Martinstag

  • Ullstein
  • Erschienen: Januar 2007
  • 1
  • Berlin: Ullstein, 2007, Seiten: 366, Originalsprache
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Jörg Kijanski
65°1001

Krimi-Couch Rezension vonMär 2008

Kann, muss man aber nicht gelesen haben

Als ein Pilzesammler im Stadtwald die Leiche einer schwer misshandelten Frau findet, ahnen Edna Beck und ihre Kollegen von der Koblenzer Kripo zunächst nicht, dass dies der Auftakt zu einer Jagd nach einem besonders perfiden Serienmörder ist. Vielmehr gibt die Identität der Frau den Beamten Rätsel auf.

Stunden später wird ein weiterer Mordfall gemeldet. Eine Grundschullehrerin wurde in ihrer Wohnung regelrecht abgeschlachtet. Zahlreiche Stichwunden und ein abgeschnittener Daumen sind nur einige Verletzungen, die auf die besondere Brutalität des Täters hindeuten. Doch viel schlimmer ist, dass dieser unterhalb des Bauchnabels der Lehrerin ein X in die Haut geritzt hat. Dies führt die Ermittler zu dem in einer geschlossenen Anstalt einsitzenden Jörg Nevers, der vor einigen Jahren mehrere junge Frauen brutal vergewaltigt hat und sein letztes Opfer sogar ermordet haben soll. Als Andenken ritzte er seinen Opfern mit einem Messer ein X in den Bauch, was allerdings aus ermittlungstaktischen Gründen nie der Öffentlichkeit bekannt gegeben wurde. Dem ihm zugeschriebenen Mord widersprach er immer.

Die Identität des ersten Opfers wird nach einiger Zeit geklärt. Es handelt sich um eine aus Osteuropa stammende Prostituierte aus Bonn, die sich offenbar schon über Monate in der Gewalt ihres Peinigers befand. Auf der Suche nach ähnlich gelagerten Fällen finden die Ermittler heraus, dass es bereits vor einigen Jahren in Köln einen vergleichbaren Fall gab. Eine Mutter, die ihre Kinder misshandelte, wurde damals ermordet. Auch sie trug das "Andenken" auf ihrem Bauch. Sollte Nevers tatsächlich zu Unrecht wegen Mordes angeklagt worden sein oder hatte er damals womöglich einen Partner? Die Psychologin Molly Erler, die das zu Nevers Einweisung führende Gutachten erstellte, wird erneut in die Ermittlungen einbezogen. Ganz gegen ihren Willen...

Ein Opfer in der Gewalt eines Irren. Sehr eindringlich beschrieben

Martinstag ist eines dieser Bücher, die einmal mehr einen irritierten Rezensenten zurück lassen. Einerseits eine spannende und durchaus gut geschriebene Geschichte, doch dann immer wieder Passagen und Sequenzen, bei denen man tief durchatmen muss. So zum Beispiel beim ersten Kapitel bzw. den ersten zwanzig Seiten, die man(n) gerne getrost ganz auslassen kann, ohne etwas Wesentliches zu versäumen. Dann allerdings nimmt die Story richtig Fahrt auf und schlägt den Leser in ihren Bann. Sehr gekonnt wechseln sich dabei zwei Szenarios ab. Einerseits laufen die Ermittlungen in den Mordfällen an, andererseits wird die Situation des neuesten Opfers, einer jungen Studentin, dargestellt. Diese befindet sich bereits in der Gewalt des Täters, eingesperrt in einem dunklen Kellerverlies und blickt ihrem Schicksal entgegen. Das Leiden der Frau und ihre Gedankengänge, die aufgrund ihrer mangelnden Ernährung bald zu Phantastereien in Form von Zwiegesprächen mit ihrem verhassten Bruder führen, sind hervorragend dargestellt.

Doch dann das Szenario der laufenden Ermittlungen. Die eigentliche Polizeiarbeit wird authentisch dargestellt, wenngleich die Ermittler immer wieder feststellen müssen, dass sie in der Sache keinen Schritt weiter kommen. Ein erkennbares System ist in deren Vorgehensweise aber auch nicht erkennbar, mehr erscheint es wie das blinde Suchen nach der berühmten Nadel im Heuhaufen. Verdächtige werden nur zaghaft befragt. Dazu kommt eine Profilerin, Molly Erler, die im Wesentlichen mit allgemeinen Phrasen eher zur Langeweile und Verwirrung der Beamten beiträgt, denn zu konkreten Ergebnissen. Von dem seltsamen Berufsethos der Psychologin einmal ganz zu schweigen.

Einige Schwachstellen trüben den Lesespaß

Nicht verschwiegen werden soll hingegen, dass die Figur des Serienvergewaltigers Jörg Nevers, der vielleicht so etwas wie die Figur eines Hannibal Lecter hätte werden sollen oder können, enttäuschend ist. Er selber kommt persönlich nur in einer einzigen Szene vor und beherrscht ansonsten die Geschichte vor allem deshalb, weil sich Edna Beck und Kollegen fragen, ob er evtl. und wenn ja was, mit den Morden zu tun haben könnte. Ansonsten fällt der - wie bereits gesagt - in einer geschlossenen Anstalt einsitzende Nevers kaum auf und dass er selber nicht als Täter in Frage kommt, ist ja ohnehin offensichtlich.

Die Figurenzeichnungen sind weitgehend akzeptabel, wenngleich auch hier einige Personen leicht nervend sind. Die bereits erwähnte Profilerin Erler und Edna Becks Nachfolgerin in Bezug auf deren Exmann, seien beispielhaft genannt. Angenehm fällt dagegen Edna Beck selber auf, die allerdings auf ein völlig verkorkstes Privatleben zurückblicken muss. So ist es halt manchmal, aber immerhin ist sie diesbezüglich erfreulich konsequent. Bliebe zum Schluss noch die Auflösung, bei der man aufschreien möchte "Bitte, nicht schon wieder!".

Somit kann festgehalten werden, dass man mit Martinstag zwar nicht gänzlich falsch liegt und sich durchaus einige Stunden unterhalten kann. Einen wirklichen Glücksgriff landet man mit diesem Buch aus der Kategorie Massenware aber leider auch nicht.

Martinstag

Silke Barden, Ullstein

Martinstag

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