Noir

  • Heyne
  • Erschienen: Januar 2007
  • 2
  • Paris: Denoël, 2005, Titel: 'Noir', Seiten: 292, Originalsprache
  • München: Heyne, 2007, Seiten: 302, Übersetzt: Oliver Ilan Schulz
Noir
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Thomas Kürten
70°1001

Krimi-Couch Rezension vonJul 2008

Noir meets Science-Fiction

Der Roman noir ist wohl der Inbegriff für französische Krimikultur. Hier wird ein Verbrechen nicht als individualpsychologisch motivierte Tat oder gar an Genialität nicht zu überbietendes Spiel beschrieben, sondern als Ergebnis politischer Intrigen und sozialer Verhältnisse. Léo Malet und Jean Amila waren bekannte Vertreter der alten Garde; als ab den 70er Jahren der Neo-Polar entsteht und immer weiter politische Ereignisse in Krimiform aufgearbeitet werden, machen sich zunächst Jean-Patrick Manchette und Didier Daeninckx, dann auch Yasmina Khadra oder Dominique Manotti einen Namen. Und nun dies: Die neueste Komponente bieten die Autoren wie Maurice Dantec oder eben Olivier Pauvert. Sie mischen den Noir mit Elementen aus Science-Fiction und Fantasy.

In Pauverts Roman Noir werden vom Autor extremistische Tendenzen der Gegenwart aufgegriffen und auf eine nicht allzu weit entfernte Zukunft projiziert. Der Roman beginnt in einem Jahr nach einem politischen Umsturz. Eine nationalfaschistische Partei regiert in Frankreich. Der namenlose Protagonist und Ich-Erzähler hat sie sogar gewählt. Als er am Rande einer Feier aus seinem Drogenrausch erwacht, findet er die grausam zugerichtete Leiche einer jungen Frau und wird kurz darauf als Verdächtiger verhaftet. Doch die Polizisten bringen ihn nicht zum nächsten Revier, sondern fahren ihn aus der Stadt raus, weil mit Mördern nun seit neuestem kurzer Prozess gemacht wird. Doch auf der Fahrt über eine Passstraße verliert der Fahrer die Kontrolle über das Fahrzeug, das in eine tiefe Schlucht stürzt.

Zurück in die Zukunft

Der Protagonist wird aus dem Wagen hinausgeschleudert und findet sich nach dem Sturz ohne große Blessuren in einem Wald am Fuße der Schlucht wieder. Er begegnet einem Mann mit Down-Syndrom, der ihn wieder fort schickt. Er klettert die steilen Felswände hinauf und kehrt so zurück - in die zwölf Jahre entfernte Zukunft.

Er kehrt zurück als Außenseiter: Nun selbst die Kennzeichen eines Menschen mit Down-Syndrom tragend macht er sich selbst auf die Suche nach den Hintergründen des Mordes an der jungen Frau. Er muss sich dabei in einem gesellschaftlichen System zurechtfinden, das Jagd auf Außenseiter wie ihn macht. Eine auf geheimnisvolle Art willenlose und gleichgeschaltete Bevölkerung, in der nur wenige gegen die Doktrin der Staatsmacht immun zu sein scheinen. Und bald stellt er fest, dass er nicht unbewaffnet in diese Welt zurückgekehrt ist: Allein mit seinem Blick kann er nun töten.

Trendsetter?

Immer öfter ist in letzter Zeit die Vermischung von klassischen Kriminalromanmotiven mit Elementen der Fantasy-Literatur, wie in diesem Falle der Science-Fiction, zu beobachten. Olivier Pauvert, von Beruf eigentlich Pharmazeutiker, ist mit seinem Debütroman bestimmt kein Vorreiter, da gab es schon andere vor ihm, doch er hat diesen Trend erkannt und ihn für sein Debüt genutzt. Noir ist in Frankreich sehr erfolgreich gewesen. Doch da er keinen unmittelbaren Bezug auf gegenwärtige gesellschaftliche oder politische Ereignisse in Frankreich, sondern eher auf Stimmungen und Tendenzen nimmt, muss das kein rein französisches Phänomen bleiben.

Noir bietet phasenweise hochunterhaltsame Ermittlungen, immer wieder Spannung und enge Verfolgungsjagden, aber auch fantastische Elemente, an die man sich erst mal gewöhnen muss. Zu einem geheimnisvollen Anfang passt auch ein nicht weniger unheimliches Finale. Das Wörtchen "skurril" trifft es wohl am besten, wenn man dem Buch einen Stempel aufdrücken will. Pauverts Debüt ist eine absolute Empfehlung für Krimifreunde, die mal ein Abenteuer wagen wollen.

Noir

Olivier Pauvert, Heyne

Noir

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