Der letzte Freitag

  • Rowohlt
  • Erschienen: Januar 2008
  • 2
  • Uithoorn: Karakter, 2006, Titel: 'Vrijdag', Originalsprache
  • Reinbek bei Hamburg: Rowohlt, 2008, Seiten: 330, Übersetzt: Isabel Hessel
Der letzte Freitag
Der letzte Freitag
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Jörg Kijanski
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2008

Das Familienleben der Protagonistin dominiert den Plot

Schon als Teenager verliebte sich Sandra in Eduard und bekam bereits mit siebzehn Jahren ihren Sohn Ed. Zwei Jahre später folgte Marije, doch fortan lief es in der Beziehung mit Eduard nicht mehr, da dieser Sandras sexuelle Ansprüche nicht ausreichend befriedigen konnte. So kam es zu einer Reihe von Seitensprüngen, die bislang ohne Konsequenzen blieben. Bis heute, denn der aktuelle Liebhaber Sandras, der 38-jährige Jochem, mit dem sie sich jeden zweiten Freitag im Hotel De Beurs trifft, ist nicht einfach nur ein weiterer Mann in ihrer Sammlung, sondern gleichzeitig auch der Freund ihrer Tochter Marije.

So plagt Sandra zunehmend ein schlechtes Gewissen und sie entscheidet sich, die Beziehung mit Jochem zu beenden, aber dieser kommt ihr zuvor und beendet stattdessen sein Verhältnis mit Marije. Am nächsten Tag will Jochem Sandra über sein Trennungsgespräch mit Marije berichten, doch ein Anruf bleibt aus. Stattdessen werden Sandra und Eduard am darauf folgenden Morgen von Jochems Eltern aus dem Bett geklingelt. Jochem wurde zusammen mit einer älteren Frau im Hotel De Beurs mit durchgeschnittener Kehle aufgefunden. Wenig später stellt die Polizei fest, dass Jochems Wohnung völlig verwüstet wurde und zudem von Marije jede Spur fehlt.

Sandra ist völlig durcheinander. Einerseits wegen des plötzlichen Verlustes ihres Liebhabers, andererseits wegen dessen Betrugs ihr gegenüber. Wie viele Frauen mag er noch gehabt haben und noch mehr drängt natürlich die Frage, wie lange sich ihre Beziehung weiter geheim halten lässt. Die Bombe tickt und scheint das ohnehin nicht einfache Familienleben von Sandra in ihren Grundfesten zu erschüttern. Zu allem übel erhält Sandra auch noch anonyme Anrufe und fühlt sich verfolgt. Sollte der Anschlag letztlich ihr gegolten haben?

Nach 88 Seiten passiert etwas, womit keiner mehr rechnen konnte - ein Mord!

Das Debüt von Loes den Hollander sorgte in Holland für Aufsehen und laut dem herausgebenden Rowohlt-Verlag dafür, dass sie "auf Anhieb in die oberste Riege der holländischen Thrillerautoren aufgestiegen ist". Doch selbst unter Berücksichtigung des Umstandes, dass unser Nachbarland nicht für eine unübersehbar große Riege erstklassiger Thrillerautoren bekannt ist, so schlecht kann es um Holland nicht bestellt sein. Aber der Reihe nach.

Schon Sandras Großvater war ein leichtlebiger Mann, der nur selten eine Gelegenheit zu einem Seitensprung ausließ bis er eines Tages unter denkwürdigen Umständen verschwand. Lediglich seine Kleider und einen kleinen Abschiedszettel fand man an einem Fluss, dabei war ihr Opa als guter Schwimmer bekannt. Seine Gene scheint Sandra jedenfalls geerbt zu haben, denn schon bald nach der Geburt von Marije geht sie erstmals fremd mit dem Mann der Nachbarin. Eduard scheint dies nicht zur Kenntnis zu nehmen oder zu ignorieren, jedenfalls schadet es nicht der Beziehung. Aber als sich Sandra ausgerechnet in den Freund ihrer Tochter verliebt ändert sich die Situation schlagartig, zumal Sandra und Marije schon seit langem auf Kriegsfuß stehen.

Viel Familienleben, endloses Sinnieren über die Konsequenzen ihres Verhaltens und nebenbei ein klein wenig Spannung

An dieser Stelle könnte man jetzt noch seitenlang das (mehr oder auch weniger interessante) Familienleben breit treten, so wie es die Autorin in ihrem Roman tut, doch kann man mit den vorstehenden Informationen auch ganz beruhigt einfach auf Seite 88 vorblättern, denn hier passiert etwas, mit dem kaum noch gerechnet werden konnte. Keine weitere Familienepisode, kein weiteres Sinnieren darüber, dass diese Beziehung doch besser beendet werden sollte bevor diese bekannt und die Situation daraufhin womöglich unkontrollierbar wird, sondern ein Mord. Sogar ein Doppelmord! Zum Glück steht jedoch auf dem Buchcover das Wort "Thriller" und so hält man lange genug durch bis endlich etwas passiert. Und dann? Dann geht alles weiter wie bisher. Sandra plagt sich mit dem Gedanken, was passiert, wenn im Zuge der polizeilichen Ermittlungen ihr Mann und vor allem Marije von ihrer Beziehung zu Jochem erfährt. Für Spannung im kriminalistischen Sinn sorgen hier nur einige wenige Passagen, in denen sich Sandra verfolgt fühlt oder in denen sie von einem anonymen Anrufer behelligt wird.

Alles andere als ein Meilenstein des Genres, aber für Leser von Patricia Macdonald zu empfehlen.

Betont zurückhaltend wird der Spannungsbogen auf den verbleibenden 250 Seiten nach dem Mord aufgebaut. Der durch den Mord und die drohenden Enthüllungen gefährdete Mikrokosmos von Sandras Familie steht permanent im Vordergrund. Dies an sich ist spannend zu lesen und da Sandra offensichtlich zunehmend in Gefahr gerät, entsteht nun eine längere Passage, in der man einfach weiter lesen möchte, wenngleich die Auflösung dann doch enttäuscht, um es mal freundlich zu umschreiben.

Der letzte Freitag ist weder eine Offenbarung noch genrerelevant, jedoch für Leserinnen, die gerne nebenbei auch das ein oder andere Familiengeheimnis lüften wollen, womöglich genau das richtige Buch. Auch Leser von Patricia Macdonald kommen hier auf ihre Kosten.

Der letzte Freitag

Loes den Hollander, Rowohlt

Der letzte Freitag

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