Wellenbrecher

  • Goldmann
  • Erschienen: Januar 1998
  • 22
  • München: Goldmann, 1998, Seiten: 412, Übersetzt: Mechtild Sandberg-Ciletti
  • München: Goldmann, 2000, Seiten: 412
  • München: Goldmann, 2003, Seiten: 411
  • München: Goldmann, 2005, Seiten: 411
  • München: Goldmann, 2011, Seiten: 411
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Tyrel Tyrel
85°1001

Krimi-Couch Rezension vonMai 2003

Das meint Krimi-Couch.de: Das Unverständnis über die Abgründe menschlichen Verhalten

Zentrales Thema dieses Krimis ist Sexualität. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Es ist weder ein sexistischer noch erotischer oder pornografischer Roman. Die Geschichte handelt vielmehr von den Ermittlungen in einem grausamen Mordfall und der damit verbundenen Charakterisierung der zwei Hauptverdächtigen und ihres Umfelds. Und dabei stellt sich heraus, dass die verschiedene Ausprägungen der Sexualität im Leben dieser Personen den Schlüssel für das Verbrechen darstellen.

Das Buch beginnt mit der Schilderung der Gedanken einer jungen, sterbenden Frau, die misshandelt und vergewaltigt im Wasser vor der englischen Küste treibt. Im nächsten Absatz wechselt die Perspektive zu dem vermeintlichen Mörder, den plötzliche Skrupel davon abhalten, die kleine Tochter des Opfers zu töten.

Mit dieser ebenso drastischen wie bizarren Einführung steckt der Leser mitten in dieser sehr sachlich und nüchtern erzählten Geschichte im Stile eines psychologisch aufbereiteten "Wer ist der Täter"-Romans.

Die an den Strand angeschwemmte Leiche wird von zwei pubertierenden Jungen entdeckt, von denen sich der Ältere zunächst an der vermeintlich sonnenbadenden Nackten ergötzt. Als ihnen klar wird, dass sie eine Tote beobachten, rufen sie mit Unterstützung eines Wanderers die Polizei. Der Wanderer entpuppt sich als ein junger Schauspieler mit einem auffälligen Sexualleben, der auf den Fund der Leiche in verdächtiger Weise und seltsam erregt reagiert. Schließlich gerät er durch widersprüchliche Aussagen in den Mittelpunkt der Ermittlungen.

Auch der Ehemann der Toten verhält sich auffällig. Trotz seiner offenkundigen Trauer bringen die Ermittlungen Details über sein Privatleben und das zwiespältige Verhältnis zu seiner Ehefrau ans Licht, die ihn automatisch in den Kreis der Verdächtigen integrieren. Gerade im Kontakt zu seiner psychisch auffälligen Tochter offenbart sich auch bei ihm eine emotionale Instabilität. Sein wackliges Alibi trägt dabei mehr zu seiner Be- als Entlastung bei.

Auf den ersten Seiten der Geschichte tauchen viele Personen in kurzen Szenen auf, deren Bedeutung für den späteren Verlauf der Handlung bereits angedeutet und im folgenden auch konsequent umgesetzt wird. Die ermittelnden Beamten werden im Verlauf der Handlung zu Persönlichkeiten erhoben. Der Bekanntenkreis des Schauspielers und des Opfers wird zu einem fast unerschöpflichen Fundus an unerwarteten Aussagen, die zur Komplexität der Story beitragen. Eine kleine Liebesgeschichte lockert die Sachlichkeit und Düsternis der Handlung etwas auf und gibt dem Ganzen einen Hauch von Wärme, Menschlichkeit und Humor.

Der Themenkomplex der Sexualität verfolgt den Leser durch die ganze Geschichte hinweg. Es beginnt damit, dass die Tote einem Sexualverbrechen zum Opfer gefallen ist, setzt sich aber mit den diversen Ausprägungen wie Lust, Leidenschaft, Eifersucht, Pornografie, Pädofilie, Masturbation und allem fort, was der Mensch im guten und schlechten daraus zu machen fähig ist. Aber auch weitere kriminelle und moralisch verwerfliche Aktivitäten werden nicht ausgespart.

Die Schilderung der Charaktere in diesem Buch ist sorgfältig und schlüssig ausgearbeitet. Zwischen den Hauptpersonen bestehen Beziehungen, die sich dem Leser erst im Laufe der Geschichte erschließen und entsprechende Konzentration erfordern, um den verwickelten Handlungssträngen und falschen Fährten bis zum Schluss zu folgen.

Wer von diesem Buch Spannung durch Aktion erwartet, dürfte sich enttäuscht fühlen. Das Buch ist weitestgehend unspektakulär und nüchtern geschrieben, wobei der Gefahr der Langatmigkeit meines Erachtens durch die ständigen Enthüllungen und neuen Ermittlungsergebnissen vorgebeugt wird, die zum Teil in Gutachten und Polizeiberichten präsentiert werden.

Zum Schluss, den vorwegzunehmen ich für unverzeihlich halte, bleibt das Unverständnis über die Abgründe menschlichen Verhaltens und die Sinnlosigkeit mancher Taten.

Für Leser, die an einer psychologisch ausgefeilten und verwickelten, sachlich ausgearbeiteten Tätersuche in einem ebenso grausamen wie sinnlosen Mordfall Interesse haben, ist dieser Roman absolut empfehlenswert. Ich habe ihn in nur wenigen Tagen verschlungen.

Wellenbrecher

Minette Walters, Goldmann

Wellenbrecher

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