Lasst die Kadaver bräunen

  • Distel
  • Erschienen: Januar 2007
  • 1
  • Paris: Gallimard, 1971, Titel: 'Laissez bronzer les cadavres!', Originalsprache
  • Heilbronn: Distel, 2007, Seiten: 190, Übersetzt: Katarina Grän
Lasst die Kadaver bräunen
Lasst die Kadaver bräunen
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Thomas Kürten
76°1001

Krimi-Couch Rezension vonDez 2007

Bis zum Morgengrauen

 

"Zum Teufel, da war etwas ganz Außergewöhnliches und ästhetisch Erregendes im Gange!" 

 

Jean-Patrick Manchette und Jean-Pierre Bastid lassen es in Lasst die Kadaver bräunen! kräftig krachen. Mit einem Schützengrabenkampf bei wechselnden Konstellationen verstanden sie es, 1971 die französische Krimiszene aufzumischen und legten damit auch die Wurzeln für den "Neo-Polar", ein knallhartes Subgenre in der französischen Kriminalliteratur.

Schon im ersten Satz knallt ein Schuss. Hier ist es allerdings noch eine kleinkalibrige Kugel, die auf eine Leinwand abgefeuert wird. Malerin Luce lässt ihren Gast Gros auf ein soeben von ihr fertig gestelltes Gemälde feuern. Luce ist eine in die Jahre gekommene Wilde, die auf ein wechselhaftes und unstetes Leben zurückblickt. Einer ihrer zahlreichen ehemaligen Liebhaber, der Autor Max, verbringt mit ihr und ihrem augenblicklichen Bettgenossen, dem Anwalt Brisorgueil, den Sommer in einem verlassenen Dorf in der französischen Provinz. Luce hatte vor Jahren das ganze Dorf nach und nach aufgekauft, um sich hier mit ihren Freunden in den Sommermonaten vom Leben (und vom Schnaps) treiben zu lassen.

Goldraub...

Außer den dreien hat Brisorgueil noch drei weitere Männer eingeladen: Gros und Rhino, denen ein Restaurant in Brüssel gehört, sowie den jungen Dichter Jeannot. Diese drei machen sich nach dem Frühstück auf dem Weg ins nächste Städtchen zum einkaufen und überfallen auf dem Rückweg mal eben einen eskortierten Goldtransport. Erfolgsbilanz: 250 Kilo Gold und fünf tote Polizisten. Ihr Plan ist es, sich mit der Beute in Luces Dorf zu verstecken, Gras über die Sache wachsen zu lassen und in zwei Monaten ohne Hast wieder heimzufahren. Doch auf dem Fluchtweg stehen zwei Frauen mit Baby am Straßenrand. Um nicht aufzufallen, halten die Gangster an, um die Damen ein Stück weit mitzunehmen. Doch der Zufall will, dass sie dasselbe Ziel haben.

Wie sich herausstellt ist die eine Frau die junge Geliebte von Max, die mit Kind und Kindermädchen vor ihrem Ehemann geflüchtet ist. Ihre Ankunft auf dem Lande ist nicht unbemerkt geblieben und als der junge Gendarm Lambert davon erfährt, erinnert er sich die an die Meldung, die er am Morgen gelesen hatte: Die Frauen werden wegen Kindesentziehung gesucht. Gemeinsam mit seinem Kollegen Roux macht er sich am späten Nachmittag auf den Weg in Luces Dorf.

... mit Nachspiel

Eine simple Geschichte, viele Kugeln, Blut, wenig Überlebende. Manchette und Bastid betätigen sich eines literarischen Amoklaufes, um ein ganzes Genre wachzurütteln. Es ist nicht einfach Hardboiled oder Noir, es ist ein frontaler Angriff, ein Kampf auf Leben und Tod, den die beiden hier beschreiben. Gut gegen Böse, Böse gegen Böse, Unbeteiligte, die sich zu Schuldigen machen. Die Autoren konzentrieren sich auf das Wesentliche. Ihnen kommt es nicht auf eine aufgeblähte Geschichte, Schicksale und Abgründe menschlicher Psyche an. Sie knallen uns die Sätze nur so um die Ohren. Und fast jeder ist ein Treffer.

Das sonst verlassene Dorf ist eine herrliche Kulisse für eine Schießerei und ein Versteckspiel mit wechselnden Rollen. Wer vor der unverhohlenen Gewalt nicht zurückschreckt, wird sich der hintergründigen Sozialkritik stellen. Wird sich aber auch der Frage stellen, ob das hier noch Kunst ist. Als ob die Autoren diese Frage geahnt hätten, beantworten sie sie zwischendurch immer wieder aufs neue: Ja, auch ein so radikalter und kühler Roman darf sich Literatur nennen.

Lasst die Kadaver bräunen

Jean-Patrick Manchette, Distel

Lasst die Kadaver bräunen

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