Koks und Kosakenkaffee

  • Conte
  • Erschienen: Januar 2007
  • 7
  • Saarbrücken: Conte, 2007, Seiten: 286, Originalsprache
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Jochen König
1001

Krimi-Couch Rezension vonFeb 2008

Ein Desaster

Zwei ältere Damen basteln Marzipanfigürchen, die der Enkel einer der beiden zum Schmuggel missbraucht; eine junge Drogensüchtige wird ermordet, die Ermittlungen nimmt der LKA(!!!) Beamte Philipp Guzzo samt seines unfähigen Assistenten Krämer auf. Am Ende kann er Mörder und Drogenkurier unschädlich machen, nur unwesentlich unterstützt und behindert von seiner aus Schweden stammenden Gattin Svea, die, zu allem Unheil, von der Drogenfahndung zur Geheimnisträgerin und Dolmetscherin gekürt wird. Zudem verursachen die beiden (fast?) kriminellen Seniorinnen weitere amphetamingeschwängerte Aktionen; ferner wird die Handlung aufgebläht durch eine radebrechende Schwiegermutter, einen kriminellen Apotheker, eine Hand voll betagter Frauen, ein schwedisches Schlagersternchen mit Hang zu Junkies, ihren meschuggen Nachbarn, sowie dem gewalttätigen Ex-Ehemann der schwedischen Singdrossel. Am Ende werden Täter und Komplizen aus dem Hut gezaubert, dass es einen schaudert; aber da ist schon alles zu spät...

Koks und Kosakenkaffee wäre ein Grund, die Bewertungsskala der Krimi-Couch für bare Münze zu nehmen und sie in arktische Temperaturen abrutschen zu lassen.

An diesem Buch stimmt überhaupt nichts: Die Witze sind bemüht und modrig, Spannung kommt zu keinem Zeitpunkt auf; die Geschichte selbst gibt wenig her, und was Strauss daraus macht, ist noch viel weniger, hat außer (vermutetem) Lokalkolorit nichts zu bieten, was auch nur von allerkleinstem Interesse sein könnte. Ganz schlimm wird´s, wenn die Autorin versucht, ernsthaft zu werden und über die Ursachen von Kriminalität u.ä. räsoniert. Dazu hat sie zwei Antipoden erschaffen, den Polizisten Guzzo und seine Frau Svea, die sich beide in unsäglichen Stammtischparolen ergehen.

 

"Ein Typ, sagen wir auf Heroin, bricht bei deiner Mutter ein, brät ihr eins über, nimmt mit, was er an Wertgegenständen kriegen kann. Dein Erbe, Svea! Unter anderem hat er sich auch den Faun aus feinstem Kopenhagener Porzellan unter den Nagel gerissen. Auf der Treppe fällt er ihm runter und zerschellt in tausend Stücke."

 

Wie lautet wohl die Antwort der liebenden Gattin (nach einer Ode auf den kitschigen Porzellanfaun)?

 

"Egal. Nach einigem Nachdenken würde ich sicher meinen Arg vergessen und auch den Faun."

 

Klein Stina erklärt dem lieben Lasse von nebenan doch so gern, wie´s zugeht in der Welt. Die unfreiwillige Namensgeberin Astrid Lindgren rotiert derweil in ihrem Grab.

Der Ehemann hat seine geistige Heimstatt in der Bahnhofskneipe (wenn er auch zu feinfühlig ist, mit den degenerierten Kollegen bluttriefende Splatterfilme zu schauen), die gute Gattin eher im alternativen Begegnungszentrum. Verlogen und inkonsequent wären sie beide - wenn man diese hohlen Phrasendrescher als Figuren ernst nehmen könnte. Aber auch das beherrscht Strauss nicht in Ansätzen; jede ihrer Protagonisten ist ein Papiertiger, ein bloßes Konstrukt, erschaffen von einer Autorin, die ihre Menschenkenntnis anscheinend aus Groschenromanen der Jahrhundertwende bezieht. Der Wende zum 20. Jahrhundert wohlgemerkt. Da dürfen "Oma Fina" und "Oma Ziggan" einige Kapitel bestreiten, die sie erst als naive Dummköpfe und später als schlitzohrige Drogenaktivistinnen zeigen; da gibt´s dusselige LKA-Beamte, die bei Inspektor Clouseau in die Lehre gegangen sein könnten (allerdings ohne je komisch zu sein); auf Besuch ist eine Schwiegermutter, die einem dieser "Lustigen-Schwedinnen"-Filme der frühen Siebziger entsprungen sein könnte. Der ganz böse Bösewicht trägt natürlich einen wehenden, schwarzen Mantel und schwarze Handschuhe und darf sich wie Zarathustra fühlen, wenn er einen Delinquenten mit einer schallgedämpften Pistole erschießt.

Nicht, dass er eine große Rolle in dem ganzen Desaster spielen würde. Er taucht aus dem Nichts auf, schießt und ist wieder weg. Dass alle Ermittlungsergebnisse nur auf Zu- und Unfällen beruhen, braucht eigentlich kaum erwähnt zu werden. Strauss pflückt lieber den blödesten Kalauer vom Wegesrand, als sich um nachvollziehbare Entwicklungen zu kümmern. Vom Faktischen ganz zu schweigen: Das LKA (auch nicht das des Saarlands) besitzt keine eigenständig operierende Mordkommission, ebenso wird man dort keine Kriminalassistenten (vermutlich nirgendwo bei der deutschen Polizei) finden. Das LKA ist eine übergeordnete Behörde, die Polizeidienststellen unterstützt, bzw. in Dienstleistungsbereichen und Dezernaten wie Kriminaltechnik, der Wirtschafts- und organisierten Kriminalität u.ä. tätig wird.

Zu den inhaltlichen Defiziten gesellt sich eine Sprache, die kein Klischee auslässt, die sich in haarigen Vergleichen suhlt, dass es der Sau graust (dieser Vergleich muss erlaubt sein). Mehrfach taumelnde Insekten, überquellende Aschenbecher, die an die Schlacht von Trafalgar erinnern, hysterisch klirrende Biergläser - Strauss bekommt kaum einen Satz hin, ohne das Weltall in seinen Grundfesten erschüttern zu wollen.

Koks und Kosakenkaffee lässt das Lesen von der ersten bis zur letzten Seite zur Qual werden. Ich bin wahrlich kein Henning-Mankell-Fan. Aber dass der Conte-Verlag sich erdreistet, zu behaupten, mit Koks und Kosakenkaffee "käme Mankell an die Saar" - das hat der Schwede selbst in seinen schlechtesten Momenten nicht verdient!

Man muss anscheinend eingefleischter Saarländer sein, darf in seinem Leben noch nie was von Agatha Christie, von Krimis überhaupt, gehört und gelesen haben, um an diesem Machwerk Gefallen zu finden. Doch wenn "lebendiger Lokalkolorit" tatsächlich ein Leseanreiz sein sollte, dann bietet selbst der Völklinger Busfahrplan vermutlich mehr Spannung, Witz und Tiefgang als JuttaStina Straussens Elaborat.

Jaja, ich sehe die Einwände vor mir - "K. u. K. ist ein zartes Pflänzchen, ein Debüt, putzig und fromm, in dem grammatikalisch meist korrekte Sätze stehen ("Tenislehrer" schreibt sich trotzdem mit zwei n!). Da musst du nicht mit Kanonen drauf schießen." Doch, muss ich. Denn diese 286 Seiten bedrucktes Papier sind Zeittöter der übelsten Sorte. Man hätte so viel Sinnvolleres tun können, als sich von diesem Buch vergewaltigen zu lassen. Sportplätze auf Zugfahrten zählen, Lichter an- und ausknipsen, Flaschen drehen, etliche Runden Singstar spielen und was sonst noch alles... Außerdem habe ich gehört, Frau Strauss sei eine passable Schwedisch-Lehrerin. Warum ist sie nicht glücklich und zufrieden damit? Ist doch ein wunderbarer Beruf. Ich hatte neulich das Booklet einer schwedisch singenden Folkmetal-Band in der Hand. Wo war JuttaStina? Sie hätte einen tollen Job verrichten können. Stattdessen wildert sie in Revieren, für die sie keinen Jagdschein besitzt. Falsch. Sie kennt nicht mal die Anfahrtswege.

Koks und Kosakenkaffee

JuttaStina Strauss, Conte

Koks und Kosakenkaffee

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