Panik

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 2006
  • 6
  • Parma: Guanda, 2004, Titel: 'Blackout', Originalsprache
  • München: Goldmann, 2006, Seiten: 242, Übersetzt: Katharina Schmidt
Panik
Panik
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2008

Allein im Aufzug mit dem Psychopathen

Aldo Ferro ist eigentlich ein fürsorglicher Familienvater, der sich gerne darüber aufregt warum ein Kind wie sein Sohn Jacopo unbedingt ein Handy haben soll. Beruflich leitet Aldo, der sich selbst als größten lebenden Elvis-Fan sieht, in Bologna drei Open-Air-Lokale, allen voran das Pink Cadillac. Alles in bester Ordnung, doch - wie schon angedeutet - nur eigentlich, denn Aldo führt ein Doppelleben. Neben Familie und Kneipen frönt er noch einer weiteren Leidenschaft, den so genannten Snuff-Videos. Diese anzugucken ödet ihn jedoch zunehmend an und so hat er gerade einen jungen Mann in Gefangenschaft genommen, um den perfekten Film selber zu drehen. Nur noch einmal kurz in seine geheim gehaltene Junggesellenwohnung im 20. Stock und schon kann der Film vollendet werden. Dumm nur, dass Aldo im Aufzug stecken bleibt.

Gemeinsam mit anderen Menschen auf engstem Raum in einem Aufzug zu fahren ist auch dem 16-jährigen Thomas zuwider, zumal dieser in Gedanken im fernen Parma ist. Dort wartet seine große Liebe Francesca, mit der er nach Amsterdam durchbrennen will. Die Zeit drängt, aber statt der gemeinsamen Flucht steckt Thomas in einem Aufzug fest. Zusammen mit einer jungen Frau mit grünen Haaren und einem etwas seltsamen Elvis-Double.

Claudia, die 24-jährige Frau mit den gefärbten Haaren, will nur noch eins. In ihre Wohnung im 19. Stock und dann unter die Dusche. Stattdessen steckt sie mit zwei Männern in einem Aufzug fest, von denen ihr der schmierig erscheinende Elvis-Verschnitt überhaupt nicht geheuer erscheint. Nicht zuletzt, weil dieser den Blick kaum von ihrer recht freizügigen Dienstkleidung abwenden kann...

Gute Grundidee, wäre da nicht schon der Film Abwärts

Gianluca Morozzi spielt in Panik geschickt mit den Ängsten von Menschen, die auf engstem Raum mit fremden Personen zusammen eingeschlossen sind. Gerade einmal 1,30 m tief und nur 0,95 m breit ist der Aufzug, in dem Aldo, Thomas und Claudia festsitzen. Das Schreckensszenario kann also beginnen, denn ihre Hilferufe werden nicht gehört, die Handys haben keinen Empfang und mit der Zeit wird auch die Luft knapp.

Der Beginn der Aufzugfahrt startet ab Seite 82. Bis dahin nimmt sich der Autor Zeit, seine Figuren und deren aktuelle Interessen vorzustellen. Aldo ist - wie bereits erwähnt - durch und durch Elvis-Fan, Claudia kennt jede Serie von Supermannheften und Thomas hat ein Faible für Thunder Road von Bruce Springsteen. So wird zunächst viel am eigentlichen Plot vorbei erzählt, doch dient dies letztlich zum Verständnis der persönlichen Befindlichkeiten während der Zeit im Aufzug.

Die klaustrophobische Stimmung in der engen Kabine wird von Morozzi gut geschildert, ebenso wie die Gedankengänge der drei Protagonisten. Insbesondere Aldo kann sein zweites Ich nur mühsam im Griff halten. Natürlich würde er, der jede Frau meint haben zu können, am liebsten Thomas mit seinem Taschenmesser abstechen und danach über Claudia in ihrem aufreizenden Outfit herfallen. Doch dann siegt wieder die Stimme der Vernunft, denn wie soll er später eine solche Situation erklären?

Ein recht spannendes Katz- und Mausspiel mit überraschendem Ende. Leider schweift die Story mitunter weit vom Thema ab, zumal wenn die drei Hauptfiguren ihren Gedanken nachhängen. So gelangt u. a. die Comicfigur Dylan Dog kurzzeitig zur Berühmtheit. Die Erzählweise des Autors ist sicher nichts für jeden Geschmack, der Plot in sich aber stimmig und so bleibt zum Schluss festzuhalten, dass Panik noch besser wäre, wenn man nicht ständig an Götz George in dem Film Abwärts denken müsste. Aber das ist eine andere Geschichte.

Panik

Gianluca Morozzi, Goldmann

Panik

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