum, wie sie sich und ihre Kinder ernähren sollen. Da erscheint es fast schon als ein glücklicher Schicksalsschlag, dass der junge Journalist Max Kaminski einen Herzfehler hat und infolgedessen nicht in den Krieg ziehen muss. Stattdessen arbeitet er für das "Berliner Abendblatt", dem allerdings aktuell die Themen ein wenig ausgehen. So kommt es, dass Kaminski einige Wochen die Berliner Kriminalpolizei bei ihrer Alltagsarbeit begleiten soll und dabei Kommissar Ernst Gennat zur Seite gestellt wird.

An seinem ersten Arbeitstag bekommt Kaminski zufällig mit, wie eine Frau ihre Nachbarin Martha Franzke als vermisst meldet. Doch die Vermisstenabteilung will sich der Sache nicht annehmen, da im hektischen Durcheinander dieser Zeit nahezu alltäglich Menschen verschwinden, von denen die meisten irgendwann wieder auftauchen. Auch Ernst Gennat weigert sich, die Angelegenheit ernst zu nehmen, was sich jedoch wenig später ändert. In einem Koffer wird in der Gepäckaufbewahrung eines Bahnhofes die Leiche einer brutal zugerichteten Frau gefunden, der man offensichtlich versucht hat, den Kopf abzuschneiden. Es handelt sich um Martha Franzke und nun beginnen Gennat und Kaminski das Privatleben der Frau zu beleuchten. Schon bald gibt es erste Verdächtige, doch diese verstricken sich in mitunter widersprüchliche Aussagen und belasten sich gegenseitig.

"True Crime" und ein Blick in das soziale Elend Berlins während des Ersten Weltkriegs

Dieser im berlin.krimi.verlag als "Historischer Krimi" erschienene Roman stellt die Arbeit der Berliner Polizei im Ersten Weltkrieg in den Vordergrund. Ernst Gennat, später zu Zeiten der Weimarer Republik der "Star der Berliner Kommissare", wirkt in diesem Fall zunächst noch ein wenig hilflos. Ideen des an der Kriminalistik interessierten Journalisten Kaminski verwirft er nur all zu oft, da diese ihm viel zu weit hergeholt erscheinen. Nur Fakten zählen für Gennat, für wilde Spekulationen hat er keine Zeit. Umso mehr wird Kaminski ein ums andere Mal überrascht, da Gennat dem jungen Mann offenbar doch einiges zutraut und dessen Anregungen zunehmend, wenn auch widerwillig nachgeht.

 

"Können Sie die Frau beschreiben?"
"Nee, kann ick nich."
"War sie groß oder eher klein?"
"Groß war se nich. Aber kleen ooch nich."
Gennat lehnte sich in seinen Sitz zurück und schloss die Augen.

 

Der Fall Martha Franzke schockierte 1916 die Berliner Öffentlichkeit. Regina Stürickow lässt ihren Roman also vor dem Hintergrund eines wahren Verbrechens spielen und so stimmen u. a. die Namen der Polizisten, Straßennamen und die Lösung des Falles mit den Fakten überein. Allein Max Kaminski und das "Berliner Abendblatt" gab es nicht. Authentisch beschreibt die Historikerin Stürickow die sozialen Zustände in Berlin und so ist Habgier zwar ein spannend zu lesender Kriminalroman, aber darüber hinaus auch ein Einblick in ein dunkles Kapitel deutscher Geschichte bzw. der damaligen sozialen - aus heutiger Sicht unvorstellbaren - Missstände.

Wer sich über Berlin und wahre Kriminalfälle der 20er Jahre und/oder die Polizeilegende Ernst Gennat weiter informieren möchte, dem seien zudem Regina Stürickows Bücher Der Kommissar vom Alexanderplatz (natürlich Ernst Gennat gewidmet) und Mörderische Metropole Berlin empfohlen, deren Rezensionen Sie unter der Rubrik True Crime auf Ihrer Krimi-Couch finden.

Habgier

Regina Stürickow, be.bra

Habgier

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